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Sport: Held mit Narben

Bei der Schwimm-WM wird ein im Krieg verletzter Iraki gefeiert

Barcelona. Sarmad Mohamad wiegt im Moment 80,4 Kilogramm. Eigentlich müsste ihm das ja ein bisschen peinlich sein. Immerhin ist er nur 1,75 Meter groß und startet bei einer Schwimm-Weltmeisterschaft. Mit rund 15 Kilogramm Übergewicht gegen Weltklasse-Athleten, das ist nicht ohne. 32,03 Sekunden benötigte der 28-Jährige über 50 m Schmetterling in seinem Vorlauf, bei dem Gewicht sogar noch eine ganz solide Zeit. Aber dann sieht man die Narbe auf seinem Bauch, diesen zwanzig Zentimeter großen Strich über dem Nabel, und man ahnt, dass der Mann aus dem Irak ganz andere Probleme hat als sein Gewicht.

Die Narbe ist erst ein paar Wochen alt, und die Geschichte, die Mohamad dazu erzählt, ist erschreckend. Aber sie ist wohl eine normale Episode aus einem Land, das gerade einen Krieg hinter sich hat. Am 7. April spielte ein Freund von Mohamad in Bagdad mit einer von den Allierten abgeworfenen, vermeintlich nicht mehr scharfen Streubombe. Der Sprengkörper explodierte, und Mohamad, der fünf Meter daneben stand, wurde am Bauch, am Oberarm und am Oberschenkel verletzt. Er hatte noch Glück, er durfte zwar drei Wochen lang nicht stehen und einen Monat lang nicht schwimmen, aber er hat zumindest überlebt. Sein Freund starb bei dem Unglück.

Aber nach dem ersten Schock dachte Mohamad anders, er dachte nicht an sein Glück. Er dachte daran, dass er auf Anordnung der Ärzte eine Zeit lang nicht mehr im Schmetterling-Stil schwimmen durfte. Dabei wollte er sich doch auf die Schwimm-WM vorbereiten. Denn Mohamad ist einer der bekanntesten Schwimmer seines Landes. Sechsmal gewann er ein Langstreckenschwimmen, einmal schüttelte ihm der Diktator Saddam Hussein sogar die Hand. Das hatte wohl mit Tikrit zu tun. Mohamad stammt aus dieser Stadt, Saddam Hussein auch.

Aber was heißt schon Vorbereitung auf die WM. Selbst ohne die Verletzung war Training ein dauernder Stress. Bagdad hat nur eine Halle mit einem 50-m-Becken, die irakischen Spitzenschwimmer durften nur gegen Gebühr hinein. Nach dem Krieg sperrten die US-Truppen das gerade renovierte Bad. Sie suchten dort nach chemischen Waffen. Aber die US-Militärverwaltung sorgte gleichzeitig dafür, dass Mohamad und seine zwei Teamkollegen überhaupt zur WM konnten. Die Militärs spendeten 1600 Dollar

Sarmad Mohamad trug die irakische Fahne beim Einmarsch in Barcelonas Schwimmstadion. Die Zuschauer jubelten, und der Iraki war zu Tränen gerührt. Das US-Team wurde ausgepfiffen, wahrscheinlich wegen der Irak-Politik. Aber ohne die USA wäre Sarmad Mohamad nicht in Barcelona. Er sagte lächelnd, er habe keine Pfiffe gehört.

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