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Zeitensprung. 2010 gewannen die Füchse Berlin zuletzt gegen den THW Kiel. Von den damaligen Berliner Feldspielern steht heute kein einziger mehr im Kader. Foto: Imago

© imago sportfotodienst

Handball-Bundesliga: Füchse Berlin sind fast wieder auf Augenhöhe mit dem THW Kiel

Erstmals seit Jahren sind die Füchse Berlin kein klarer Außenseiter im Topspiel gegen den THW Kiel. Mit einem Sieg könnten sich die Füchse in der Spitzengruppe festsetzen

Mit Resignation, sagt Bob Hanning, hat das Ganze nichts zu tun. Vielmehr sei der Grund im Terminkalender der Handball-Bundesliga zu suchen, die das Topspiel des siebten Spieltags zwischen den Füchsen Berlin und dem THW Kiel für diesen Mittwoch (19 Uhr, live bei Sport1) anberaumt hat. „Das ist natürlich ungünstig für Auswärtsfans“, sagt Füchse-Manager Hanning. Knapp 400 Kilometer nach Berlin und dann nachts wieder zurück in den hohen Norden – diese Tour nimmt an regulären Arbeitstagen nicht mal der traditionell reiselustige Kieler Anhang auf sich, und so wird es heute zu außergewöhnlichen Szenen vor der Max-Schmeling-Halle kommen: Am Tag des Duells mit dem deutschen Rekordmeister werden sie tatsächlich die Abendkassen der Arena öffnen müssen, um die letzten 500 vom THW nicht beanspruchten Tickets unter das Volk zu bringen.

Angesichts der Statistik wäre Resignation allerdings ein plausibles Motiv dafür, dass die Halle nicht ausverkauft ist. Der letzte Punktgewinn der Berliner gegen Kiel liegt mehr als vier Jahre zurück: Am 16. September 2012 trennten sich beide Teams 26:26, seitdem gab es bis auf wenige Ausnahmen ziemlich derbe Abreibungen gegen die Norddeutschen. Der letzte Berliner Sieg ist sogar noch ein paar Tage länger her, genau genommen 2208, er datiert vom 19. September 2010.

„Die Situation war über Jahre so, dass der THW mit seinem außergewöhnlichen Kader immer das Ergebnis bestimmen konnte“, sagt Hanning, „wir konnten oft nur reagieren.“ Mittlerweile ist in der Bundesliga aber das eingetreten, was viele Experten vor der Saison prognostiziert haben. In ihrer Leistungsfähigkeit sind die Teams sehr viel enger zusammengerückt als noch zu dominantesten Kieler Zeiten: In der Spielzeit 2011/12 etwa gewann der THW nicht nur das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League, sondern lief am Saisonende ohne jeden Verlustpunkt in der nationalen Meisterschaft auf dem ersten Platz ein – 68:0 Punkte!

Aus, Schluss, vorbei. Vor ihrem Gastspiel in Berlin haben sich die Verhältnisse in der Tat ein wenig verschoben, die Kieler sind nicht mehr der klare Favorit, im Gegensatz zu den bisher verlustpunktfreien Füchsen (12:0) hat der THW (10:2) in der heimischen Liga bereits eine überraschende wie empfindliche Niederlage kassiert (in Wetzlar). „Die Füchse spielen bisher eine starke Saison. Wir werden alle an unsere Grenzen gehen, um das Spiel zu gewinnen“, sagt Kiels Torhüter Andreas Wolff. Mit einem Sieg gegen das Team von Alfred Gislason könnten sich die Füchse endgültig in der Spitzengruppe festsetzen und sich zumindest auf absehbare Zeit eines lästigen Mitbewerbers entledigen.

Wiede laboriert an einer Schulterverletzung

„Wir wollen unsere Mannschaft dahingehend entwickeln, dass sie an guten Tagen selbst den Takt gegen solch starke Teams wie den THW vorgeben kann“, sagt Hanning, „und ich glaube, dass wir da auf einem guten Weg sind.“ Um dieses Ziel zu erreichen, hat der Manager im Kampf gegen die dauerhafte Chancenlosigkeit viel Zeit, Geld und Trainingsstunden mit dem Nachwuchs investiert. Herausgekommen ist eine Berliner Mannschaft, die sich nicht mal ansatzweise mit jener vergleichen lässt, die den Kielern zwischen 2010 und 2012 mehrfach gefährlich geworden ist. Aus dieser Zeit stehen heute nur noch zwei Angestellte im Kader: das Torhüter-Gespann Silvio Heinevetter/Petr Stochl. Alle anderen Spieler, also faktisch alle Feldspieler, hat Hanning in der Zwischenzeit ausgetauscht, ebenso wie den Trainer. Heinevetter gegen Wolff – also das Aufeinandertreffen der Nationaltorhüter, die im Sommer eine Bronzemedaille aus Rio mitbrachten – dürfte auch heute Abend eines der spannendsten direkten Duelle sein.

Andere hochklassige Duelle fallen dagegen kurzfristig aus, und das liegt an der Personalsituation im Berliner Lager. Nach dem Aus des norwegischen Nationalspielers Kent Robin Tönnessen (Muskelbündelriss) hat sich auch der zweite Berliner Bewerber für die Position im rechten Rückraum verletzt: Fabian Wiede laboriert an einer Schulterverletzung, „alle Strukturen sind aber unauffällig“, lautete die Diagnose einer MRT-Untersuchung am Dienstagnachmittag. Sobald der Nationalspieler wieder beschwerdefrei sei, werde er auch wieder auflaufen. Damit fehlen den Füchsen derzeit zwei ihrer nominell vier Linkshänder im Kader. Wiedes Platz soll erneut Christoph Reißky aus dem zweiten Team einnehmen. „Ohne ihn hätten wir am Sonntag in Hannover nicht gewonnen“, sagt Manager Hanning, „ich habe großes Vertrauen in den Jungen.“

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