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Hannover 96: Der Präsident ist Teil von Hannovers Problem

Dieter Heckings Rücktritt wirft die Frage auf, ob Präsident Martin Kind der richtige Mann auf der richtigen Position ist.

Von Christian Otto

Es gab andere Termine. Angeblich wichtigere. Als am Donnerstag, einen Tag nach dem Rücktritt von Trainer Dieter Hecking, bei Hannover 96 ein sportlicher Großschaden besprochen werden musste, fehlte der wichtigste Mann. Seit zwölf Jahren führt Martin Kind den Verein an, der so gerne größer, besser und erfolgreicher sein möchte. „Ich kann die negative Stimmung hier in Hannover fühlen. Aber ich kann sie leider nicht erklären“, sagt der 65-Jährige über den eigenen Klub, den er wie ein Patriarch dirigiert. Kind steht jetzt mit dem erst vor zwei Monaten verpflichteten Sportdirektor Jörg Schmadtke vor der Frage, wie man kurz nach dem Saisonstart der Fußball-Bundesliga noch einmal von vorne anfängt. Sie wollen es zunächst zwei Spiele lang mit einem gewissen Andreas Bergmann versuchen. Der Mann ist im Profigeschäft unerfahren, hat zuletzt die Amateure von 96 betreut und sagte bei seiner Präsentation in Abwesenheit von Kind: „Ich bin zwar schon 50 Jahre alt. Aber ich fühle mich noch jung und unverbraucht.“

Es geht in Hannover, wo zuletzt natürlich der Trainer an allem Schuld war, auch um die Frage, ob Martin Kind der richtige Mann an der richtigen Stelle ist. Sie wird zwar nie richtig laut gestellt, weil er den Verein Ende der neunziger Jahre vor dem Ruin bewahrt und mit dem nötigen Kleingeld versorgt hat. Der Chef eines weltweit erfolgreichen Hörgeräte- Konzerns macht aber selbst kein Geheimnis daraus, dass er aus der Unternehmensbilanz mehr herauslesen kann als aus einem Bundesligaspiel. Für einen Großunternehmer, der es über Jahrzehnte gewohnt war, fast alle wichtigen Entscheidungen selbst zu treffen, ist das an der Spitze eines Fußballvereins eine schwierige Konstellation. Innerhalb von zwölf Jahren neun Trainer und sieben Manager begrüßt und wieder verabschiedet zu haben, gilt als reife Leistung.

Im Fall von Hecking, der seit Monaten in der Kritik stand, sollte endlich einmal alles anders laufen. „Ich wollte bis zuletzt an ihm festhalten. Denn er hat drei Jahre lang einen guten Job gemacht“, versichert Kind. <NO1>Der Versuch, sich den üblichen Mechanismen des Profisports zu entziehen, endete mit Dickköpfigkeit.<NO>Doch als in der vergangenen Saison der damalige Sportdirektor Christian Hochstätter entlassen wurde, belastete Kind den in der Kritik stehenden Hecking auch noch mit dessen Aufgaben. Ehe mit Jörg Schmadtke ein Nachfolger für Hochstätter gefunden war, hatte Hecking seinen neuen Kader alleine zusammengestellt. Es fehlte neben dem nötigen Geld offensichtlich ein realistischer Blick auf das Spielermaterial, um eine Mannschaft zu bilden, die nicht mehr als „Schießbude der Liga“ verspottet wird. Dem peinlichen Pokal-Aus bei Regionalligist Trier folgten wie so oft Fanproteste, die Hecking am Ende mürbe machten.

Wenn es bei den üblichen Reflexen bleibt, die bisher bei Präsident Kind zu beobachten waren, dann sucht er jetzt nach einem erfahrenen Trainer mit großem Namen. Die Versuchung ist groß, dem Lechzen der Sponsoren, Fans und Boulevard-Medien nachzugeben, die sich mehr Glanz auf und neben dem Rasen erhoffen. „Champagner-Fußball“ hat Hecking so etwas stets genannt und selbst darüber gelächelt. Der 44-Jährige wusste, dass es die Rahmenbedingungen gar nicht hergeben, mit einem Verein wie 96 in den internationalen Fußball zu stürmen. Wenn als Nachfolger von Hecking neben den zu erwartenden Namen wie Mirko Slomka und Friedhelm Funkel auch die der früheren Idole Lothar Matthäus und Otto Rehhagel fallen, dann klingt das in der Welt des Martin Kind gar nicht so abwegig. Bei ihrem Neuanfang richten sie in Hannover nämlich den Blick auf die Tabelle und auf die überregionalen Schlagzeilen. Zum ersten Heimspiel der Saison gegen Mainz 05 waren nur 29<TH>000 Fans gekommen. Den daraus entstandenen Schaden, der das Budget gefährdet und Sympathiepunkte kostet, kann ein Alphatier wie Martin Kind auf Dauer nur ganz schwer ertragen.

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