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Auf geht’s. Hertha muss als Mannschaft zu sich finden. Ein guter Start heute in Bremen wäre wichtig.

© dpa

Hertha BSC bei Werder Bremen: Keine Angst vor dem Abstieg

Die Rückrunde dieser Bundesliga wird über die Zukunft von Hertha BSC bestimmen. Am Sonntag starten die Berliner mit einem Auswärtsspiel bei Werder Bremen.

Ingo Schiller ist ein erleichterter Mann. Körperlich wie mental. Der 49-Jährige hat in den vergangenen Monaten viele Kilos verloren, er schläft auch besser, was nicht nur mit seinem neuen Körpergefühl zu tun hat. Ingo Schiller geht heute viel lieber zur Arbeit, weil er in seinem Tun als Finanzgeschäftsführer von Hertha BSC kein Gefangener des Mangels mehr ist. Den jahrelang schwer schuldendurchrüttelten Verein gibt es so nicht mehr. Und damit auch keine heilige Angst vor einem Abstieg im Sommer.

Aber was heißt das schon, keine Angst vor dem Abstieg? Hertha kann ihn sich eigentlich nicht leisten, schon gar nicht emotional. Diesen zu verhindern, darum geht es ab Sonntag, wenn Berlins Fußballbundesligist mit dem Spiel beim SV Werder Bremen in die Rückrunde startet. Schiller denkt positiv, er sieht Chancen statt Risiken. Die sportlich magere Hinrunde sei – so gut es eben geht – aufgearbeitet. 2015 werde besser. Schiller windet sich, das Gegenteil anzunehmen. Er mag sich nicht ausmalen, zumindest nicht öffentlich, was passiert, wenn Hertha nach 2010 und 2012 ein drittes Mal in fünf Jahren ins Unterhaus stürzen würde. Verminderte Einnahmen, finanzielle Tricksereien bis zur Selbstleugnung, massive Imageverluste. Und: Ließen sich – bei dieser Vergangenheit – noch einmal Kraft und Kosten aufbringen für eine weitere Ehrenrunde in der Zweiten Liga mit dem Ziel Sofort-Aufstieg?

Die beiden Abstiege haben Hertha BSC viel Geld gekostet, respektive die Aufstiege. Rund 30 Millionen Euro. Und diese Summe ist auch noch gestützt durch Sondereffekte wie den Einstieg eines geheimen Investors im Jahr 2010 (8 Millionen Euro) und dem Verkauf der Rechte am Catering im Olympiastadion in 2012 (10 Millionen Euro). „Nichtaufstiege wären dem Klub noch teurer zu stehen gekommen“, sagt Schiller. Die Folge wären massive Eingriffe in die Struktur des Unternehmens gewesen.

Hertha taumelte am Rand der Insolvenz. Bis vor genau einem Jahr, am 31. Januar 2014, der US-Finanzinvestor Kohlberg Kravis Roberts & Co (KKR) als Anteilseigener bei den Berlinern einstieg, 61 Millionen Euro in den schwer angeschlagenen Verein steckte und dem Verein etwas wirtschaftliche Beinfreiheit schenkte, wie es Schiller mal nannte.

Herthas Finanzchef möchte die Situation vor dem Rückrundenstart nicht verharmlosen, was bei nur einem Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz sträflich wäre. Bis zum kommenden 15. März müssen die Berliner Lizenz-Unterlagen für die kommende Spielzeit 2015/16 bei der Deutschen Fußball-Liga abgegeben haben. Hertha wird Unterlagen für beide Fälle einreichen, für eine weitere Spielzeit in der Bundesliga sowie für eine in der Zweiten Liga. Dass man Letzteres tue, sei der „Sorgfaltspflicht“ geschuldet, so drückt es Schiller aus. „Aber wir werden alles daran setzen, dass die Bundesliga uns erhalten bleibt.“

Was schon deshalb von Vorteil wäre, weil Hertha sich derzeit auf der Suche nach einem neuen Hauptsponsor befindet. Der bisherige Trikotsponsor Deutsche Bahn wird seinen zum Ende der Spielzeit auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Dieser spülte jährlich rund 4,5 Millionen Euro in den Verein. Gleichwohl bleibt die Bahn dem Klub als sogenannter Exklusivpartner mir rund einer Million Euro erhalten. Schiller gibt sich optimistisch, ein geeignetes Nachfolge-Unternehmen zu finden, das auch bereit ist, ähnlich viel Geld auf den Tisch zu legen. Dabei dürfte das sportliche Abschneiden der Mannschaft im Frühjahr eine gewisse Rolle spielen.

Im Abstiegsfall würde sich Herthas Einnahmesituation dramatisch verändern

Der Klassenerhalt in dieser Saison wäre auch deshalb sehr vorteilhaft, da sich der KKR-Einstieg positiver auswirken würde. Bekanntlich hat KKR für 20 Millionen Euro knapp zehn Prozent Anteile am Berliner Fußballunternehmen erworben. Der größte Batzen, rund 34 Millionen Euro, flossen dem Verein als eine Art Vorfinanzierung künftiger Einnahmen zu. Dafür leistet Hertha für die Laufzeit von sieben Jahren eine fest vereinbarte Rückzahlung an KKR ab. Die Rückzahlung fällt deutlich niedriger aus als die Zinsbelastung, die der Verein bisher für Kredite an Banken bezahlte. Auch in dieser Differenz lag Herthas neuer wirtschaftlicher Spielraum. Ein Spielraum, der direkt in die Mannschaft investiert werden könnte. Doch im Abstiegsfall würde sich Herthas Einnahmesituation (TV-Geld, Sponsoren) dramatisch verändern. Dann wären keine Investitionen möglich. Die Gültigkeit des Deal selbst ist nicht von der Ligazugehörigkeit abhängig, sagt Schiller.

Auch wenn ein neuerlicher Abstieg eine wirtschaftlich robustere Hertha treffen würde, als es die Abstiege vor fünf und drei Jahren taten, wäre dieser im Lichte der neuen Rahmenbedingungen ein verheerendes Signal nach außen wie innen. Auf jeden Fall hätte er weitreichende personelle Konsequenzen.

Denn da gibt es das große Ehrenwort des Vereinspräsidenten Werner Gegenbauers. Auf der Mitgliederversammlung im Mai 2013, der zweite Wiederaufstieg war gerade geschafft, sagte er, dass es mit ihm „einen dritten Abstieg nicht geben“ werde: „Wir sollten oben blieben.“

Nun ist Gegenbauer nicht nur Herthas mächtigster Funktionär, sondern er gilt vielen als die personifizierte Job-Garantie für Michael Preetz, der dank seines Fürsprechers als Manager zwei Abstiege überlebte. Sollte Gegenbauer sich gezwungen sehen, sein Versprechen wahrzumachen, müsste vermutlich auch Preetz gehen. Darin mag das eine oder andere Vereinsmitglied einen gewissen Reiz sehen, aber wer würde sich dann schon gern an die Spitze der Bewegung setzen wollen? Schließlich haben Gegenbauer und Preetz auch zwei Aufstiege hinbekommen. Irgendwie geht es ihnen da nicht anders wie der Mannschaft ab heute: Wo gehört sie hin? Körperlich wie mental.

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