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Sport: Held unter Verdacht

Bei den Fans in Italien stoßen die Vorwürfe auf wenig Interesse Gegen Danilo Di Luca wird beim Giro ermittelt

Danilo Di Luca steht die Anstrengung ins Gesicht geschrieben. Sein Gesicht ist ausgemergelt. Die Furchen künden von den physischen Anstrengungen, die der souverän Führende derzeit leisten muss. Als er sich auf der 16. Etappe von Lienz zum Zoncolan-Berg hinaufquälte, war er am Rande der Erschöpfung. Der 31 Jahre alte Kapitän der Liquigas-Mannschaft kämpfte bis zum Umfallen – angefeuert von den 100 000 Tifosi, die den letzten Anstieg säumten. Am Ende betrug Di Lucas Rückstand auf den Tagessieger Gilberto Simoni nur 31 Sekunden. „Zu 80 Prozent habe ich ab jetzt den Giro-Sieg in der Tasche“, sagte Di Luca.

Kaum ist der neue Star geboren, droht er jedoch im allgemeinen Dopingsumpf unterzugehen. Danilo Di Luca sowie Eddy Mazzoleni, Gilberto Simoni und Riccardo Riccò mussten in der Nacht nach der schweren Etappe überraschend zum Dopingtest, und zwar auf Betreiben der nationalen Anti-Doping-Kommission. Dabei wurde nicht nur der Urin, sondern auch das Blut der italienischen Fahrer nach verbotenen Substanzen untersucht.

Die Namen dieser Radprofis tauchen nämlich zusammen mit denen von anderen 200 im Rahmen von Dopingermittlungen der Carabinieri von Brescia und Florenz auf. Die Ermittlungen laufen unter dem Namen „Oil for Drugs“ und betreffen nicht nur diverse Radprofis, sondern auch Profis anderer Sportarten wie Leichtathleten und Personen, die die verbotenen Dopingsubstanzen vertrieben. Drei Jahre lang ermittelten die Carabinieri und erstellten ein 14 000 Seiten umfassendes Dossier, das sie in diesen Tagen an die nationale Anti-Doping-Kommission übermittelten. Die Kommission, die der Anti-Doping-Kommissar des Nationalen Olympischen Komitees Ettore Torri führt, wird in den nächsten Tagen mit der Anhörung der Beschuldigten beginnen. Insbesondere wollen die Ermittler klären, in welchem Verhältnis die Sportler zu dem zwielichtigem Arzt Carlo Santuccione standen. Er sei vom Stuhl gefallen, als er die Abhörprotokolle gelesen habe, sagte Torri im italienischen Fernsehen.

Stark belastet wird zusammen mit Danilo Di Luca auch der frühere T-Mobile-Profi Eddy Mazzoleni. Er ist seit einiger Zeit mit der Schwester des verdächtigten Ivan Basso, Elisa, liiert, die für ihn Dopingmittel geordert haben soll. In den Akten ist ein Anruf von ihr kurz vor der Weltmeisterschaft in Salzburg verzeichnet, bei dem sie ein Hormon verlangt, das die Testosteron-Produktion anregt. Ob sie die verbotene Substanz für ihren Freund orderte, der letztes Jahr für das T-Mobile-Team fuhr, ist bislang noch unklar. Mazzoleni liegt beim Giro auf Platz fünf. Die Ermittlungen der Carabinieri gehen unterdessen weiter.

Bei den Tifosi stoßen die neuerlichen Dopingvorwürfe derweil auf wenig Interesse. Die staatliche Fernsehanstalt RAI, die das Spektakel täglich überträgt, erzielte in den letzten Tagen höchste Einschaltquoten. Fünf Millionen Zuschauer wollten am TV-Schirm beispielsweise die vorletzte Etappe sehen – ein Zuschauerrekord.

Vincenzo Delle Donne[Udine]

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