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Sport: Handball: Der Glückwunsch kam per SMS

Nein, er friert dieser Tage nicht. Obwohl man das bei einem, der zwei Jahre in Spanien lebte, vermuten könnte.

Nein, er friert dieser Tage nicht. Obwohl man das bei einem, der zwei Jahre in Spanien lebte, vermuten könnte. Doch Christian Schwarzer war in den spielfreien Sommermonaten immer wieder in seiner Heimat. Genauer: in Niederwürzbach. Dort besitzt der Handballer ein Haus. Seit einigen Wochen hat sich der 31-Jährige wieder in Deutschland niedergelassen. In Lemgo-Brake, mit seiner Frau und seinem Sohn.

Lemgo hat 42 000 Einwohner, Barcelona 1,8 Millionen. In Barcelona wohnte Schwarzer in einem Haus am Meer, er hatte Sonne, einen Stammplatz, ein horrendes Gehalt und Erfolg; Champions-League-Sieger, spanischer Meister und Pokalsieger. Seinem Mitspieler Inaki Urdangarin, dem Schwiegersohn des spanischen Königs, brachte er sogar das Weißbier-Trinken bei. Seine Exzellenz wollte das Bier aus der Fasche trinken.

Warum geht einer in so einer Situation? Warum geht er von der Glitzerstadt in die graue Provinz? Obwohl er noch einen Vertrag bis 2002 hatte? Es war ja nicht bloß ein Wechsel, es war ja fast schon eine Flucht. Schwarzer ging wegen Frau und Kind. Oder besser gesagt: wegen seiner Eltern. Die leben in Hamburg. Und wollten sich nicht damit abfinden, den Enkel so selten zu sehen. Der Flug nach Barcelona kam für sie nicht infrage, weil der Vater einen schweren Bandscheibenschaden und die Mutter Flugangst hat. Also beknieten sie den Sohn, doch wieder zurückzukommen. Mit Erfolg.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, einen sportlichen. Schwarzer hätte eine schwere Saison vor sich gehabt. Denn Trainer Valero Rivera hatte bereits vor Monaten verlangt, dass alle Spieler, die älter sind als 30, ihre Nationalmannschaftskarrieren beenden müssten. Die Doppelbelastung Verein/Nationalmannschaft sei für solche Oldies zu groß. Aber Schwarzer hätte sich darauf nie eingelassen. Er hat 221 Länderspiele absolviert, er plant noch weitere.

Beim Grillen auf der Terrasse des Hauses von Schwarzer besiegelten Lemgos Manager Fynn Holpert und der Rückkehrer dann den Zweijahresvertrag. Sehr zur Freude von Bundestrainer Heiner Brand, der auf die Kunde hin gleich eine Glückwunsch-SMS auf Holperts Handy schickte.

Brand frohlockte, weil beim deutschen Handball-Vizemeister nun die halbe Nationalmannschaft spielt. Auch Markus Baur kam, auch Christian Ramota. Daniel Stephan war ohnehin schon da. Und vielleicht lässt sich Volker Zerbe doch noch zu einem Comeback überreden. Viele Sponsoren mussten zahlen, um diese geballte Handballkraft zu ermöglichen. Dass Schwarzer nicht wenig verdient, versteht sich von selbst. "Zwischen Spanien, dem einstigen Peseten-Paradies, und der Bundesliga ist kaum noch ein Unterschied", sagt er.

Im Vorjahr kam er bei der Wahl zum Welthandballer auf Platz drei und lag damit fünf Ränge vor Stefan Kretzschmar. Deutscher Meister war er noch nie. Das will er nun in der am Sonnabend beginnenden Saison mit Lemgo nachholen. Magdeburg, das gestern durch ein 28:25 gegen Bad Schwartau zum zweiten Mal nach 1997 den Supercup holte, Kiel und Flensburg stuft er als härteste Konkurrenten ein. "Einen Titel will ich mit Lemgo holen", sagt Schwarzer. Wie lange er noch Handball spielen wird, weiß er noch nicht: "Ich lebe von Saison zu Saison." Vorgesorgt hat er schon. So ganz nebenbei legte er die Lehre als Reisekaufmann ab. Und am 1. Oktober steigt Schwarzer in Lemgo bei einem Reiseveranstalter ein. Auf zwei Beinen steht man bekanntlich besser.

Klaus Rocca

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