zum Hauptinhalt

Sport: Hass auf dem Rasen und den Rängen

Rassismus wird im Brandenburger Fußball immer mehr zum Problem – Verbände wollen jetzt reagieren

Sie kamen allesamt in weiße T-Shirts gekleidet, skandierten „SS, SA, die Cottbuser sind da“. Der kleine Fanblock des FC Energie Cottbus II hatte es an diesem Samstagnachmittag auf Sachsen Leipzigs Abwehrspieler Adebowale Ogungbure abgesehen und auf die, die sich zuvor solidarisierend hinter den Nigerianer gestellt hatten. „Ihr seid Ade – und wir sind weiß“, stand auf ihrem Plakat, das sie am 22. April im Leipziger Zentralstadion entrollten. Um den 24-Jährigen erneut zu demütigen. Im März war Ogungbure beim Halleschen FC beschimpft und körperlich angegriffen worden.

Rassismus gerät auch auf Brandenburger Fußballplätzen immer mehr ins Blickfeld. Bereits im Dezember 2005 produzierten die Anhänger von Energie Cottbus Unheil: Als die damalige Zweitligamannschaft gegen Dynamo Dresden antrat, entrollten Fans aus der Lausitz ein Transparent mit der Aufschrift „Juden“. Eine gezielte Provokation in Richtung des Dresdner Blocks – nachdem dieser in der letzten Begegnung der beiden Teams ein Banner mit der Aufschrift „Zigeuner“ präsentiert hatte.

Rassismus findet sich inzwischen vornehmlich in den unteren Ligen. Am letzten Verbandsliga-Spieltag der vorigen Saison wurden zwischen der SG Burg und dem SV Altlüdersdorf die beiden SV-Spieler Fredrek Debrah aus Ghana und der Brasilianer Francisco Lima von Fans und Spielern des Gastgebers als „Nigger“ oder „Bimbostange“ beschimpft, bis diese weinend den Platz verließen. Anhänger des Verbandsligisten Viktoria Frankfurt/Oder verprügelten im vergangenen Juli Besucher eines WM-Fanfestes, stürmten ein Grillfest des multikulturellen Vereins Utopia und zertrümmerten dessen Gartenmobiliar. Und beim Verbandsliga-Team von Stahl Brandenburg hängen Fans bei Spielen ihrer Mannschaft regelmäßig ein Transparent mit „Blood- &-Honor“-Symbolik auf, einer in Deutschland verbotenen rechtsextremen Skinheadbewegung.

In Rathenow spielen die Neonazis selber mit: Ein Team namens „Sportvolk“ spielt in der zweiten Rathenower Stadtliga bereits seit 2004 um Punkte. Die Spieler sind ausnahmslos organisierte und einschlägig vorbestrafte Neonazis. Bis zum Verbot durch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm im April 2005 gehörten sie den rechtsextremen Rathenower Kameradschaften „Hauptvolk“ und „Sturm 27“ an. Heute bolzen sie unbehelligt gegen andere lokale Feierabendfußballer.

Die Vereine zeigen sich zumeist uneinsichtig. „Das wird alles hochgekocht“, ärgert sich Peter During, Vorsitzender der SG Burg, noch heute über die Anschuldigungen zu den Vorfällen beim Altlüdersdorf-Spiel. „Ist doch klar, dass mal ein Spruch fällt in so einem entscheidenden Spiel. Aber was die Altlüdersdorfer danach erzählt haben, kann ich mir nur mit deren Frust über die Niederlage erklären.“ In Frankfurt/Oder ist das Problem rechter Fangruppen zumindest erkannt. Gerade bei Auswärtsspielen komme es immer wieder zu Randale. „Wir stehen dem ohnmächtig gegenüber“, so Volker Rudolph, stellvertretender Vorsitzender. Alle Fanprojekte seien gescheitert, Geld für zusätzliche Ordner oder Präventionsmaßnahmen nicht verfügbar.

Andere Verantwortliche wiegeln ab: „Rechte Fangruppen gibt es hier nicht“, sagt Reinhard Schumann, Vorsitzender des Brandenburger Fußballgerichts. „Da lassen wir nichts anbrennen.“ Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) beschloss jüngst, oberligaweite Stadionverbote für Randalierer und rechte Störer zu verhängen. „Uns ist aber natürlich klar, dass derartige Erscheinungsformen nicht in der Oberliga haltmachen“, gesteht Holger Fuchs, Geschäftsführer beim NOFV, ein. Seinen Landesverbänden habe der NOFV bereits Empfehlungen ausgesprochen, ähnliche Sanktionen einzuführen. „Das soll diesmal keine Scheibchenpolitik werden“, sagt Fuchs.

Auch der Brandenburger Fußballpräsident Siegfried Kirschen will nun durchgreifen. „Wir sind angehalten, die Fifa-Richtlinie für uns in Angriff zu nehmen“, sagte Kirschen. Darin hatte der Weltverband Fifa schärfere Sanktionen für rassistische Ausfälle auf den Rängen festgelegt. Künftig sollen Vereine auch mit Punktabzügen bis hin zum Zwangsabstieg bestraft werden. „Wir müssen das noch ummünzen auf unsere Bedingungen“, so Kirschen, „aber sollte beispielsweise ein Spielabbruch wegen solcher Randalierer stattfinden, kann ich mir Punktabzüge absolut vorstellen.“

Kirschen kündigt schon mal an, dass sich zukünftig auch der kleine Kreisklassenverein für rassistische Fangesänge verantworten muss. „Die Maßnahmen ziehen wir durch alle Ligen durch.“ Die rechten Kicker des „Sportvolks“ wird das allerdings auch nicht vom Bolzen abhalten – ihre Stadtliga fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Brandenburger Fußballverbands.

Konrad Litschko[Potsdam]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false