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Sport: Hanka Kupfernagel oder die Umwege einer Ausnahmekönnerin bis zum Regenbogentrikot

"Ich habe das Regenbogen-Trikot auf einen Bügel gehängt und mir immer wieder angeguckt. Denn so richtig glauben konnte ich es noch nicht.

"Ich habe das Regenbogen-Trikot auf einen Bügel gehängt und mir immer wieder angeguckt. Denn so richtig glauben konnte ich es noch nicht." Am Tag nach ihrem Sieg bei den Radcross-Weltmeisterschaften in Sint Michielsgestel/Niederlande realisiert Hanka Kupfernagel langsam, dass sie in zweifacher Weise Radsportgeschichte geschrieben hat. Die 25-Jährige sicherte sich nicht nur den erstmals vergebenen Frauen-Titel im Radquerfeldeinfahren, sondern wird auch als erste Radsportweltmeisterin des neuen Jahrtausends geführt.

"Dieser WM-Titel ist einzigartig. Ich hoffe aber, dass noch einige folgen werden", blickt die gebürtige Thüringern in die Zukunft. Mit dem Gewinn der Goldmedaille krönt die "Radsport-Rebellin" ihre bisherige sportliche Karriere, die alles andere als gradlinig verlief. Denn für Schlagzeilen war Kupfernagel, die vor sieben Jahren nach Berlin zog und seit einiger Zeit im brandenburgischen Bliesendorf lebt, immer gut. Als Juniorin wurde sie dreimal Weltmeisterin auf Bahn und Straße, insgesamt 13 nationale Titel hat sie bereits gewonnen, dazu kommen Siege bei hochkarätigen internationalen Eintagesrennen und Rundfahrten. Seit Einführung der Frauen-Weltrangliste im April 1997 ist die Ausnahme-Athletin, abgesehen von einer siebenmonatigen Unterbrechung, die Nummer eins der Straßenradsportlerinnen. Ein WM-Trikot bei den Erwachsenen blieb ihr bisher jedoch verwehrt. Bei den Straßen-Titelkämmpfen 1998 in den Niederlanden holte sie im Einerrennen und im Einzelzeitfahren jeweils Bronze. Doch nicht nur mit ihren sportlichen Leistungen sorgte sie für Aufsehen und besonders bei den deutschen Radsport-Funktionären für Unruhe. 1992 lernte sie ihren jetzigen Ehemann und Trainer Torsten Wittig-Kupfernagel bei einem Nationalmannschafts-Lehrgang kennen. Beide heirateten ein Jahr später. Trotz der vorhandenen sportlichen Klasse wurde sie damals nicht für Weltmeisterschaften nominiert. "Von dem Tag an haben wir beschlossen, unser eigenes Ding zu machen", so das Ehepaar Kupfernagel. Bis 1996 weigerten sich die Funktionäre und Trainer des Bund Deutscher Radfahrer (BDR) dann, ihre erfolgreichste Rennfahrerin bei den internationalen Meisterschaften starten zu lassen, obwohl sich Kupfernagel und ihr Mann zu einem unschlagbaren Duo entwickelt hatten. Es gab kaum ein Rennen im In- und Ausland, das Kupfernagel nicht vor der gesamten deutschen Nationalmannschaft gewann. "Ich wollte bei Weltmeisterschaften gute Leistungen bringen. Deswegen wäre ich nur zu meinen Bedingungen gestartet," erinnert sich die Radrennfahrerin, die oft mit der elffachen Weltmeisterin Jeannie Longo aus Frankreich verglichen wird.

Ihre Bedingungen waren die gleichen, wie sie am Wochenende galten: Ihr Ehemann Torsten betreut sie, individuelle Vorbereitung und Material auf eigene Kosten. Erst 1996, kurz vor dem Wechsel an der Verbandsspitze, an der jetzt Manfred E. Böhmer steht, durfte Kupfernagel an Weltmeisterschaften teilnehmen. Mit dem WM-Titel bedankte sich Kupfernagel jetzt auf ihre Art.

Michael Wiedersich

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