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Fest im Griff. Gereons Trainer und Besitzer Christian Zschache sitzt seit einem Reitunfall im Rollstuhl. Foto: Imago

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Sport: Hengst aus dem Urzeitstall Gereon ist Geheimfavorit beim Deutschen Derby

Berlin - Mit einem Englischen Vollblüter ist nicht zu spaßen. Ein kleiner Schreck kann bereits genügen und ein solches Pferd ist kaum noch zu halten.

Berlin - Mit einem Englischen Vollblüter ist nicht zu spaßen. Ein kleiner Schreck kann bereits genügen und ein solches Pferd ist kaum noch zu halten. Umso erstaunlicher, dass Christian Zschache mit dem geradezu vor Kraft strotzenden dreijährigen Hengst Gereon allein einige Runden durch den Führring dreht. „Der passt ja auf mich auf“, sagt der Hoppegartener Besitzertrainer, der seit einem Unfall 1999 bei der Morgenarbeit auf den Rollstuhl angewiesen ist. Damals hatte ein Pferd nur vor einem Wasserfleck gescheut und den heute 54-Jährigen im hohen Bogen auf den Rücken geschleudert. Zschache hat sich in den Jahren danach daran gewöhnen müssen, mit der linken Hand das Schwungrad seines Gefährts zu bewegen und nur mit der rechten den Zügel zu halten. Es hat tatsächlich den Anschein, als ginge auch der braune Galopper deshalb mit seinem Trainer besonders gefühlvoll um. Dabei ist Gereon alles andere als ein ruhiges Tier, der Braune aus dem Gestüt Ebbesloh hat das Zeug zu einem ganz großen Turf-Crack.

Beim 142. Deutschen Derby, das am Sonntag um 17.35 Uhr (live bei Sport1)in Hamburg gestartet wird, zählt Gereon über die klassische 2400-Meter-Distanz unter den 18 Bewerbern um das „Blaue Band“ zu den Geheimfavoriten. Als Zweijähriger war der Next-Desert-Sohn in drei Rennen unbesiegt, und in diesem Jahr hat er mit zwei Platzierungen seine bisherige Gewinnsumme auf insgesamt 78 500 Euro erhöht. Dieses Geld hat seinem Trainer, der nur fünf Pferde im Stall hat und für den damals nach seinem Unfall sogar ein Spendenkonto eingerichtet worden war, erst die Freiheit gegeben, in höheren Regionen zu handeln. „Allein die Nennung für das Derby hat 7500 Euro gekostet“, erzählt Zschache. Auch die Verpflichtung des irischen Star-Jockeys John Patrick Murtagh für Hamburg kostet ihn einen vierstelligen Betrag. „Ich gebe das ganz Geld ohnehin nur für die Pferde aus“, sagt er, „wenn am Ende des Jahres etwas übrig bleibt, dann verteile ich es unter meinen freiwilligen Helfern.“ Wie an Helena Hryniewiecka, die seine Pferde im Training reitet, oder eine Rentnerin, die aus Freude an den Tieren mit ihnen ein paar Hofrunden dreht.

Unter diesen Bedingungen verbietet sich geradezu ein Vergleich mit den renommierten deutschen Galopp-Zentralen, die auch diesmal wieder beim Derby die Favoriten stellen. Es ist eigentlich unfassbar, dass aus einem wenig ansehnlichen Hoppegartener Urzeitstall ein Derbyaspirant kommen soll. Aus der einstigen deutschen Galoppzentrale, die in ihrer Geschichte seit 1870 immerhin 55 Derbysieger hervorgebracht hat. Dennoch macht sich Christian Zschache keinerlei Gedanken darüber, was sich im Falle des großen Sieges ändern würde, wenn 300 000 Euro und ein Drittel aller Nenngelder von ursprünglich 122 Derbykandidaten auf sein Konto fließen würden. „Ich würde mich mit Sicherheit nicht ändern“, sagt er und verweist auf die eigentlichen Favoriten in diesem nur dreijährigen Pferden vorbehaltenen Rennen: „Vor allem Brown Panther aus England, der zuletzt die King George V Stakes in Royal Ascot überlegen gewann, habe ich auf der Rechnung. Aber auch den Schlenderhaner Mawingo, den Franzosen Ibicenco und mit Earl of Tinsdal sowie Waldpark weitere Deutsche.“

Zschache, der in der DDR als Jockey zweimal das Derby gewann, traut aber auch Gereon zu, mit seiner Unabhängigkeit von der Geläuftiefe und dem nachgewiesenen Endkampfspeed gegen diese Pferde zu bestehen. Er ist auch von dessen Zukunft derart überzeugt, dass er sofort hinzufügt: „Im Moment würde ich ihn nicht einmal für eine Million verkaufen.“

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