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Hertha BSC: Das i-Pad der Bundesliga

Sven Goldmann über Herthas Mängel beim Multitasking

Vor ein paar Tagen hat Apple der Menschheit ein neues Wunderwerk vorgestellt. Das iPad soll die Welt revolutionieren. Steve Jobs hielt ein kollegblockgroßes Zaubertablett in die Kameras, er zeigte ein paar Zaubertricks, und die aus der ganzen Welt zugeschaltete Zuschauerschaft war entzückt.

Ein paar Wochen zuvor, ein paar Nummern kleiner: Auch die Fußball-Bundesliga hatte zum Beginn des Geschäftsjahres 2010 eine spektakuläre Show. Mit ein bisschen gutem Willen kann man das San Francisco der Liga rückblickend in Hannover verorten: Hertha BSC bot dort die Performance. Sie geriet mit einem 3:0-Sieg so eindrucksvoll, dass ein gutwilliges Publikum nur zu gerne glauben wollte, da sei in der kürzesten aller Winterpausen etwas revolutionär Neues und Vielversprechendes entstanden.

Der Rausch ist schnell verflogen, in San Francisco wie in Berlin. Schon am Tag nach der schicken Promotionparty mäkelte die weltweite Internetgemeinde an Apples neuer Kreation herum. In den Augen vieler Kritiker bietet das iPad nur eine schicke neue Oberfläche, unter der sich Altbekanntes verbirgt. Im Falle Apple hat das den Vorteil, dass das Altbekannte führend ist auf dem Weltmarkt, was sich von Hertha BSC nicht sagen lässt. Zwei Wochen nach der spektakulären Markteinführung von Hertha.2010 ist schwerlich zu übersehen, dass da noch die alte Mannschaft spielt. Eine Mannschaft, die im vergangenen Halbjahr nicht zufällig vom Meisterkandidaten zum fast sicheren Absteiger abgestürzt ist. Das Berliner Fußballunternehmen hat sein altes Produkt aufgehübscht durch ein paar neue Specials, sie tragen vielversprechende Namen wie Kobiaschwili und Gekas und überblenden, dass sich die Substanz nicht entscheidend verändert hat.

Herthas größtes Problem ist dasselbe des iPads. Beide sind nicht multitaskingfähig. Das Computertablett kann Filme zeigen, Autos durch den Berufsverkehr navigieren oder Börsenkurse anzeigen, aber eben alles zu seiner Zeit und nie zur selben. Das ist zu wenig in der virtuellen Moderne. Der simpler gestrickte Fußball kennt nur zwei Tasks: stürmen und verteidigen. Die Berliner haben in der Hinrunde keine davon beherrscht – immerhin das ist nicht mehr so. Mit seiner Runderneuerung scheint Chefdesigner Friedhelm Funkel eines der beiden zentralen Probleme gelöst zu haben. In den drei ersten Spielen der Rückrunde hat Hertha BSC kein einziges Gegentor kassiert.

Nachhaltigen Erfolg aber garantiert gute Defensivarbeit nur, wenn sie ein Äquivalent in der Offensive findet. Danach sieht es nicht aus. Herthas Angriffsspiel ist ideenlos und angelegt auf das Heraufbeschwören möglichst vieler Standardsituationen, die nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung irgendwann mal zu Toren führen müssen. Fußball aber funktioniert nicht wie Mathematik, erst recht nicht bei einem Gebilde, dessen kreative Substanz reduziert ist auf guten Willen und den Brasilianer Raffael. Zwei torlose Heimspiele deuten darauf hin, dass Hannover ein einmaliges Happening war. Und ohne Multitasking auf gehobenem Niveau wird Hertha BSC nicht in der Bundesliga bleiben.

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