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Sport: Hertha BSC: 130 Millionen Mark Angriffslust

Wäre Matthias Sammer - sagen wir - Architekt geworden, würde er nur halb so viel Aufmerksamkeit erregen. "Ein Haus fängt man von unten an zu bauen", hat Sammer neulich erzäht.

Wäre Matthias Sammer - sagen wir - Architekt geworden, würde er nur halb so viel Aufmerksamkeit erregen. "Ein Haus fängt man von unten an zu bauen", hat Sammer neulich erzäht. Nun ist er aber Fußballtrainer geworden, und deswegen bekommen solche Sätze ein anderes Gewicht. Mit Haus meint Sammer seine Mannschaft, "unten" steht für Abwehr. Als Sammer noch selbst Fußball spielte, fing er auf dem Dach an, im Sturm. Von dort entwickelte er sich immer weiter nach unten durch, bis hin zum Libero. Sammer schätzte das Verteidigen und legte sich ab und zu mit Spielern wie Andreas Möller an, die anders dachten. Als Sammer in Dortmund Trainer wurde, verließ Möller sicherheitshalber die Stadt.

Zum Thema Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Insofern verwundert die Einkaufspolitik der Borussen. 100 Millionen Mark haben sie in diesem Jahr ausschließlich für die Offensivkräfte Koller, Rosicky und Amoroso ausgegeben. Entweder hält Sammer seine Abwehr für optimal bestückt, oder aber man musste einfach zugreifen, als Spieler wie diese zu haben waren. Bei Hertha BSC sieht das ähnlich aus. Die Berliner haben ihr ganzes Geld in eine verstärkte Offensive gepackt. Und das bei 14 Niederlagen und 52 Gegentoren in der vergangenen Saison. 30 Millionen Mark hat Hertha BSC ausgegeben, allein 14 Millionen für den Brasilianer Marcelinho, 12,5 Millionen für den Belgier Goor.

Die Philosophie, die diesem Einkaufsverhalten zu Grunde liegt, ist so neu nicht. Sie stammt aus einer Zeit, als Schlachten noch durch List gewonnen werden konnten. Angriff als beste Form der Verteidigung. Von Herthas Trainer Jürgen Röber ist zudem bekannt, dass er ein Faible für offensive Spielweise hat, wenn es auch manchmal sein Geheimnis blieb. Im Ligapokal bot er gleich sechs offensive Spieler (Preetz, Alves, Marcelinho, Deisler, Hartmann und Goor) auf wie auch zum Saisonauftakt beim FC St. Pauli. Das traute sich nicht mal sein Kollege Huub Stevens in der vergangenen Saison. Der Trainer von Schalke 04 praktizierte totale Offensive. Sand, Mpenza, Asamoah, Böhme und Möller gelang es, das Geschehen meist vom eigenen Tor fernzuhalten, so dass die Abwehr wenig zu tun bekam. Und jetzt hat Stevens auch noch den nigerianischen Stürmer Victor Agali geholt, den Hertha auch gern gehabt hätte.

Wer Sammer oder Röber eine Weile zuhört, dem fallen Wortgruppen wie "vorwärtsorientiertes Verteidigen", "ballorientierte Raumdeckung" und "der erste Verteidiger ist der Stürmer" auf. Nach dem dürftigen 0:0 beim Aufsteiger St. Pauli wollen die Berliner am Sonnabend gegen Dortmund im heimischen Olympiastadion einen Sieg landen. "Aus meiner Sicht sind wir Favorit", sagt Sebastian Deisler. Begründung: "Die Dortmunder werden mitspielen, und so etwas liegt uns besser als eine Defensivmannschaft wie St. Pauli." Mannschaftskollege Dick van Burik sekundiert: "Amoroso, Rosicky und Koller sind auch nur Menschen."

Die Voraussetzungen für ein offensives Spiel stehen gut. Offensive mal Offensive gleich Offensive im Quadrat. Es kann aber auch ganz anders werden, denn für Hertha und Dortmund steht schon am zweiten Spieltag einiges auf dem Spiel. Beide müssen den Beweis liefern, ein ernst zu nehmender Kandidat für die drei Champions-League-Plätz zu sein. Die Berliner zeigen sich durchweg optimistisch, Marcelinho ist sich sogar sicher, "dass wir gegen Dortmund gewinnen". Das kann einerseits daran liegen, dass er noch neu ist in der Bundesliga und nicht eine Minute Erfahrung mit Dortmund hat. Oder aber die leichtfüßigen Erfolge Herthas im Ligacup über Leverkusen, Bayern München und Schalke sind dem Brasilianer zu Kopfe gestiegen. Dabei hatte doch gerade er in St. Pauli die Erfahrung gemacht, dass sich die Meisterschaft anders anfühlt als der Ferienwettbewerb.

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