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Sport: Hertha BSC: Die neue Linke und der falsche Stürmer

Die Antwort fiel denkbar kurz aus. Zu kurz für den Geschmack des Fragestellers.

Die Antwort fiel denkbar kurz aus. Zu kurz für den Geschmack des Fragestellers. "Nein", hatte Dieter Hoeneß geantwortet, als ihn ein Reporter vom Fernsehen zu möglichen Neueinkäufen vernommen hatte. Eine klare Aussage. Doch der Reporter wollte mehr wissen. "Nein", sagte der Manager von Hertha BSC in den zweiten Versuch des Fernsehmannes hinein, drehte sich um und beendete das Frage-Antwort-Spiel. Was hätte er auch sagen sollen? Schon der kleinste Hinweis auf Gedanken, noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, würde in Herthas jetziger Situation als Eingeständnis einer verfehlten Personalpolitik gedeutet. In einer Situation, in der jeder Waldlauf zum Straftraining hochgeschrieben wird und jede Besprechung zur Krisensitzung.

Zum Thema Fotostrecke I: Hertha Backstage Fotostrecke II: Die Bilder der Saison 01/02 Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Vor der Saison hat Hertha rund 30 Millionen Mark in neue Spieler investiert. Vom stärksten Kader aller Zeiten ist seitdem die Rede; doch diesem Anspruch ist das Team noch nicht gerecht geworden. Auch die Neuzugänge haben die Erwartungen nicht erfüllt, wenngleich eine abschließende Beurteilung nach vier Spielen nicht nur unmöglich, sondern höchst unseriös ist. Dass Denis Lapaczinski, der für 4,5 Millionen Mark vom Zweitligisten SSV Reutlingen kam, noch keine Minute gespielt hat, heißt nicht, dass seine Verpflichtung ein Fehler war. Lapaczinski ist jung und gilt als hoch talentiert. Doch wie die meisten Neueinkäufe in jeder Mannschaft braucht auch der U-20-Nationalspieler Zeit, um sich an die neue Umgebung, an neue Lebensumstände und vor allem an eine neue Liga zu gewöhnen.

Was jedoch offenkundig ist: Die Neuen haben das Gefüge der Mannschaft gehörig durcheinander gebracht. Da ist zum einen Bart Goor. Der Linksfuß wurde verpflichtet, obwohl Hertha eigentlich jemanden brauchte, der Sebastian Deislers alte Rolle auf der anderen Seite, nämlich rechts, übernehmen sollte. Das hört sich erst einmal unsinnig an - und ist zumindest kompliziert. In der vorigen Saison spielte Michael Hartmann auf der Position, die jetzt Goor einnimmt. Die Überlegung von Herthas sportlicher Führung: Wenn der gebürtige Rechtsfuß Hartmann auf links nicht mehr gebraucht wird, kann er auf Deislers alte Position rücken. Doch Hartmann kommt mit seiner neuen Rolle nicht zurecht.

In der vorigen Saison hat kein anderer Bundesligaspieler von links so viele Tore vorbereitet wie Hartmann. Gegen Cottbus blieb er über die rechte Seite wirkungslos. Einmal flankte er in den gegnerischen Strafraum - nachdem er sich den Ball vom rechten, auf den schwächeren linken Fuß gelegt hatte. Zudem begünstigte Hartmann durch seine Unentschlossenheit den Ausgleich für Energie. "Der stellt Ansprüche", sagt Trainer Jürgen Röber. "Dann muss er auch was zeigen." Tat er aber nicht und wurde deshalb nach einer Stunde ausgewechselt.

Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, einen Spieler für die rechte Seite zu verpflichten, anstatt einen Linken zurückzuschulen. Goor kostete rund 12 Millionen Mark; für die gleiche Summe wechselte Zoltan Sebescen von Wolfsburg nach Leverkusen, ein Rechtsfuß, der die Rolle spielt, mit der Hartmann nicht klar kommt. Stattdessen holte Hertha Roberto Pinto. Der war zuletzt nicht einmal beim Fast-Absteiger VfB Stuttgart Stammspieler. Pinto als Deislers Nachfolger? Vielleicht hat er mit seiner extravaganten Frisur das Zeug zum neuen Mädchenschwarm; spielerisch jedoch kann er an Deisler nicht heranreichen.

Als echte Verstärkung gilt nur Marcelinho, mit rund 14 Millionen Mark Ablöse der teuerste Einkauf des Sommers. Der Brasilianer wurde der Öffentlichkeit als neuer Stürmer präsentiert. Verständlich, schließlich ist Herthas Angriff mit Michael Preetz und Alex Alves nicht allzu üppig besetzt. Preetz ist 34. Was passiert, wenn er eine Formkrise hat? Oder verletzt ausfällt? Zumal Alves nicht gerade ein Garant für viele Tore ist. In anderthalb Jahren hat er zwölfmal getroffen; das schafft Preetz in einer guten Halbserie. Herthas Angriff musste also verstärkt werden. Doch Marcelinho ist gar kein Stürmer.

Der Brasilianer lässt sich viel lieber ins Mittelfeld zurückfallen, dorthin, wo eigentlich Deisler das Sagen haben soll. Im Spiel gegen Dortmund führte dies zu großen Problemen in Herthas Mittelfeld. Doch weil Deisler gegen Cottbus verletzt fehlte, durfte Marcelinho offiziell die Position des Spielmachers übernehmen. Vielleicht ist dies ein Vorgriff auf die Zukunft, wenn Deisler tatsächlich nach der Saison zu den Bayern geht. Marcelinhos Interpretation der tragenden Rolle fand jedoch bei seinen Mitspielern wenig Zustimmung. "Er spielt zu oft hinten", klagte Dick van Burik. "Das bringt Probleme." Marko Rehmer bemängelte, "Marcello will jeden Ball haben". Ein bisschen scheint es, als fühlten sich Marcelinhos Kollegen durch dessen Selbstbewusstsein auf dem Platz an den Rand gedrängt. Stefan Beinlich zum Beispiel, der in der vorigen Saison im offensiven Mittelfeld seine besten Spiele gemacht hat, war gegen Cottbus nicht zu sehen. Wenn die besten Fußballer auf dem Platz stehen, heißt das eben noch nicht, dass auch die beste Mannschaft spielt. Hertha hat in dieser Saison einmal gewonnen. Das war, als Marcelinho nicht dabei war.

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