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Gimenez

© ddp

Hertha: Abbruch und Neubau

Hertha BSC bekommt ein neues Gesicht: Nach Kevin-Prince Boateng geht nun auch Christian Giménez. Dem neuen Trainer dürfte das nicht ungelegen kommen.

In der öffentlichen Betrachtung des Berliner Bundesligisten Hertha BSC ist ein Wesenszug des Vereins bisher offensichtlich deutlich zu kurz gekommen. Der Klub besitzt eine zutiefst soziale Ader. In knapp zwei Wochen beginnt die neue Saison, der erste Gegner der Berliner, Eintracht Frankfurt, klagt derzeit über gravierende Personalprobleme, doch Hertha ist geradezu rührend darum bemüht, die Chancengleichheit wiederherzustellen.

Den Berlinern kommen zunehmend die Stammspieler abhanden. Nach Kevin-Prince Boateng wird wohl auch Christian Giménez den Verein verlassen. Der Stürmer aus Argentinien hat ein Angebot des mexikanischen Erstligisten Deportivo Toluca vorliegen. Giménez, der im November 33 wird, soll in Mexiko einen Drei-Jahres-Vertrag erhalten, Hertha im Gegenzug eine Ablöse von rund zwei Millionen Euro. Der Argentinier ist bereits gestern nach Mexiko geflogen. Die Zeit drängt, weil die Transferliste am 31. Juli schließt, also einen Monat früher als in Europa.

Hertha verlöre mit Giménez den zweitbesten Stürmer der vergangenen Saison. Der Argentinier, zunächst für ein Jahr von Olympique Marseille ausgeliehen und erst im April für eine Ablösesumme von 750 000 Euro fest verpflichtet, hat in 28 Spielen zwölf Tore geschossen.

"Ich darf nichts sagen"

„Ich mache mir keine Sorgen“, sagt Manager Dieter Hoeneß. „Sonst würden wir dem Verkauf nicht zustimmen.“ Trainer Lucien Favre wollte die Personalie nicht kommentieren. „Ich darf nichts sagen“, sagte er. Wenn Hertha am übernächsten Wochenende in Frankfurt in die neue Saison startet, könnte der Verein eine komplette Mannschaft verloren haben. Giménez wäre der zehnte Abgang, die beiden Brüder Kevin-Prince und Jerome Boateng Nummer elf und zwölf. Beide haben längst ihre Absicht erklärt, Hertha zu verlassen.

Kevin-Prince Boateng hat bei Tottenham Hotspur die sportmedizinische Untersuchung hinter sich gebracht. Die Klubs sind sich einig, der Transfervertrag ist unterschrieben, nur die Einigung zwischen Boateng und Tottenham steht noch aus. Bei seinem Bruder stellt sich die Situation etwas anders dar. Wenn der Hamburger SV die Ablöseforderung der Berliner nicht erfüllt (1,5 Millionen Euro), muss der 18 Jahre alte Verteidiger noch ein Jahr bei Hertha bleiben. Die Berliner könnten den Abwehrspieler zurzeit gut gebrauchen. In Frankfurt und am zweiten Spieltag, zu Hause gegen den Deutschen Meister Stuttgart, ist Josip Simunic noch gesperrt. Trainer Favre steht mit Arne Friedrich nur ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung, im Sturm neben Marco Pantelic nur der Pole Lukasz Piszczek.

"Wir reden über eine Entwicklung"

„Personell sind wir im Moment ein bisschen dünn besetzt“, gibt Hoeneß zu. „Aber es geht nicht um die ersten Spiele. Wir reden über eine Entwicklung.“ Herthas Manager sucht derzeit verschärft nach Verstärkungen. Gestern und vorgestern war er in Österreich und in der Schweiz: Neben dem brasilianischen Stürmer Raffael von Favres früherem Klub FC Zürich sind die Berliner am Schweizer U-21-Nationalspieler Fabian Lustenberger (19 Jahre, Mittelfeld, FC Luzern) und am österreichischen U-20-Nationalspieler Veli Kavlak (18, Mittelfeld, Rapid Wien) interessiert. Hertha sucht zwei Innenverteidiger, zwei Mittelfeldspieler und nach dem Abgang von Giménez wohl auch zwei Stürmer. An Geld sollte es nun nicht mehr mangeln. Wenn die Boateng-Transfers realisiert werden, hätte Hertha fast zwölf Millionen Euro eingenommen, hinzu kommen vier Millionen Euro aus der Ausgabe von Genussscheinen. Ob die gesamten Einnahmen in neue Spieler investiert werden – dazu wollte sich Hoeneß „nicht im Detail äußern“.

Dass Herthas Kader derzeit den größten Umbruch seit dem Aufstieg vor zehn Jahren erlebt, ist durchaus gewollt. „Wir haben einen Trainer, der das forciert“, sagt Hoeneß. Favre hat die Zusage, sich eine Mannschaft nach seinen Vorstellungen schaffen zu dürfen, so wie er das auch schon bei seinen Stationen in der Schweiz erfolgreich praktiziert hat. Bei Yverdon-Sports, seinem ersten Profiverein, tauschte er nach sechs Monaten 14 von 18 Spielern aus, ein Jahr später stieg die Mannschaft in die Erste Liga auf. Dass Herthas neuer Trainer kein Veto gegen den Verkauf von Christian Giménez eingelegt hat, ist keine Überraschung. Favre schätzt junge Spieler, die dynamisch und schnell Fußball spielen können. Der statische und langsame Giménez passt nicht in dieses Anforderungsprofil, genauso wenig wie Dick van Burik, dessen Vertrag aufgelöst wird. Einerseits wurde die Trennung mit dem Interessenkonflikt van Buriks begründet: Sein Vater berät die Boateng-Brüder. Andererseits hat Favre mit dem etwas schwerfälligen Verteidiger von Anfang an nicht geplant.

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