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Andreas „Zecke“ Neuendorf, 40, spielte in der Bundesliga unter anderem für Leverkusen und Hertha BSC, später in der Regionalliga auch für Herthas heutigen Gegner FC Ingolstadt. Heute trainiert der ehemalige Mittelfeldspieler Herthas U-15-Mannschaft.

© imago/Sebastian Wells

Hertha BSC beim FC Ingolstadt: Andreas "Zecke" Neuendorf: „Für wen ich bin? Das ist ein Witz, oder?“

Andreas "Zecke" Neuendorf, Liebling der Hertha-Fans und Trainer der U15, über seine Zeit in Ingolstadt, Brotzeiten in Bayern und das Spiel gegen seinen Ex-Klub.

Herr Neuendorf, wir nehmen mal an, dass Sie sich am Sonnabend nicht den Zug-Trip nach Ingolstadt antun werden?

Sie meinen, weil Hertha dort spielt? Nein, und wenn würde ich das Auto nehmen. Die A 9 kenne ich wie meine eigene Hosentasche. Aber ich habe mit Herthas U-15-Mannschaft selbst ein Spiel, gegen Erzgebirge Aue. Wir sind ungeschlagen und Aue ist mit erst einer Niederlage auch ganz gut dabei. Also ein nicht ganz unwichtiges Spiel für meine Jungs.

Für die großen Jungs ist es aber beim FC Ingolstadt auch nicht unwichtig.
Stimmt, aber die sind ja Profis und nicht mehr in der Ausbildung. Oder sagen wir es so: Das, was der Pal mit denen gemacht hat in den letzten Wochen, war ein guter zweiter Bildungsweg.

Als Sie im Jahr 2007 Hertha in Richtung Ingolstadt verließen, kam das einem Rückschritt gleich. Ingolstadt kickte in der Regionalliga. Was hatte Sie dazu bewogen?
Ich wäre schon gern geblieben bei Hertha, aber der Klub, und hier in Person Dieter Hoeneß, wollte mich nicht mehr, jedenfalls nicht so, wie wir beide das noch ein paar Monate zuvor abgesprochen hatten. Dieter wollte das nicht mehr so, und dann kam auch mein Dickkopf durch. Es gab dann zwar noch ein paar Anfragen, ich war da aber nicht mit dem Gefühl dabei. Ich hing noch an Hertha.

Was waren das für Anfragen?
(lacht) Aus Griechenland und Zypern. Das müssen Sie sich mal vorstellen. Es war ein Mördersommer damals, mit bis zu 50 Grad! Dort gab es gerade wahnsinnig viele Waldbrände. Die Inseln hatten plötzlich alle Feuer gefangen. Und dann ich! Bei mir wird es schon bei 25 Grad eng mit der Luft, wie soll ich dann bei 40 Grad ordentlich Fußball spielen?

Dann doch lieber Ingolstadt!
Ja, und es war purer Zufall. Ein Freund von mir lag mir damals ständig in den Ohren. Fahre doch mal wenigstens hin und höre es dir an. Ich hatte zwischendurch schon mal mit den Gedanken gespielt, ganz mit dem Kicken aufzuhören. Er ließ aber nicht locker. Also fuhren wir hin.

Sie hatten mit Hertha abgeschlossen?
Nö, aber was sollte ich tun? Die Bundesliga war nicht gerade scharf auf mich. Ich war immer noch auf Hertha geeicht. Und das, obwohl ich hier nie ein echter Leistungsträger gewesen bin, mal abgesehen von meinen frühen Jahren unter Trainer Jürgen Röber und dem Abstiegskampf im Frühjahr 2004 unter Hans Meyer. Wenn, dann war ich außerhalb des Platz ein Führungsspieler. Sportlich galt ich als bester zwölfter Mann. Aber dann haben die in Ingolstadt so von mir geschwärmt, sie taten so, als könnten sie ohne mich gar nicht mehr spielen. Das weckte in mir noch einmal die Lust. Ich wollte damals das Kabinengefühl noch nicht verlieren.

Sie haben drei Jahre für den FCI gespielt. Heute ließe sich behaupten, dass Sie eine Art Entwicklungshelfer waren.
Finden Sie? Na ja, ich habe mich so gut es ging eingebracht. Meine Leisten- und Adduktorenprobleme waren mit dem Wechsel natürlich nicht weggezaubert. Im ersten Jahr fand ich auf dem Feld kaum statt, den Aufstieg in die Zweite Liga haben andere bewerkstelligt. Zumindest habe ich meinen Job außerhalb, also an der Seite der Jungs, getan. Ich habe den Glauben daran gelebt. Erst in den letzten 18 Monaten meiner Ingolstädter Zeit, als ich fit und halbwegs gesund war, konnte ich dem Team auf dem Platz auch helfen und als Spieler meine Erfüllung finden.

Andere Spieler suchen die in England oder Spanien. Ihnen reichte Ingolstadt?
Zu Beginn meiner Profizeit gab es mal Anfragen aus diesen Ländern, aber mein Heimatgefühl war stärker. Und am Ende zählt doch, dass man sich entwickelt. Egal wo. Insofern war Ingolstadt für mich richtig, weil ich von der Persönlichkeit her reifte. Dort hatte ich Zeit für Gespräche, bekam Einblicke, wie ein Verein so funktioniert. In Berlin habe ich diese Themen noch gar nicht gesehen. Da habe ich vormittags trainiert, bin dann nach Hause und hatte den Rest des Tages frei.

Und jetzt genießen Sie auf Lebenszeit den Service durch Ingolstadts Großsponsor?
Sie meinen Audi, richtig? Nein, das nicht. Die Autos, die ich damals leihweise bekam, gab ich immer mit recht hoher Laufleistung zurück. Einer hatte nach eineinhalb Jahren 90 000 Kilometer auf dem Tacho, so oft bin ich zwischen Ingolstadt und Berlin gependelt. Das schaffen sonst doch nur Scouts oder Taxifahrer.

Die Entfernungskilometer haben Sie bestimmt noch im Kopf?
Klar, 507 Kilometer von Tür zu Tür.

Was hat Ingolstadt, was Berlin nicht hat?
Oh, Ingolstadt hat eine Brotzeit, die hat Berlin nicht. Und wie überall in Bayern dürfen die Leute mittags ein Weizenbier trinken. Ich trinke ja gar kein Bier, aber es fiel mir auf. Außerdem gibt es in Ingolstadt viele Biergärten, die irgendwie das ganze Jahr offen haben. Und wissen Sie was; der Ingolstädter an sich machte auf mich einen glücklichen Eindruck. Aber kein Wunder. Die Arbeitslosenrate liegt zwischen zwei und drei Prozent, davon träumt Berlin. Dort geht es nicht nur einigen wenigen gut, sondern allen Leuten.

Was vermissen Sie am Spielerdasein?
Inzwischen gar nichts mehr. Ich bin jetzt 40 und gehe richtig auf in meinem Trainerjob bei der U 15. Aber ich bereue keinen Tag als Spieler, auch wenn mir einige vorgehalten haben, mein Talent etwas verschwendet zu haben. Ich sehe das nicht so. Ich hatte einfach nicht den perfekten Körper dafür. Hinter mir liegen neun Operationen, meist an Leiste und Adduktoren. Das ist auch eine Wahrheit.

Wie wird das Spiel ausgehen, für welchen Klub schlägt Ihr Herz mehr?
Ist jetzt ein Witz, oder? Ich bin Berliner, bin hier groß geworden. Das ist meine Stadt und Hertha mein Verein. Ich habe auch der Zeitung aus Ingolstadt erzählt, dass die Ingolstädter es mir nicht übel nehmen sollen, aber es ist doch klar, dass ich für Hertha bin. Wenn ich jetzt sagen würde, dass Spiel möge 1:1 enden, dann wäre das nicht, was ich denke. Ich wünsche Ingolstadt, dass sie drin bleiben. Sie werden eine gute Rolle spielen, wenn sie jedes Spiel alles abrufen können. So wie Hertha. Wir sind ja nach zwei Abstiegen noch in der Demutphase. Und wenn es für Hertha so gut läuft wie im ersten Saisondrittel, ist es doch umso schöner.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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