zum Hauptinhalt

Sport: Harte Zeiten für Nostalgiker

Vor dem Münchner Derby wirken die einstigen Rivalen wie einträchtige Partner

Von Daniel Pontzen

München. Peter Pacult wehrte sich energisch gegen den unaufgedeckten Etikettenschwindel. Weißes Ballett, nein, damit könne nicht der FC Bayern gemeint sein, sagte der Trainer des TSV 1860 München. „Man muss aufpassen mit solchen Schnellschüssen. Das müssen die Bayern erst mal über Jahre hinweg beweisen, so wie Real Madrid das in den Sechzigerjahren getan hat.“ Drei gute Spiele und ähnliche Leibchen wie Real, das reiche nicht aus für einen Vergleich, beschied Pacult, und er sah nicht so aus, als dulde er Widerworte.

Die Aburteilung der schönen Künste, die die Bayern bei ihren jüngsten Pflichtspielen zur Schau trugen, war das mit Abstand Deutlichste, was vor dem heutigen Derby im Olympiastadion an verbalen Boshaftigkeiten zwischen Säbener und Grünwalder Straße ausgetauscht wurde. Ansonsten war es beunruhigend ruhig zwischen den 220 Meter voneinander entfernten Trainingsplätzen der einstigen Rivalen, die spätestens seit dem gemeinsamen Stadionprojekt wie großer und kleiner Bruder Seite an Seite den Liga-Alltag bestreiten. Das gellende Ballyhoo, das seit dem ersten Stadtduell im September 1902, vor genau 100 Jahren also, dem ewig jungen Vergleich vorauseilte, ist diesmal ausgefallen, so als hinterließe jedes böse Wort einen bleibenden Kratzer im neuen Freundschaftsverhältnis Marke „uneingeschränkte Solidarität“. Harte Zeiten für Nostalgiker.

Immerhin bemühte sich zumindest Giovane Elber redlich um ein paar markige Sprüche, um doch noch für ein wenig Stimmung zu sorgen. „Gegen die Löwen muss man sich über das Tor zum 6:0 genauso freuen wie über das 1:0“, sagte Elber und merkte schnell, dass er schon bessere Witze gemacht hat. So speist sich der Reiz der Begegnung vor allem am sportlichen Rahmen.

Der lässt trotz aller Friedfertigkeit ein ganz interessantes Fußballspiel erwarten. Die Sechziger rangieren auf Platz fünf der Tabelle. Noch drei Punkte mehr und der TSV steht vor den Bayern. Der Rekordmeister indes wartet seit mehr als zwei Wochen auf eine ernste Bewährungsprobe. Nach der Pokalpflicht und einem Benefizspiel wollen die Bayern da anknüpfen, wo sie beim souveränen 3:0 in Hamburg aufgehört hatten.

Geht es nach Pacult, können die Bayern das Derby sowieso mit großer Gelassenheit angehen, denn unabhängig vom Ausgang des Spiels wird sich in München früher oder später die gewohnte Ordnung einstellen. „Am Ende“, sagt Pacult, „stehen die Bayern ohnehin klar vor uns. Da brauchen wir uns gar nichts vormachen.“ Weißes Ballett hin oder her. Da könnten die Bayern selbst in grünen Froschkostümen spielen.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false