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Hannover 96 und Simak: Das Gute im Fußballer

Ist schon vergessen, dass er sich im Sommer 2002 mit den Worten nach Leverkusen verabschiedete, Hannover sei "öde und hässlich"? Stefan Hermanns wundert sich über das Interesse von Hannover 96 an Jan Simak.

Auf den ersten Blick ist es eine durchaus überraschende Nachricht, wenn ein aufstrebender Fußball-Bundesligist wie Hannover 96 sein Interesse an einem nicht mehr ganz jungen Spieler des Zweitligaletzten anmeldet, der zudem in dieser Saison nicht besonders aufgefallen ist. Weniger überraschend ist diese Nachricht, wenn man weiß, dass es sich bei dem Zweitligafußballer um Jan Simak von Carl Zeiss Jena handelt. Nirgendwo erzeugt sein Name einen süßeren Klang als bei Hannover 96, wo man seinen überragenden Beitrag zum Aufstieg in die Bundesliga nicht vergessen hat. Fast sechs Jahre liegt das inzwischen zurück.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass der Fußball eine sehr selektive Wahrnehmung pflegt, dass er das Gute im Kopf behält und das Schlechte verdrängt. Vergessen, dass Simak sich im Sommer 2002 mit den Worten nach Leverkusen verabschiedete, Hannover sei „öde und hässlich“, dass er nach seiner ersten Rückkehr in die Ödnis und nur sechs Bundesligaspielen für 96 spurlos in seine Heimat Tschechien verschwand, unter Alkoholproblemen litt und gegen ein Erschöpfungssyndrom kämpfte. All das hat in Hannover die goldene Erinnerung an Simaks Wirken offensichtlich nicht getrübt.

Nur mit solchen Gedächtnislücken lässt sich erklären, warum die zweite oder auch letzte Chance im Fußball bewährtes Prinzip ist. Aller geschäftlichen Kühle der Branche zum Trotz erlaubt er sich in dieser Hinsicht einen erstaunlichen Hang zur Sentimentalität: Der Fußball glaubt fast bedingungslos an das Gute im Fußballer. Wer einmal grandioser Fußballer war, wird es immer bleiben – egal, was in der Zwischenzeit passiert ist. Ein Verein, der Jan Simak (oder Marco Reich, Ailton oder Victor Agali) die Wiedereingliederung ermöglicht, kann wenig falsch machen. Funktioniert es, rühmt er sich für seinen Sachverstand. Geht es schief, liegt es eben doch am Spieler.

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