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Sport: Handball: Kein Platz für Besserwisser

Was sind schon 30 Fässer Bier, wenn 18 000 Menschen unstillbaren Durst haben? Sie reichen nicht einmal für eine Nacht.

Was sind schon 30 Fässer Bier, wenn 18 000 Menschen unstillbaren Durst haben? Sie reichen nicht einmal für eine Nacht. Erst recht nicht, wenn es sich um Freibier handelt. Wie in Magdeburg auf dem Alten Markt, als die Fans ihre Handballer frenetisch feierten, die kurz zuvor die Schale für den Deutschen Meister überreicht bekamen. Diese Prozedere findet zwar bekanntlich jedes Jahr irgendwo statt, aber für das Team aus Sachsen-Anhalt und dessen Fans war es etwas ganz Besonderes. Nach dem 30:23 gegen Flensburg-Handewitt geriet das Bad in der Menge so für die Spieler zur Tortur, denn jeder wollte seine Helden umarmen und knuddeln. "Diese Atmosphäre ist unbeschreiblich. Ich weiß, wie wichtig der Titel für die Leute ist", meinte der nicht minder gefeierte Trainer Alfred Gislason.

"Zehn Jahre nach dem zehnten DDR-Meistertitel sind wir endlich am Ziel. Der Riese ist geweckt", sagte Manager Bernd-Uwe Hildebrandt, der als der Vater des Erfolges nach der Wende in Deutschland beim Traditionsklub gilt. Dass Hildebrandt sich in der Stunde des Sieges einen Seitenhieb auf einige Kritiker nicht verkneifen konnte, verwunderte nicht. Fein waren seine Worte nicht, aber ehrlich: "Als ich die Vereinsfahne geschwungen habe, da dachte ich, da stehen auch alle die Scheißer um einen rum, die mir das Leben schwer gemacht haben. Im Erfolg sind plötzlich alle da."

Mit seinen starken Worten ("Wer Erfolg haben will, der darf nicht große Demokratie spielen. Einer muss der Chef sein") hatte sich der Manager und Olympiastützpunktleiter zuvor schon nicht überall Freunde gemacht. Viele rümpften die Nase, auch erfolgreiche Magdeburger aus DDR-Zeiten, denen Hildebrandt nicht einfach deswegen einen Posten zuschacherte. Auch den Glücksrittern, die nach der Wende alles besser wussten und anders machen wollten, hatte er eine Absage erteilt: "Wir lassen niemanden von außen heran, machen es so, wie wir wollen." Es verwundert nicht, dass es Hildebrandt war, der noch am Sonntag sofort das größte Ziel absteckte: "Jetzt müssen wir endlich einmal die Champions League nach Deutschland holen. Es kann doch nicht sein, dass immer andere Länder diese Trophäe wegschnappen." Auch die optimistischen Worte werden ihm seine Kritiker, wenn sich der Jubel um die Meisterschaft gelegt hat, wieder als Großspurigkeit vorwerfen.

Doch Hildebrandt ist kein Mann für Sprechblasen. Ohne die wirtschaftliche Grundlage zu haben, würde er davon nicht reden. Was zu Beginn der neunziger Jahre mit der Stiftung "Sport in Magdeburg" begann, bald kleine bis mittlere Geldgeber im "Klub der 100" vereinte und mit der Bindung an einen Hauptsponsor auf feste Füße gestellt wurde, spiegelte sich in der zurückliegenden Saison in einem Etat von 4,6 Millionen Mark wider. Und bereits vor dem Finale gegen Flensburg wurde mit Stolz verkündet, dass die größte Brauerei aus Sachsen-Anhalt den Vertrag zu verbesserten Konditionen vorzeitig verlängert hat. "Die Sache ist doch im Prinzip ganz einfach", erklärt Hildebrand. "Wenn es um den Handball geht, fühlen sich die Menschen der Region nicht als zweitklassig. Da sind wir eben wer in diesem Land. Daraus entspringt eine ungeheure Motivation."

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