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Ratlose Anführer. Eigentlich sollten Pascal Hens (l.) und Holger Glandorf das deutsche Spiel lenken. Gegen Tschechien wirkten sie aber wie Fremdkörper.

© dpa

Handball-EM: Deutschland droht der Tiefpunkt

Den deutschen Handballern droht das Aus bei der Europameisterschaft in Serbien, vor allem der Rückraum um Kapitän Pascal Hens muss sich verbessern.

Am Tag nach der Schmach waren die Augen des Bundestrainers von dunklen Schatten umrandet. Martin Heuberger war kaum zur Ruhe gekommen nach der 24:27 (10:14)-Niederlage seiner Mannschaft gegen Tschechien. Nur „von 1 Uhr bis 4 Uhr“ habe er Schlaf gefunden, berichtete Heuberger, „dann konnte ich nicht mehr schlafen“. Den Rest der Nacht verbrachte er damit, über den verpatzten Auftakt dieser Handball-EM zu grübeln. Und über die richtigen Maßnahmen für das eminent wichtige zweite EM-Spiel gegen Mazedonien am heutigen Dienstag (18.15 Uhr, live in der ARD).

Eine seriöse Erklärung für den Ausfall des wichtigsten Mannschaftsteils, des Rückraums, konnte Heuberger allerdings auch nach intensiver Video-Analyse nicht liefern. Insbesondere der blutleere Auftritt des Kapitäns Pascal Hens vom HSV Hamburg, der in den ersten 20 Minuten zahlreiche Fehlwürfe und Fehlpässe fabriziert hatte, ließ den Bundestrainer rätseln. „Ich weiß nicht, woran es liegt“, sagte Heuberger achselzuckend. „Ich habe schon mit Pommes gesprochen, aber auch er kann sich das nicht erklären.“

Auf „Pommes“, wie der 31-jährige Hens gerufen wird, ruhten vor der EM die Hoffnungen Heubergers. Der Halblinke spielt seit 2002 große Turniere, er hat zwei Olympische Spiele hinter sich, war Europameister 2004 und Weltmeister 2007. Und er wurde geschult durch die „Goldene Generation“ des deutschen Handballs, durch Persönlichkeiten wie Christian Schwarzer, Markus Baur, Volker Zerbe und Daniel Stephan. Hens sollte die Mannschaft in Serbien führen, um wenigstens die Chancen auf Olympia 2012 zu erhalten. Doch jetzt wirkt er „wie ein Fremdkörper“ in der Mannschaft, wie Daniel Stephan sagte.

In den beiden letzten Testspielen gegen Ungarn hatte Hens einen guten Eindruck hinterlassen, auch in der Liga hatte er zuletzt überzeugt. Doch dann brachten ihn ein paar Fehlwürfe völlig aus dem Tritt. „Ich weiß auch nicht, was da passiert ist“, sagt Hens – und ihm schwant Böses für die nächste Partie gegen Mazedonien. „Wenn wir da die Bälle nicht reinmachen und ein ähnlich furchtbares Überzahlspiel an den Tag legen, werden wir gegen Mazedonien in eine ähnliche Situation kommen.“

Sorgen macht aber nicht allein der Zustand von Hens, des mit 194 Länderspielen erfahrensten Manns im Kader. Auch der zweite routinierte Mann im Rückraum, Linkshänder Holger Glandorf, hinterließ einen schwachen Eindruck. Dabei zählte Glandorf bei der SG Flensburg-Handewitt zu den stärksten Rückraumspielern der Liga, mit 96 Toren war er in der Hinserie der drittbeste Schütze aus dem Feld. „Er ist ein Draufgängertyp, das ist seine Stärke“, sagt Heuberger. Aber der Draufgänger Glandorf hat sich in der Nationalmannschaft in einen Zauderer verwandelt. Alles ein Kopfproblem, sagt Spielmacher Michael Haaß. Durch die Fehlwürfe gegen Tschechien hätten die deutschen Spieler im Rückraum zu viel nachgedacht und zu lange gezögert. „Da geht es um Zehntel, nur um einen Tick, aber der ist entscheidend“, sagt Haaß. „Wir sind in alte Fehler verfallen.“

Viel Zeit aber hat die DHB-Auswahl nicht, diese Fehler im Rückraum zu korrigieren. Eine Niederlage gegen Mazedonien würde das vorzeitige Aus bedeuten, sollten die Schweden anschließend gegen Tschechien gewinnen. Und die Aufgabe wird dadurch erschwert, dass die Mazedonier um ihren Star Kiril Lazarov von 4.000 Zuschauern unterstützt werden.

„Wir müssen versuchen, diesen Druck auf den Rängen in Motivation umzuwandeln“, sagt Pascal Hens. Gelingt dies, könnte es die Wende in diesem Turnier bedeuten. Scheitern aber die deutschen Handballer, hätte der deutsche Handball seinen vorläufigen Tiefpunkt erreicht.

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