Handball-WM: Brands Shooter
Am Freitag beginnt für das deutsche Team die Handball-Weltmeisterschaft. Der Geschäftsführer der Füchse Berlin, Bob Hanning, analysiert im Tagesspiegel den deutschen Kader.
Mit dem Spiel gegen Ägypten beginnt für die deutsche Nationalmannschaft am Freitag in Lund die Handball-Weltmeisterschaft. Der Weltmeister von 2007 trifft in der Vorrunden-Gruppe A außerdem auf Bahrain (16. Januar), Spanien (17.), Frankreich (19.) und Tunesien (20.). Nach dem enttäuschenden zehnten Platz bei der EM in Österreich vor einem Jahr geht es für das Team von Heiner Brand nicht nur um eine Rehabilitation, sondern darum, in der Weltspitze vertreten zu bleiben. Nur der Weltmeister von Schweden hat ein Ticket für Olympia 2012 in London sicher, die Mannschaften auf den Rängen zwei bis sieben dürfen in der Folge an Qualifikationsturnieren teilnehmen.
Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, von 1997 bis zu den Olympischen Spielen 2000 Kotrainer von Heiner Brand und verantwortlich für die deutsche B-Auswahl, beurteilt die aktuelle Mannschaft, die bei dieser WM auch Wiedergutmachung zu leisten hat. Dabei geht es auch um die Zukunft des deutschen Handballs. Der 42-Jährige traut der Mannschaft eine Steigerung im Vergleich zur EM vor zwölf Monaten zu, zählt sie generell aber nicht zum Kreis der Favoriten. Hier Hannings Analyse:
Die Torhüter
Das ist die Position, über die man sich überhaupt keine Gedanken machen muss. Silvio Heinevetter von den Füchsen ist die klare Nummer eins: weil er mit spektakulären und extrovertierten Aktionen für die Angreifer kaum berechenbar ist. Der Hamburger Johannes Bitter folgt ihm als Nummer zwei. Er steht bei seinen Aktionen mehr, seine Beine sind nicht ganz so schnell wie die von Heinevetter. Er verfügt jedoch international über die größere Erfahrung. Beide Torhüter sind mit die besten, die es im Welthandball gibt. Hinter ihnen steht der immer zuverlässige und sich loyal verhaltende Karsten Lichtlein aus Lemgo, der in vielen Nationalmannschaften die Nummer eins oder zwei wäre.
Die Abwehr
Glanzstück war in der Vergangenheit bei den Deutschen die 6:0-Formation. Sie hatte ihre Stärken vor allem in ihrem Innenblock, der aber im Vergleich zur WM 2007 deutlich an Qualität verloren hat. Dadurch fehlt es den Deutschen auch an Effektivität im Gegenstoß. In der Mitte wird dieser von Oliver Roggisch von den Rhein-Neckar Löwen oder Sebastian Preiß aus Lemgo geführt. Auf den Halbpositionen gibt es ebenfalls mehrere Besetzungsvarianten. Die besten Möglichkeiten gibt es auf Halblinks, wo Lars Kaufmann aus Göppingen und Füchse-Spieler Sven-Sören Christophersen agieren. Auch Torsten Jansen vom HSV, sonst Linksaußen, hat auf dieser Position Stärken. Es wäre deshalb sicherlich ein Fehler, ihn nicht mit nach Schweden zu nehmen. Im Hinblick auf die Zukunft mit Olympia 2012 wäre das zwar nachvollziehbar, aber dafür muss sich Deutschland ja nun erst einmal qualifizieren. Der Halblinke Pascal Hens, der Kapitän des Teams, kann in der Abwehr auf der Außenposition praktisch versteckt werden. Er ist zwar längst noch nicht wieder in der Form der WM 2007, aber von dort aus kann der HSV-Spieler seine Stärken vor allem im Angriff in der so genannten zweiten Welle sehr gut einbringen. Halbrechts ist vor allem wichtig, dass Holger Glandorf aus Lemgo wieder fit ist. Er bringt große Routine mit und verleiht dem Innenblock damit Stabilität. Auf Rechtsaußen ist Christian Sprenger vom THW Kiel ein Top-Mann, der das Team emotional mitreißen kann und im Gegenstoß mit großem Wurfrepertoire stets gefährlich ist.
Als zweites taktisches Mittel klappte zuletzt die 5:1-Abwehr immer besser. Dabei können sowohl Dominik Klein aus Kiel als auch Michael Kraus aus Hamburg in der vorgezogenen Position auf den effektivsten Angriffsspieler des Gegners angesetzt werden. Hinter ihnen arbeiten dann der Innenblock und die Außen in gewohnter Weise.
Der Angriff
Die Ideen sollen vor allem von Michael Kraus als Regisseur ausgehen. Wenn er in Bestform ist, Selbstvertrauen hat und nur auf Handball fixiert ist, dann ist er sehr wertvoll. Nicht nur für die Spielgestaltung, sondern auch, weil er mit seinem unglaublich schnellen Armzug und Würfen aus allen Lagen selbst viele Tore erzielen kann. Er muss vor allen anderen dafür sorgen, dass Struktur ins Spiel kommt, die Deutschen wieder mehr Handball spielen, als – wie zuletzt – vornehmlich nur zu schießen. Als Alternativen zu ihm gibt es zwei Spieler, die zuletzt immer besser ins Team fanden: Michael Haaß aus Göppingen und nun auch Sven-Sören Christophersen. Im rechten Rückraum sorgen der wiedergenesene Holger Glandorf und der Aufsteiger Adrian Pfahl aus Gummersbach für Torgefahr. Auf Halblinks haben die Deutschen mit Lars Kaufmann und Pascal Hens zwei ausgesprochene Shooter in ihren Reihen, hinzu kommt Christophersen. Letzterer ist variabel einsetzbar, sollte deshalb auf jeden Fall im Team für Schweden sein. Die Rechtsaußen-Position ist mit Christian Sprenger gut besetzt, der junge Patrick Groetzki von den Rhein-Neckar Löwen ist eine Alternative. Auf Linksaußen muss noch ein Spieler weichen: Dominik Klein, Torsten Jansen und Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen kämpfen um die zwei Plätze. Nicht so gut besetzt ist die Kreismitte. Sebastian Preiß ist sicherlich die Nummer eins vor Jacob Heinl aus Flensburg, aber international gibt es auf dieser Position viel bessere Spieler.
Der Bundestrainer
Heiner Brand ist ein Weltklasse-Coach, der es immer wieder versteht, ein starkes Team zu formen. Dabei arbeitet er sehr hart an sich selbst, was auch die Spieler an ihm schätzen. Seine Stärke ist es, in den nur kurzen Vorbereitungszeiten vor den Höhepunkten, die in der Vergangenheit oftmals auch noch durch Verletzungen von Leistungsträgern geprägt waren, das Maximale herauszuholen. Die Krönung war der WM-Titel 2007 im eigenen Land.
Aufgezeichnet von Hartmut Moheit.
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