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Sport: Heimspiel im Vorhof der Hölle

Heute treten die US-Kicker in der GI-Hochburg Kaiserslautern gegen Italien an

Wer Kaiserslautern nicht mag, spricht von einem Fußballstadion mit angeschlossenem Dorf, das Fritz Walter irgendwann nach dem Krieg gebaut hat. Für viele Soldaten der US Army ist Kaiserslautern ein Traum. Sie werden noch lange zurückdenken an die Stadt, in der sie Abschied nehmen von einer Welt ohne Heckenschützen, Selbstmordattentäter und Autobomben. Noch einmal ein paar Glas Bier in der Altstadt trinken, bevor es weitergeht in den Irak oder nach Afghanistan. Kaiserslautern ist die letzte Etappe auf dem Weg in die Hölle. Der nahe gelegene Militärflughafen Ramstein ist in den USA ungleich bekannter als das Fritz-Walter-Stadion, wo die Amerikaner heute gegen Italien (21 Uhr, live im ZDF) zum zweiten WM-Spiel antreten. Quartier bezieht die Nationalmannschaft in der Airbase Ramstein. „Das ist eine Frage der Sicherheit“, sagt Trainer Bruce Arena. Die Amerikaner sind die bestbewachte Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft.

Wer mit dem Auto über die Bundesstraße 40 nach Kaiserslautern fährt, nimmt als ersten Eindruck die nicht enden wollenden Fassaden der Kasernengebäude auf. Um die 50 000 Amerikaner wohnen in und um Kaiserslautern, es ist die größte Ansiedlung von US-Bürgern außerhalb der USA. Die Amerikaner haben die im Krieg weitgehend zerstörte Stadt neu erfunden und ihr den Namen K-Town gegeben. 1951 lösten sie die Franzosen als Besatzungsmacht ab und bauten den Landkreis zur Festung Pfalz aus, mit Kaiserslautern als urbanem Mittelpunkt und Ramstein als militärischem Logistikzentrum. Die Stadt wuchs und prosperierte unter amerikanischer Protektion. Im Kaiserslauterer Stadtteil Vogelweh, fünf Autominuten vom Zentrum entfernt, wohnen ausschließlich Amerikaner. Die Straßen hier heißen Florida Loop, Georgia Circle oder First Avenue. Kinder besuchen die Vogelweh Elementary School.

Anders als die GIs auf Durchreise spielen die fest stationierten Amerikaner im Stadtleben keine Rolle mehr. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind große Teile der amerikanischen Einheiten abgezogen. Die frühere Housing area im Stadtteil Kaiserslautern-West hat das Militär für aussiedelnde RusslandDeutsche geräumt. Wer noch hier ist, bleibt spätestens seit dem 11. September lieber unter Seinesgleichen. Früher war es in Kaiserslautern noch üblich, einen Soldaten zum Weihnachtsfest einzuladen. Viele Pfälzer finanzierten ihr Eigenheim, indem sie Einliegerwohnungen zu für sie überaus vorteilhaften Konditionen an Angehörige der Soldaten oder Zivilangestellte vermieteten.

Daran erinnert man sich heute nicht mehr gern. Die Amerikaner sind lästig geworden, mit den betrunkenen GIs, die vor einem möglichen Himmelfahrtskommando im Irak noch mal die Kuh in der Altstadt fliegen lassen und dabei auf den gesellschaftlichen Konsens pfeifen. Die Kaiserslauterer Polizei hat wenig zu melden, wenn betrunkene Soldaten randalieren. Zuständig ist allein die Military Police. Außerdem ärgern sich die Pfälzer darüber, dass die Amerikaner keine Gemeindesteuer zahlen, ihre Kasernen aber seit drei Jahren von der Bundeswehr bewachen lassen.

Als größtes Ärgernis aber empfinden die Kaiserslauterer den Militärflughafen Ramstein. Über die knapp drei Kilometer lange Start- und Landebahn versorgt die US Army ihre Einheiten in ganz Europa und im Nahen Osten. An manchen Tagen donnert alle fünf Minuten ein Flugzeug 600 Meter über Kaiserslautern hinweg. „Auf diese Weise kriegen die Bewohner von K-Town immer als Erste mit, wenn es irgendwo auf der Welt brennt. Ob Balkan, Afghanistan oder Irak, man hört es in Kaiserslautern sofort“, hat Wladimir Kaminer in einem Essay für die „Zeit“ geschrieben. Als Navigationshilfe dient das Rathaus als 84 Meter hoher Solitär in der Stadtmitte. „Der Lärm ist unerträglich für die Bevölkerung“, sagt Gilda Klein-Koksch, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Stadtrat. Auch Frau Klein-Koksch hört daheim auf ihrer Terrasse den Lärm der Flugzeuge.

Ramstein ist eine Welt für sich, mit Supermärkten, Schulen, Restaurants, Sportplätzen, Schwimmbädern und Wohnhäusern. Wer hier lebt, muss nicht raus nach K-Town, auch nicht heute Abend ins Fritz-Walter-Stadion zum WM-Spiel der Landsleute gegen Italien, das unter den Pizzabäckern der Stadt sehr viel größeren Anklang gefunden hat. Als die Amerikaner im März gegen Polen testeten, verloren sich gerade 13 000 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion.

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