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Ein Klub und seine Schmerzen. Rafael van der Vaart leidet mit dem HSV. Foto: AFP

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Hamburger SV: Sehnsucht nach Härte

Herthas Gegner HSV feiert sein Jubiläum: 50 Jahre Bundesliga, als einziger Verein. Doch der Klub steckt in der Dauerkrise – als Retter wird jetzt Felix Magath gerufen.

Hamburg - Dem Umsturz fehlt nur noch die Zusage des Anführers. Für viele wäre Felix Magath der ideale Mann, um den Hamburger SV als Vorstandsvorsitzender aus seiner Dauerkrise zu führen. Seit dem 1:5 gegen Hoffenheim vor einer Woche formiert sich in Hamburg ein breites Bündnis ehemaliger Spieler und Funktionäre, die zur Soforthilfe bereit wären. Ihnen geht es weniger um die aktuelle sportliche Lage oder um Trainer Thorsten Fink – ihm wird nur eine Teilschuld angelastet. Es geht um die gesamte Situation des HSV; seit 2009 scheint sich der Klub rückwärts zu entwickeln. Es fehlt nicht nur an einer starken Mannschaft oder an gutem Nachwuchs, es fehlt an Perspektive, an Geld, an unbeschädigten Personen, denen man einen Neustart zutraut. Der Bundesliga-Dino sucht seine Identität.

Im Chor der Kritiker muss man zwischen Populisten und Wohlmeinenden unterscheiden. Zu den Populisten gehören Manfred Kaltz und Uli Stein; sie kritisieren die Klubführung seit Jahren heftig und auch jetzt wieder. Verantwortung übernehmen wollen sie nicht. Das ist billig.

Andere wie Horst Hrubesch, der ehemalige Präsident Wolfgang Klein und der frühere Aufsichtsrat Ernst-Otto Rieckhoff machen sich ernsthaft Gedanken und kämpfen hinter den Kulissen um die komplette Neuausrichtung. „Ich würde Felix Magath sehr gern beim HSV sehen. Er ist dem Verein immer noch sehr verbunden“, sagt Klein. „Es muss etwas passieren. Die Strukturen sind nicht mehr zeitgemäß“, sagt Hrubesch und meint damit, dass die Profimannschaften nicht ausgegliedert sind und der elfköpfige Aufsichtsrat ihm zu groß und falsch zusammengestellt erscheint. Rieckhoff arbeitet seit längerem an einer Strukturreform, die eine Verkleinerung des Kontrollgremiums und die Trennung der Berufsfußballspieler vom eingetragenen Verein vorsieht.

Am heftigsten geht Klaus-Michael Kühne mit den Verantwortlichen seines Lieblingsklubs um, jener Milliardär, der vor einem Jahr Rafael van der Vaart zum HSV lotste: „Es wurden Schulden angehäuft, der Aufsichtsrat ist falsch aufgestellt. Der Verein muss nun dringend reorganisiert werden.“

Ganz offen präferiert Kühne Magath als Man des Neuanfangs und stellt in Aussicht, mit Millionenspritzen für neue Spieler zur Verfügung zu stehen, sollte die alte Führung abtreten. Das würde bedeuten, dass Vorstand Carl-Edgar Jarchow von seinem Posten zurücktritt.

Niemand hat das Gefühl, dass ein Trainerwechsel nach einer Niederlage an diesem Samstag bei Hertha BSC oder eine Woche später gegen Braunschweig eine Lösung des Problems wäre, weil die Ursachen der Dauermisere tiefer liegen. Es ist auch sinnlos, weiter die Schuld dem Alt-Vorstand Bernd Hoffmann zuzuschieben. Geld, das er ausgab, kommt nicht wieder. Klar wäre, dass Magath einen neuen Trainer und auch einen neuen Sportchef mitbringen oder einige der Posten in Personalunion ausüben würde. Wobei Magath durch seine Hire-and-Fire-Mentalität am Standort Wolfsburg alles andere als unbelastet daherkommt. Doch die Sehnsucht nach einer harten Hand, die alles in die richtige Richtung lenkt, ist so groß im Umfeld des Klubs, dass alte Verfehlungen Magaths vergessen werden.

Das Durcheinander in den Tagen nach Hoffenheim war so groß, dass die peinliche Pleite schon am Dienstag vergessen schien: die Mallorca-Reisen der Profis Aogo und Rincon und die sich anschließende Posse um deren Suspendierung für das Hertha-Spiel, der handgreifliche Aufsichtsrat Klüver. All diese kleinen Verfehlungen bringen einen Großklub nicht um; sie summieren sich aber zu einem verheerenden Gesamtbild und stehen für die ständige Unruhe, die diesen Verein umgibt.

An diesem Samstag feiert der HSV sein Jubiläum: 50 Jahre in der Bundesliga, als einziger Verein. Aber längst geht es nicht mehr darum, ob dieses Etikett durch einen Abstieg verloren gehen könnte. Es geht darum, wie der stolze Hamburger SV in fünf, zehn Jahren dastehen soll. Wer über Jahre nur von der Hand in den Mund lebt, dem fehlt eine Vision. Frank Heike

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