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Sport: Hertha BSC: Der Bundesligist holt sich Heilung in der Provinz

Wolfsburg ist keine besonders aufregende Stadt. Schon gar nicht für Gäste, sagen wir Berliner, die sich zu Größerem berufen fühlen.

Wolfsburg ist keine besonders aufregende Stadt. Schon gar nicht für Gäste, sagen wir Berliner, die sich zu Größerem berufen fühlen. Und dann hat Wolfsburg noch eine Fußballmannschaft, wie sie stadttypischer nicht hätte sein können. Zu verschenken haben weder Wolfsburg noch sein kickender VfL viel.

Irgendetwas in dieser Richtung muss Jürgen Röber geahnt haben. Aufreizend gelangweilt saß der Trainer von Hertha BSC auf der grünen Holzbank hinter der gekreideten Außenlinie. Röber hatte sein Jackett faltenfrei über das Knie seines linkes Beines gelegt und sich zurückgelehnt. Weil die Holzbank aber lehnenlos war, stützte er sich auf seine nach hinten durchgestreckten Arme. Schließlich hatte an diesem Nachmittag auch noch der eine oder andere Sonnenstrahl Wolfsburg erreicht. Dies galt es zu genießen. Denn von dem, was seine Profis boten beziehungsweise nicht boten, bekommt ein Mann wie er eher Geschwüre, vorzugweise im Magenbereich. Also wird er sich beizeiten gesagt haben: Jetzt sage ich gar nichts mehr. "Was hätte ich denn da noch sagen sollen? Ich hätte mich doch umsonst aufgeregt", erzählte Röber nach dem Kick, daran zweifelnd, ob und inwiefern seine Botschaften überhaupt genutzt hätten. Solche Spiele "muss die Mannschaft selber geregelt kriegen".

Mit 1:2 verlor Hertha beim VfL Wolfsburg, und das hätte nie und nimmer sein müssen. "Wer wie wir nach oben will, der muss hier gewinnen", grantelte Röber. Er unternahm erst gar nicht den Versuch, den Auftritt zu beschönigen. Viel zu wenig Torchancen habe seine Mannschaft herausgespielt. "Bei dem Potenzial, das wir haben, war das hier zu wenig." Immer wieder fielen diese zwei Worte: "wenig" und "fehlte". Entweder war das, was die Beteiligten in Blau-weiß auf dem Grün boten, zu wenig (Engagement, Laufbereitschaft, Ideen), oder aber es fehlte (Mumm, Herz, Kampf) komplett. Röber mochte diese Niederlage nicht überbewerten. Doch Fragen bleiben. Etwa die, warum Hertha in einem Heimspiel sehr viel mehr Druck entwickeln und sich dadurch eine Vielzahl von Torchancen erspielen kann (siehe Hamburg und Bochum), aber davon überhaupt nichts mehr zu sehen ist, sobald ein nahezu identischer Kader auswärts antritt?

Jürgen Röber zieht eine einfache Formel heran. Im Vergleich Mann gegen Mann muss jeder Einzelne das bessere Ende für sich haben. "Wenn du die meisten Zweikämpfe gewinnst, gewinnst du auch das Spiel." Das ist so banal, das wissen sie selbst in Wolfsburg. "Unterm Strich", sagte Röber, "war das hier von allen von uns zu wenig." Bei allem spielerischen Potenzial, das in der Mannschaft steckt, darf gefragt werden, ob sich die Mannschaft nicht ein bisschen überschätzt.

Das ist eine unter dem Eindruck des Wolfsburg-Spiels durchaus naheliegende These. Manager Dieter Hoeneß widerspricht ihr energisch. Aber auch er hatte erkannt, "dass hier der letzte Biss fehlte". Wenn es mal spielerisch nicht gehe, dann "darf auch mal gefightet werden". Die Bereitschaft dazu wollte er den Spielern nicht absprechen, "aber es hat nicht gereicht, diesen gewissen Punkt - genannt Schweinehund - zu überwinden", sagte Hoeneß. Gegen so einen Gegner "musst du bis an die Grenze gehen". Hertha müsse auswärts endlich mit "der Entschlossenheit von zu Hause" auftreten.

So aber klaffen Anspruch und Wirklichkeit noch ein ganzes Stück auseinander. Vor wenigen Tagen ist der neue Präsident von Hertha BSC, Bernd Schiphorst, mit einem hübsch formulierten Kampfziel ins Rennen gegangen. Lieber heute als morgen möchte er aus der G 14, dem Zusammenschluss der 14 wichtigsten europäischen Vereine, eine G 15 machen. "Hertha BSC will dahin und hat das Zeug dazu", hat Schiphorst gesagt. Also, irgendetwas müssen die hochbezahlten Profis da nicht ganz richtig verstanden haben. Ihr Auftritt in der niedersächsischen Provinz hatte mit großer kontinentaler Kunst nicht zu tun.

Vielleicht aber kann so ein Tripp nach Wolfsburg auch ganz heilend sein. Fragt sich nur, unter welchem Motto sich die kommende Dienstreise Herthas stellen lässt. Donnerstag heißt der Gastgeber Zimbru Chisinau. Das liegt mitten in Moldawien. Da würde sich selbst ein Wolfsburger mit zittrigen Knien auf den Weg machen.

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