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Sport: Hertha BSC: Ali Daei, ein König auf der Reservebank

Vor ein paar Wochen, im Trainingslager in Kaprun, wollte ihm die Hotelchefin nach gewonnenem Turnier in Zell am See ein Glas Champagner in die Hand drücken. Ali Daei lehnte freundlich, aber bestimmt ab.

Vor ein paar Wochen, im Trainingslager in Kaprun, wollte ihm die Hotelchefin nach gewonnenem Turnier in Zell am See ein Glas Champagner in die Hand drücken. Ali Daei lehnte freundlich, aber bestimmt ab. Erst einmal gibt es für ihn nicht viel zu feiern, und überhaupt: Alkohol - den verbietet ihm sein Glauben.

Auch fern seiner Heimat lebt er sein Leben "so, wie ich es aus Iran gewöhnt bin". Probleme habe er damit nicht. Ein wenig fehlen ihm seine Eltern, seine Geschwister, die traditionell engen Familienbande. "Doch damit muss ich klarkommen." Schließlich wird er für gewisse Entbehrungen auch reichlich entschädigt. In seinem Job als Fußballprofi bei Hertha BSC.

Doch dieser Job bereitet ihm schon seit geraumer Zeit nicht allzu viel Freude. Ali Daei sitzt immer wieder auf der Reservebank. In der letzten Saison wurde er 13-mal eingewechselt, vier Mal ausgewechselt. Selbst jetzt, da mit Alex Alves ein Konkurrent im Kampf um eine Position im Sturm gesperrt ist, wird ihm kein Stammplatz gewährt. Als er neulich beim Training auf dem Maifeld den Ball drei Mal hintereinander hoch übers Tor schoss, lachten die Zaungäste. "Das hat ihn in seinem Stolz sehr getroffen. Er ist nämlich sehr sensibel", sagt Herthas Trainer Jürgen Röber.

Doch Sensibilität schließt Selbstbewusstsein nicht aus. "Vielleicht", sagt Ali Daei, "bin ich sogar besser als die anderen Stürmer." Vielleicht. Zu sehen war davon in Berlin allerdings noch nichts. Drei Tore hat er in der vergangenen Bundesligasaison erzielt. "Ich saß eben oft auf der Bank", sagt Daei. Das hat ihn in seinem Stolz gekränkt, so sehr, dass er nach der Saison mit englischen Klubs flirtete. Es blieb beim Flirt. Dabei hätten ihn die Berliner schon ganz gern von der Gehaltsliste gestrichen.

In seiner Heimat ist der 31-Jährige immer noch ein Star. "Shahriar" - König - nennen sie ihn. Ali-Daei-Fanklubs gibt es in Iran zuhauf. 81 Länderspiele hat er gemacht, trotz seiner schwachen Saison in Berlin wurde er im Sommer zu Asiens Fußballer des Jahres gewählt. Vor seinem Wechsel nach Europa war er Welttorjäger des Jahres. Doch in Deutschland will einfach nicht gelingen, was früher in Iran so selbstverständlich war.

Bei seiner ersten Station, 1997 bei Arminia Bielefeld, sah Trainer Ernst Middendorp in ihm anfangs noch eine "Mischung aus Horst Hrubesch und Rüdiger Abramczik". Die Arminia stieg ab, Daei wechselte zu Bayern München. Vergeblich kämpfte er um einen Stammplatz. Daei hat wohl kein glückliches Jahr in München verlebt, auch wenn er das im Rückblick anders darstellt und von regelmäßigen Telefonaten mit Michael Tarnat und Thorsten Fink erzählt. Die aber sind in München auch nur das, was Ali Daei war: Außenseiter. An diesem Status hat sich auch nach seinem Wechsel zu Hertha BSC nichts geändert.

Bekommt er nicht genügend hohe Flanken vors Tor, auf die er als Kopfballspezialist angewiesen ist? Bremsen ihn läuferische Mängel? Oder hat er wirklich nur zu selten gespielt? Jürgen Röber hat lange nach Antworten gesucht. "In der letzten Saison hat die Mannschaft schlecht gespielt", sagt der Trainer. "Da war es für einen einzelnen Spieler schwer, sich auszuzeichnen. Außerdem klappte es mit dem Zusammenspiel mit Michael Preetz oft nicht so richtig." Dass Daei dennoch ein guter Mann sei, habe er in der Champions League gezeigt, mit seinen Toren gegen Famagusta, Chelsea oder den AC Mailand. "Ohne diese Tore", sagt Röber, "wären wir nie so weit gekommen."

Heute Abend, wenn Hertha BSC in München gegen Daeis früheren Verein FC Bayern antritt, sitzt er wieder auf der Reservebank. Diesmal ist er ein Opfer der Taktik. Röber will nur mit einer echten Sturmspitze spielen lassen, und die heißt Michael Preetz. Ali Daei weiß es, und er blickt noch trauriger drein. Es ist keine einfache Zeit für einen, der in seiner Heimat König ist.

Klaus Rocca

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