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© www.winter-sportfoto.de

Heimspiel gegen Mainz: Herthas unsichtbare Last

Hertha BSC muss am Samstag gegen Mainz gewinnen und dabei lernen, mit diesem Druck endlich umzugehen

Berlin - Das Unangenehme an der Lage ist, dass Friedhelm Funkel sich irgendwie verbiegt. Natürlich könnte der erfahrene Fußballtrainer von Hertha BSC sagen, was alle denken: Das heutige Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 muss unter allen Umständen gewonnen werden. Aber das tut er nicht. „Wir müssen gegen Mainz nicht gewinnen“, sagt Funkel stattdessen. Diese Botschaft darf zumindest als Flunkerei oder taktisches Foul bezeichnet werden. Die abgeschlagenen Berliner sollten nämlich gewinnen und endlich Kontakt herstellen zum Rest der Liga, sonst bekämen Herthas Führungskräfte ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Lediglich zwei Siege hat Hertha in 21 Anläufen hinbekommen, dafür allerdings schon 14 Niederlagen eingesackt. Sollte gegen den Aufsteiger aus Rheinhessen die 15. eingesammelt werden, droht die zu Rückrundenbeginn ausgegebene Aufholjagd auszugehen wie das Hornberger Schießen. Dieser Vergleich wird immer dann herangezogen, wenn eine Angelegenheit mit großem Getöse angekündigt wird, aber dann nichts dabei herauskommt und ohne Ergebnis endet.

Wer sich aber dieser Tage im Umfeld des Bundesligisten umhört, der kriegt relativ schnell und unmissverständlich einen Eindruck, wie es klimatisch um den Klub steht. Auf der Geschäftsstelle, im Fanshop aber auch bei Mitgliedern des Vereinspräsidiums lebt das Hoffen auf ein Wunder weiter fort, nur auch das könnte bald seine Endlichkeit erfahren. Sollte Hertha heute im Olympiastadion gegen Mainz wie schon zuletzt in den Heimspielen gegen Mönchengladbach und Bochum kein Tor gelingen, wird der Glaube auch bei den kühnsten oder berufsbedingten Optimisten an Kraft verlieren. Nicht auszudenken, was etwa eine Niederlage bei den Spielern auslösen würde. Da können Trainer und Manager sagen, was sie wollen. Spieler spüren es auf dem Rasen, ob etwas geht oder der Zug abgefahren ist.

Auch Friedhelm Funkel mag solche Gedanken nicht zu Ende denken. Diesen Druck möchte er vor dem so wichtigen Spiel gar nicht erst aufbauen. Womöglich liegt es auch daran, dass er schon einmal schlechte Erfahrung gemacht hat. Vor dem Hinrundenspiel gegen Eintracht Frankfurt etwa, hatte Funkel ganz bewusst von einem entscheidenden Spiel gesprochen. Dieses Spiel müsse unbedingt gewonnen werden. Seine Mannschaft war diesem Druck nicht gewachsen. Das Spiel ging sang- und klanglos verloren. Später hat Funkel einmal erzählt, dass er nach diesem Spiel „total niedergeschlagen“ war. Dieses 1:3 gegen Eintracht Frankfurt „war auch meine Schuld. Ich habe die Latte zu hoch gehängt und viel zu früh die Parole ausgegeben: Das ist ein Spiel, das müssen wir unbedingt gewinnen, das wird die Wende! Damit habe ich die Mannschaft überfordert.“

Funkels Spieler hätten damals zu viel gewollt, doch sie verkrampften. Hinterher räumte der Trainer selbstkritisch ein, dass es ein Fehler gewesen sei, am 14. Spieltag einer Saison schon so einen Druck aufgebaut zu haben. Nur ist in der Zwischenzeit die Lage für Hertha leider nicht besser geworden. Der Start in die Rückrunde verlief nicht so erfolgreich wie ausgegeben. Inzwischen läuft den Berlinern die Zeit davon. „Mainz darf hier kein Land sehen“, sagte unter der Woche Herthas Mannschaftskapitän Arne Friedrich. Er und seine Mitspieler wissen sehr genau, was die Stunde geschlagen hat. Längst nicht alle lassen sich beeindrucken von den moderierenden Statements der sportlichen Führung.

Gern wird an die Auswärtschwäche des Gegners erinnert. Tatsächlich ist Mainz nicht nur die drittstärkste Heimmannschaft der gesamten Liga, sondern gleichzeitig auch die zweitschwächste Auswärtsmannschaft. Unerwähnt bleibt in diesem Zusammenhang, dass Hertha auch in dieser Kategorie noch schlechter ist. Aber was heißt es schon, dass eine auswärtsschwache Mannschaft wie Mainz zu einer heimschwachen Mannschaft wie Hertha kommt?

Für das Duell mit dem Team von Trainer Thomas Tuchel wird Friedhelm Funkel wohl Veränderungen in seiner Startaufstellung vornehmen. So könnte Roman Hubnik in der Innenverteidigung sein Debüt geben und neben Steve von Bergen spielen. Arne Friedrich müsste dann auf die rechte Seite in der Abwehrkette rücken. Nur eines ist dem Mannschaftskapitän nicht unwichtig: „Ich will dieses Spiel unbedingt gewinnen.“ Ganz ohne Druck geht es wohl auch nicht.

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