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Lucio

© ddp

Hertha BSC: Das reife Brasilien

Die Hertha hofft, mit Lucio einen Spieler mit Charakter und Persönlichkeit verpflichtet zu haben.

Sein exzellentes taktisches Verständnis bewies Lucio Carlos Cajueiro Souza, der der Einfachheit halber nur Lucio genannt wird, auch unter großem Druck. „Jetzt, Vorsicht!“, sagte Dieter Hoeneß, der Manager von Hertha BSC. Der Neuzugang des Berliner Fußball-Bundesligisten war gerade gefragt worden, welche Ziele er denn mit seinem neuen Klub anstrebe. Eine gefährliche Frage. Brasilianer neigen dazu, in solchen Fällen das Maximale zu denken und mindestens die Meisterschaft anzustreben. Lucio antwortete, er wolle gute Platzierungen erreichen und „außerdem schöne Spiele machen“. Ganz harmlos also. Wahrscheinlich hatte es sich ausgezahlt, dass Herthas Chefscout Rudi Wojtowicz dem Mittelfeldspieler geraten hatte, er solle lieber nicht erwähnen, dass er bei seinen letzten drei Vereinen auf Anhieb Meister geworden sei.

Lucio ist nach dem Torhüter Jaroslav Drobny Herthas zweite Verpflichtung für die neue Saison. Er hat einen Vierjahresvertrag unterschrieben, die Ablöse beträgt rund 1,75 Millionen Euro. Bei seiner offiziellen Vorstellung begrüßte er die Deutschen gestern auf Deutsch: „Guten Tag“, sagte er, und böse Menschen könnten nun behaupten, damit beherrsche er die fremde Sprache schon besser als viele seiner Landsleute am Ende ihres ersten Jahres in der Bundesliga. Man sollte das nicht überbewerten, aber es passte zu dem Eindruck, den der 28-Jährige hinterließ und den auch Herthas Verantwortliche von ihm gewonnen haben. „So wie ich ihn einschätze, glaube ich, dass er sich sehr schnell integrieren kann“, sagte Manager Hoeneß. „Er wird wenig Zeit brauchen, sich hier zurechtzufinden.“

Nach Alex Alves, Marcelinho, Nene, Luizao und den immer noch unter Vertrag stehenden Nationalspielern Gilberto und Mineiro ist Lucio der siebte Brasilianer, der das Hertha-Trikot trägt. Manager Hoeneß sagt, neben den fußballerischen Qualitäten habe man bei Lucios Verpflichtung „sehr stark auf seine Persönlichkeit, seinen Charakter geachtet“. Das unterscheidet die zweite brasilianische Ära bei den Berlinern mit eher reifen und charakterstarken Fußballern von der ersten, die vor allem mit Alex Alves und seinen divenhaften Auftritten verbunden bleibt. Chefscout Wojtowicz hält Lucio für einen „sehr guten Jungen, vom Charakter und von der Einstellung her“.

Lucio hat noch am Wochenende für seinen bisherigen Klub Gremio Porto Alegre gespielt, am Montag ist er in Berlin gelandet, heute trainiert er zum ersten Mal mit seinen neuen Kollegen. Hoeneß hält es durchaus für möglich, dass Lucio schon zum Bundesligastart bei Eintracht Frankfurt in etwas mehr als drei Wochen zum Einsatz kommt. „Er braucht keine Vorbereitung“, sagt Herthas Trainer Lucien Favre. „Er muss nur seine Position in der Mannschaft finden.“ In Brasilien hat Lucio auf der linken Seite sämtliche Positionen besetzt; diese Vielseitigkeit hat ihn auch für Hertha interessant gemacht. Lucio könnte als linker Verteidiger in der Viererkette spielen aber auch davor in der äußeren Position einer sogenannten flachen Vier, einer zweiten Viererkette im Mittelfeld, wie sie Favre vorschwebt. Möglich wäre in diesem Fall auch, dass Lucio und Gilberto, der von links in die Mitte rücken soll, während des Spiels ständig die Positionen wechseln.

„Ich will nicht nur dabei sein“, sagte Lucio, „ich möchte auch in die Geschichte eingehen.“ Dass er sich nun in einem ungewohnten Umfeld zurechtfinden muss, in einer neuen Stadt, einer anderen Kultur mit einer noch fremden Sprache – „das macht mir keine Sorgen“, sagt Lucio. Gilberto und Mineiro kennt er aus Brasilien, zusammen mit Mineiro hat er bei Gremio sogar die Meisterschaft gewonnen, nach 15 Jahren, in denen der Verein ohne Titel geblieben war. Dass beide bei Hertha nun wieder Kollegen sind, mache ihm die Eingewöhnung natürlich etwas leichter.

Hertha wurde schon vor Monaten auf Lucio aufmerksam, mehrmals wurde er beobachtet, unter anderem zweimal von Manager Hoeneß, dem dabei Lucios „sehr gutes taktisches Verständnis“ und „seine Vielseitigkeit“ aufgefallen sind. Dass in Europa anders Fußball gespielt wird als in Brasilien, sieht Lucio nicht als Problem: Bei seinen vier Teilnahmen an der Copa Libertadores, einer Art südamerikanischer Champions League, habe er ausreichende Erfahrungen mit einem athletischeren Fußball gemacht. „Da muss man viel rennen, braucht viel Kraft“, sagt er. „Da ist nicht nur das Spielen wichtig.“ Herthas Chefscout Wojtowicz zweifelt nicht, dass Lucio den Anforderungen in der Bundesliga genügen wird. „Marcelinho ist schon viel gelaufen“, sagt er. „Aber der läuft noch mehr.“

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