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Landgang. Die Rennyacht Vestas Wind liegt auf die Seite geworfen auf einer Sandbank im Indischen Ozean.

© Amory Ross / Team Alvimedica /dpa

Havarie beim Volvo Ocean Race: Auf dem Korallenriff gestrandet

Ein dramatischer Schiffbruch überschattet das Volvo Ocean Race im Indischen Ozean.

In den ersten Stunden sitzt der Schock tief unter den Seglern, die meinen, das hätte leicht auch ihnen selbst passieren können. Ian Walker sitzt an Bord der führenden "Azzam" vor einem Bildschirm und schüttelt den Kopf. Gerade eben erst, seien sie selbst an der Stelle vorbeigekommen, die den Konkurrenten von Vestas Wind zum Verhängnis geworden ist. "Jede Seekarte sagt hier etwas anderes." Und der Franzose Charles Caudrelier meint, er habe in Vorbereitung auf diesen Rennabschnitt "eine ganze Weile gebraucht, um die Inseln überhaupt zu entdecken". Doch um Häme braucht sich das Team Vestas Wind nicht zu sorgen. Die kommt bestimmt. Nachdem es auf der zweiten Etappe des Volvo Ocean Race (VOR) mit seinem Boot auf dem Cargados-Carajos-Riff gestrandet ist, liegt die Frage nicht fern, wie das passieren konnte.

Die nagelneuen Schiffe der VOR-Flotte sind mit modernster Technik ausgerüstet. Der Navigator verfolgt ständig den Fortgang des Rennens unter Deck auf seinem Computer, auf dem elektronische Seekarten ihm die aktuelle Position metergenau anzeigen. Sollte es zu einem technischen Defekt gekommen sein? Oder hat Skipper Chris Nicholson den Überblick verloren?

Vor zehn Tagen waren die sieben Schiffe von Kapstadt aus nach Dubai aufgebrochen. Nicholsons dänische Crew konnte das Tempo nicht halten. Es fiel auf den fünften Platz zurück. Vielleicht um den Vorsprung der um hundert Meilen enteilten Konkurrenz zu verkürzen, machte Nicholson darauf den kleinsten Bogen um das winzige Cargados Carajos-Archipel, das 200 Meilen nördlich von Mauritius nur einen Meter aus dem Wasser ragt. Es war Nacht geworden, so dass die Brandung nicht zu sehen war. Und prompt erwischte Nicholson eines der gefährlichen Korallenriffe.

Was beim Aufprall geschah und wie bewusst sich die Crew der Gefahr war, in die sie sich mit ihrem Kurs begeben hatte, ist noch nicht bekannt. Verletzt wurde niemand. Die Männer setzten umgehend einen Notruf ab, und Rennleiter Knut Frostad bat die heraneilende Alvimedica, sich zu den Havaristen zu begeben. Die Amerikaner harrten mehrere Stunden auf der windgeschützten Seite des Riffs aus, bis das Vestas-Team sicher geborgen war. Von ihrer Position aus konnten sie die blaue Unglücksjacht sehen, wie sie hoch erhoben auf der Seite lag. Sie soll schwere Schäden davongetragen haben.

Die achtköpfige Besatzung um Nicholson watete durchs knietiefe Wasser zu einer trockenen Stelle. „Wir sind hier tatsächlich Schiffbrüchige", sagt der Skipper in einem ersten Telefonat. Und das Erstaunen darüber ist unverkennbar. In einer so sehr durch technisierten Zeit plötzlich ohne Strom dazustehen und miterleben zu müssen, wie sich die Rennyacht in acht Stunden unter der Wucht der Brandungswellen langsam auflöst. Da er nicht um eine Erklärung für das Fiasko gebeten wird, gibt er sie auch nicht. Zuletzt soll ein Schiff an dem entlegenen Flecken 1662 dasselbe Schicksal ereilt haben. Es war noch zwei Stunden vor Dämmerung, als der Kiel abbrach, das Heck verschwand und das Deck zersplitterte. Da gingen sie von Bord.

Vestas Wind war als letzter Teilnehmer in das Volvo Ocean Race eingestiegen, das diesmal auf baugleichen 65-Fuß-Jachten gesegelt wird. Chris Nicholson und seine Leute hatten nur wenige Wochen Zeit, sich mit dem Schiff vertraut zu machen. Doch der 45-jährige Australier hat Erfahrung. Es ist seine fünfte Teilnahme an diesem Rennen. Zuletzt vor zwei Jahren führte er das neuseeländische Team als Skipper auf den zweiten Platz. Sein Navigator, der Niederländer Wouter Verbraak, war in der ersten Etappe durch seine waghalsigen Kurs-Entscheidungen aufgefallen. Sie sicherten dem Team einen vierten Platz. Nun haben sie vielleicht alles verspielt. Kai Müller

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