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Handball-WM: Immer noch am Ball

Der WM-Sieg der deutschen Handball-Nationalmannschaft hat sich gelohnt - in vielerlei Hinsicht.

Es war wie ein Rausch. Umgeben von einem Meer aus schwarz-rot-goldenen Fahnen in der wogenden Kölnarena, begleitet von mehr als 20 Millionen Zuschauern an den deutschen Fernsehgeräten, triumphierte die deutsche Handball-Nationalmannschaft am 4. Februar 2007 in Köln im WM-Finale gegen Polen (29:24). Eine derart hohe Aufmerksamkeit hatte die Sportart noch nie erreicht. „Ich weiß nicht, ob Handball-Deutschland so etwas jemals wieder erleben wird“, sagt Markus Baur, der mittlerweile zurückgetretene Kapitän dieser Mannschaft.

Irgendwie war dieses „Wintermärchen“ die Vollendung des nicht ganz erfolgreichen „Sommermärchens“ des deutschen Fußballs bei der WM 2006 im eigenen Land. Wenn nun die Titelverteidigung bei der 21. WM in Kroatien ansteht, zeigt sich deutlich, wie sehr die Sportart noch von dem damaligen Hype zehrt.

"Absoluter Boom"

Uwe Schwenker etwa ist sich sicher, dass der deutsche Handball nachhaltig davon profitiert hat. Der Manager des Rekordmeisters THW Kiel, den die Branche als „Uli Hoeneß des Handballs“ bezeichnet, spricht von einem „absoluten Boom“. „Die WM hat den Handball in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.“ Schwenker muss es wissen: Er ist seit 1980 im Geschäft, zunächst als Spieler des THW Kiel, seit 1993 als Geschäftsführer. Und die Umfragewerte geben ihm recht. Während sich im Jahr 2006 lediglich 14 Prozent der Deutschen für Handball interessierten, gibt heute knapp ein Viertel aller Befragten (23 Prozent) Interesse an Handball an. Das hat die Kölner Beratungsfirma „Sport + Markt“ ermittelt. Auch wenn dieser Wert kurz nach der WM 2007 noch höher lag (über 30 Prozent), stellt Hartmut Zastrow, Sport-+-Markt-Vorstand, fest: „Handball hat sich in Deutschland als Top-Sportart etabliert“.

Das gestiegene Interesse spiegelt sich an vielen Stellen wider. Beispielsweise in den Mitgliederzahlen. Zu keinem Zeitpunkt in seiner 59-jährigen Geschichte gehörten dem Deutschen Handballbund (DHB) mehr Mitglieder an als heute. Nach einer Erhebung des Deutschen Olympischen Sportbundes weist der größte Handballverband der Welt derzeit 842 070 Mitglieder auf – rund 23 000 Mitglieder mehr als 2006. Damit belegt der DHB den sechsten Platz in der Rangliste der deutschen Sportverbände, die generell einen leicht rückläufigen Trend zu verzeichnen haben. Der größte Zuwachs wurde bei den Jugendlichen im Alter von sieben bis 14 Jahren erzielt, wo 10 049 Jungen und 4146 Mädchen hinzukamen. „Die WM 2007 in Deutschland hat im Handball für einen ungeheuren Aufschwung gesorgt“, erklärt DHB-Präsident Ulrich Strombach. „Es freut mich besonders, dass wir trotz der Reizüberflutung, der Jugendliche heutzutage ausgesetzt sind, so viele jungen Menschen an unseren Sport heranführen konnten. Wir sind für die Zukunft bestens aufgestellt.“ Das von Strombach nach der WM formulierte ehrgeizige Ziel, mehr als eine Million Mitglieder zu erreichen, liegt indes in weiter Ferne. Allerdings besitzt die Sportart Handball gegenüber anderen Mannschaftssportarten wie Fußball auch einen entscheidenden Nachteil: Man braucht zur Ausübung des Sports Hallen. Nach der WM gab es zahlreiche Berichte, wonach Handballsparten einiger Klubs Aufnahmestopps verhängen mussten, weil nicht genügend Hallenkapazitäten zur Verfügung standen.

Handball-Bundesliga mit Zuschauerrekord

Dieses Interesse und die sensationelle Quote des WM-Finales von 2007 waren die Grundlage dafür, dass mit dem Kölner Privatsender RTL erstmals das Privatfernsehen die WM-Rechte erworben hat. Rund sechs Millionen Euro soll das gekostet haben – ein Vielfaches dessen, was die Rechte noch 2007 kosteten. Auch der DHB hat von der gestiegenen Nachfragen im TV-Bereich profitiert: Er schloss für die Länderspiele auf deutschem Boden einen Vertrag mit der Sport A (Agentur von ARD und ZDF). Der aktuelle TV-Vertrag der deutschen Handball-Bundesliga (HBL) datiert noch aus dem Sommer 2006. Neu seit der WM 2007 ist, dass fast 200 Liga-Partien pro Jahr live gesendet werden, entweder in den Dritten Programmen der ARD, dem Deutschen Sportfernsehen (DSF) oder bei HBL-TV, dem digitalen Sender des Sportrechtehändlers Sportfive.

Ein weiterer Beleg der Konjunktur sind die Zuschauerzahlen. Die deutsche Handball-Bundesliga steuert in der laufenden Saison 2008/09 auf einen neuen Zuschauerrekord zu. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann ist nach dem Ende der Hinserie „zuversichtlich, dass es uns am Ende der Saison gelingt, die Marke von 1,5 Millionen Fans zu durchbrechen“. Allerdings steigen die Besucherzahlen, begünstigt durch den Bau großer Hallen in den Metropolen (Hamburg, Berlin, Köln, Mannheim), schon seit 1996 kontinuierlich an.

Die Sponsoren erhöhen ihr Engagement

Auch die Aktivitäten seitens der Sponsoren sind enorm gestiegen. „Es sind viele potente Investoren in den Klub-Handball eingestiegen“, erklärt Schwenker. Der umsatzstarke Nahrungsmittelkonzern Heristo AG etwa engagierte sich beim TBV Lemgo, die dänische Kasi-Group (Schmuck) bei den Rhein-Neckar-Löwen, die ebenfalls von SAP unterstützt werden, andere Sponsoren wie die Provinzial (THW Kiel) erhöhten ihr Engagement.

Auch der DHB profitierte stark, indem er nach der WM 2007 einen Ausrüster-Vertrag mit der Adidas AG abschloss und außerdem 2008 einen Fünfjahreskontrakt mit Sportfive, der eine garantierte jährliche Summe abwirft (rund 1,5 Million Euro). Sportfive akquirierte bereits den Weltkonzern Toyota und die DKB-Bank, sowie für die Werbeflächen auf den Schiedsrichter-Trikots „TV 14“. „Der Vertrag kam für uns zu einem günstigen Zeitpunkt zustande“, sagt DHB-Vizepräsident Horst Bredemeier. Aufgrund der aktuellen Finanzkrise sei „die Lage im Sportsponsoring derzeit schwierig“. Auch finanziell hat sich die WM 2007 also nachhaltig gelohnt.

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