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Hannover 96: Aus Überzeugung gut

Hannover 96 klettert langsam, aber stetig nach oben - die Mannschaft wirkt stabil wie lange nicht mehr. "Unsere Transfers greifen", sagt Klubchef Martin Kind.

Auch in der vierten Wiederholung im Fernsehen war es nicht genau zu erkennen. Es lief die 53. Minute im Bundesligaspiel zwischen Hannover 96 und Borussia Dortmund, als der Dortmunder Philipp Degen den Ball taxierte wie ein Stier das rote Tuch. Am äußersten Strafraumeck setzte Degen dann zur Grätsche an und holte Sergio Pinto von den Beinen. Um zu erkennen, dass der daraus resultierende Elfmeter für Hannover berechtigt war, musste man sich die Szene nicht noch einmal anschauen. Die Frage ist: Hat Pinto wirklich schon gelächelt, als Degen noch im Anflug war?

Diese Situation, die Szabolcs Huszti mit dem verwandelten Strafstoß zum 1:0 zu Ende führte, hatte Symbolcharakter für diese Begegnung. Es war der letzte Schubser, den die Niedersachsen an diesem Tag brauchten, um die Borussen zu besiegen. Auch wenn es am Ende noch einmal spannend wurde, weil den Dortmundern nach dem 2:0 durch Christian Schulz ein schneller Anschlusstreffer durch Florian Kringe gelang, gab es keinen Zweifel daran, dass Hannover diesen 2:1-Sieg verdient hatte. Seit sechs Spielen ist Hannover nun schon in der Bundesliga ungeschlagen und steht in der Tabelle auf dem fünften Platz – so gut, wie seit drei Jahren nicht mehr.

Im Herbst 2004 tauchte der Klub schon einmal in dieser Tabellenregion auf, wurde danach aber wieder ins hintere Mittelfeld durchgereicht, wo er sich in den vergangenen Jahren so etwas wie einen Stammplatz eingerichtet hatte. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Aufschwung diesmal stabiler ist. „Die Momentaufnahme ist okay“, sagte Hannovers Klubchef Martin Kind: „Die Mannschaft ist stabil, spielt ergebnisorientiert und unsere Transfers greifen.“

Tatsächlich ist die aktuelle Mannschaft so selbstbewusst und gut besetzt wie keine andere in Hannover seit dem Wiederaufstieg 2002. Die Torschützen Huszti und Schulz sind nur zwei von mittlerweile 14 Spielern, die entweder einer Nationalmannschaft angehören, oder schnellstmöglich dorthin zurück möchten. Christian Schulz behauptet: Wer nach zwölf Spielen Fünfter ist, „der steht da nicht bloß zufällig“.

Es gibt zurzeit viele Dinge, auf die sie in Hannover stolz sein können. Die Liga staunt und sucht nach Gründen – Trainer Dieter Hecking kennt sie. „Das, was die Mannschaft spielen kann, spielt sie nun schon seit Wochen auf einem hohen Niveau“, sagte der Coach. Es ist kein atemraubender Hurra-Fußball, den die Niedersachsen bieten. Weil es keine herausragenden Spieler gibt und die Defensive das Prunkstück ist, muss sich die Mannschaft ihre Chancen mit Einsatz, Laufarbeit und Teamgeist hart erkämpfen. Auch der Sieg gegen Dortmund wurde nicht herauskombiniert, sondern erarbeitet, Meter um Meter, Zweikampf um Zweikampf. „Diese Mannschaft arbeitet sehr stark an sich“, sagt Trainer Hecking.

In Hannover honorieren das mittlerweile auch die Zuschauer. 45 000 kamen gegen Dortmund ins Stadion, nachdem in den Wochen zuvor meist mehrere tausend Plätze leer geblieben waren. „Es war lauter als sonst“, bemerkte Hannovers Mittelfeldspieler Jan Rosenthal. „Die Zuschauer haben erkannt, dass die Mannschaft sehr gute Arbeit abliefert“, sagte Hecking.

Und wie geht es weiter im „Goldenen Herbst“ für Hannover? Am Sonnabend spielen die Niedersachsen in Berlin, wo „die Mannschaft die Erfolgsserie gerne ausbauen würde“, wie es Hecking formulierte. Der Erfolg macht selbstbewusst, und warum sollte Hannover bei den angeschlagenen Berlinern verlieren? „Wir schauen nicht nach unten, sondern nach oben. Und vielleicht brauchen wir ja bald gar nicht mehr nach oben zu schauen“, sagte Hecking. Die Euphorie bremsen, die derzeit in Hannover anklingt, möchte niemand im Verein. „Wieso?“, fragt Hecking. „Jetzt sind wir da oben und jetzt wollen wir dort auch bleiben.“ (mit dpa und sti)

Leon Schweickart[Hannover]

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