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Groß, breit, pelzig. Herthas Maskottchen Herthinho nahm gestern Kontakt zu neuen Fans in Neukölln auf. Auch dort ist er gefragter als mancher Profi.

© city-press

Hertha auf Kieztour: Autogramm von Hertinho

Nach dem 0:0-Unentschieden gegen Ingolstadt begibt sich Hertha BSC auf Kieztour nach Neukölln. Die Stimmung vor Ort ist gedämpft.

Der Hauptstadt hat Hertha BSC zwar keinen Sieg über den gefürchteten FC Ingolstadt schenken, die Touristenmetropole Berlin aber um eine neue Errungenschaft bereichern können. Analog zu den Containern der Altkleidersammlung muss es nämlich inzwischen wohl auch eine solche Vorrichtung für Eintrittskarten des selbst ernannten Hauptstadtklubs geben. Während der Pressesprecher des Vereins bereits unter der Woche 35.000 verkaufte Tickets vermeldete, verbunden mit der Annahme, dass es gewöhnlich noch ein paar mehr werden, machten am Freitagabend nur gut 33.000 Zuschauer Gebrauch von ihrem Recht auf Einlass. Über Nacht muss für einige Tausend der Wert solcher Eintrittskarten an Attraktivität verloren haben. Es könnte also sein, dass der geneigte Herthaner, selbst wenn er in Vorkasse gegangen ist, sich inzwischen zweimal überlegt, ob er auch tatsächlich ins Stadion geht.

Während Herthas Zwangsaufenthalt in der Zweiten Liga in der Spielzeit 2010/11 noch vom Hauch eines gewissen Charmes umweht war, so wird die neuerliche Runde in der Unterklassigkeit von vielen Berlinern eher als lästig empfunden. Dass die Realität in Sachen Zuspruch und Empathie mitunter trister ist, als es der Verein glaubt, zeigt auch eine Bemerkung von Finanzgeschäftsführer Ingo Schiller, der einräumt, den angepeilten Zuschauerschnitt von 38.000 zwar bisher deutlich verfehlt zu haben, allerdings plane man intern jedes einzelne Spiel – und in dieser Planung liege man „absolut auf Kurs“.

Tatsächlich sind Freitagabendspiele gewöhnungsbedürftig, und attraktivere Gegner kommen erst noch, doch scheint Hertha als Dauergast der Zweiten Liga an Zugkraft verloren zu haben. Auch gestern, als sich der Charlottenburger Klub im Rahmen seiner vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Kieztour „Hertha hautnah“ für eine kleine Trainingseinheit beim SV Tasmania in Neukölln eingefunden hatte, wollten vielleicht 300 Schaulustige dieses Vergnügen teilen. Ebenso viele hatte es zur selben Zeit auf die benachbarte Eisfläche des Werner-Seelenbinder-Sportparks zum Schlittschuhlaufen gezogen.

Dabei war Hertha mit Bus und Bär angerückt. „Mama, ich habe eine Unterschrift vom Bär.“, rief ein Kind. Die Mutter: „Von welchem Bär?“ Das Kind: „Na dem da, Herthinho!“ Gerade für die Kids, wie ein Stadionsprecher am Mikrofon pries, hatte Hertha etwas ganz Besonderes im Gepäck: das reduzierte Auswärtstrikot der vergangenen Spielzeit. Mal unabhängig davon, dass es sich um die Abstiegssaison handelt, darf man wissen, wie wenig Kinder auf aus der Mode gefallene Fußballtrikots stehen. Doch auch in diesem Punkt fehlte es Hertha an jener Prise Kreativität, die Trainer Jos Luhukay bereits seiner Mannschaft nach dem torlosen Unentschieden gegen Ingolstadt abgesprochen hatte. Nur wenn seine Mannschaft ihr Potenzial abrufe, könne sie Spiele gewinnen. Andernfalls bekäme sie auf dem Spielfeld Schwierigkeiten.

In Neukölln versuchte man das 0:0 so gut es ging zu vergessen. Aus den Lautsprechern dröhnte wahlweise der Travellers-Evergreen „Blau-Weiße Hertha“ oder das „Hey, das geht ab“, ein Hit der Band „Die Atzen“ aus besseren Zeiten, als Hertha ein Frühjahr lang um die Meisterschale spielte. Heute sind die Sorgen andere. Während Herthas Präsident Werner Gegenbauer auf eine Grillwurst biss, sprach Manager Michael Preetz in Neukölln von einer „Herzensangelegenheit“. Noch vor zwei Jahren kamen zu solcherlei Veranstaltungen in den Berliner Kiezen ein paar tausend Menschen.

Und so räumte Preetz am Sonntag auch ein, dass sich das 0:0 vom Vorabend wie eine Niederlage anfühle. Er hätte auch sagen können, dass es Hertha anno 2012 mitunter schwerfällt, auf und neben dem Platz leichtfüßig zu punkten beziehungsweise neue Sympathien einzusammeln. Wenigstens durften die Kinder anschließend zu den Profis aufs Feld stürmen und sich ein paar Autogramme holen. Jos Luhukay bekamen sie nicht zu sehen. Herthas Trainer war wegen eines Trauerfalls in der Familie in seine niederländische Heimat gefahren.

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