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Handball: Den Kopf verloren

Jung-Star Runar Karason wird von den Füchsen umworben. Bisher kann er aber sein Talent noch nicht beweisen. Noch ist ihm nicht viel gelungen.

Locker trabt Runar Karason von einer Seite der Eugen-Haas-Halle auf die andere. Wenige Meter neben ihm liegen seine Teamkollegen von Fram Reykjavik auf dem Boden und plaudern entspannt, während sie ihre Sehnen und Muskeln vor dem EHF-Cup-Spiel beim VfL Gummersbach dehnen. Karason tut das nicht, er möchte lieber allein sein. Sein blasses Gesicht sieht konzentriert aus. Es sind ja auch nur noch wenige Minuten, bis der junge Handball-Profi unter besonderer Beobachtung steht. Großes Interesse an dem Linkshänder mit außergewöhnlichen Qualitäten haben auch die Füchse Berlin. Sie wollen ihn verpflichten, deshalb hat sich Trainer Jörn-Uwe Lommel am Freitag auch auf den Weg in die oberbergische Winteridylle begeben, um ihn zu sehen. Doch es ist nicht der Abend des Auserwählten. Karason trifft nur zweimal, sein Team ist beim 27:38 chancenlos. Das 20 Jahre alte Talent hat seine Leistung nicht mit den hohen Erwartungen in Einklang bringen können, das ist ihm natürlich schnell aufgegangen. Noch Minuten nach Spielschluss sitzt er gedankenverloren auf der Bank und fixiert irgendeinen Punkt in der Ferne. "Ich habe ein furchtbar schlechtes Spiel gemacht", erklärt er später in bemerkenswert selbstkritischer Reflexion. "Vielleicht war es sogar das schlimmste meines Lebens."

Tatsächlich ist dem 1,90 Meter großen Rückraumspieler nicht viel gelungen. Immer wieder nahm er von seiner Stammposition auf halbrechts Anlauf und schoss mit seinem starken linken Arm knapp neben das Tor. "Er hat ja diesen unglaublichen Wurf", erklärt sein Trainer Viggo Sigurdsson. Auch den verdeckten Schuss aus der Hüfte hat er eigentlich im Repertoire. Doch je länger das Spiel diesmal dauert, desto unpräziser werden die Wurfversuche. Eine Frage der Fitness. "Wir haben bei uns viele Semiprofis, in Deutschland sind alle Vollprofis. Das ist der wohl größte Unterschied", sagt Karason. "Nach 45 Minuten hatten wir einfach keine Kraft mehr dagegenzuhalten."

Tröstende Worte für den Enttäuschten findet Gummersbachs Kreisläufer und Karasons Landsmann Robert Gunnarsson: "Ich glaube, er hat ein Riesenpotenzial, ein ganz Großer zu werden. Vor allem, weil er sehr gut arbeitet und klar im Kopf ist." Gunnarsson, 28, kann das beurteilen, denn er und Karason haben im Sommer mit der Nationalmannschaft die Olympia-Vorbereitung absolviert, ehe Karason kurz vor der Abreise nach Peking aus dem Kader gestrichen wurde. "Wir hatten zu viele gute Linkshänder", meint Gunnarsson. Das war einer der Gründe, ein anderer wird das vor allem auf internationalem Niveau noch zaghafte Abwehrverhalten von Karason gewesen sein.

Den nächsten Schritt seines Entwicklungsprozesses in Berlin zu vollziehen, kann sich der Umworbene gut vorstellen, wenngleich ihm auch spanische und dänische Vereine Avancen gemacht haben. "Berlin hat sehr gute Perspektiven. Sie wollen in den nächsten Jahren unter die Top Drei kommen", weiß Karason. "Das ist ein Level, das ich auch erreichen möchte, deswegen wäre es interessant für mich, daran teilzuhaben."

Die in die Zukunft abschweifenden Gedanken seines Leistungsträgers betrachtet Reykjaviks Trainer mit Sorge: "Es ist eine Katastrophe. Runar ist eines der größten Talente, die ich in unserem Land je gesehen habe. Er bekommt ständig neue Angebote und weiß nicht wohin - er hat den Kopf verloren." In den nächsten Tagen zumindest wird Karason keine Orientierungsprobleme haben, dann ist Berlin sein Ziel. Die Füchse wollen ihm die Stadt zeigen. Und mit ihm verhandeln.

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