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Systemrelevant. Vladimir Darida (links, mit Bielefelds Tom Schütz) spielt eine Schlüsselrolle für Herthas neuen Fußball. Der Tscheche ist ballsicher, laufstark, spielintelligent – und erzielte gegen die Arminia das Tor zum 2:0-Endstand.

© dpa/Kirchner

Hertha BSC: Die Rechnung von Pal Dardai geht auf

Der Optimismus von Herthas Trainer Pal Dardai hat im DFB-Pokal den ersten Praxistest bestanden - auch wenn der Sieg bei Arminia Bielefeld kein glanzvoller war.

Der deutsche Fußball gilt seit jeher als nicht besonders wissenschaftsfreundlich. Niemand hat die Vorbehalte des Establishments treffender formuliert als Karl-Heinz Rummenigge, der einst verkündete, Fußball sei keine Mathematik. Da ist es schon ein wenig kurios, dass gerade jemand den Gegenbeweis zu erbringen erscheint, den man wissenschaftlicher Umtriebe bisher nicht verdächtigt hätte. Pal Dardai, den Trainer von Hertha BSC, halten viele eher für einen Bauch- als einen Kopfmenschen, aber der Ungar besitzt auch ein Faible für die Macht der Zahlen. Schon bei seinem Amtsantritt hat er präzise vorgerechnet, unter welchen Umständen sein Team den Klassenerhalt schaffen werde, und auch im Kleinen gibt er seinen Spielern offenbar mathematische Lösungen an die Hand. Nach dem 2:0-Sieg des Berliner Fußball-Bundesligisten im DFB-Pokal bei Arminia Bielefeld erzählte Fabian Lustenberger: „Pal sagt immer: ,Alle sieben Minuten eine Torchance – dann gewinnst du das Spiel.‘“

Es ist natürlich ganz gut, wenn solche Gleichungen am Ende tatsächlich aufgehen. Dardai hat sich nämlich in den Wochen der Vorbereitung erstaunlich zuversichtlich über seine Mannschaft und deren Möglichkeiten geäußert. Trotz Herthas blamabler Pokalhistorie hat er das Erreichen des Finales als Ziel ausgegeben, und in der Bundesliga rechnet er mit zehn Punkten mehr als in der Vorsaison und damit einer Spielzeit ohne Sorgen, während alle Experten Hertha erneut eine tiefe Verstrickung in den Abstiegskampf vorhersagen. Mit anderen Worten: Dardai hat sich ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt.

Immerhin ist er nicht gleich bei erster Gelegenheit über die Brüstung in die Tiefe gestürzt. Der zwar nicht glanzvolle, aber recht souveräne Erfolg in Bielefeld nährt zumindest die Hoffnung, dass der Ungar nicht irgendwelchen Hirngespinsten hinterherjagt. „Das ist ein schönes Ergebnis für den Trainer“, sagte Dardai über den Einzug in die zweite Runde. „Und selbst Kalou hat getroffen.“ Das hätte ja auch keiner gedacht. Außer Pal Dardai natürlich.

Kalou erzielt seinen ersten Treffer für Hertha BSC seit Ende Februar

In Bielefeld erzielte der Ivorer gut 20 Minuten vor Schluss das vorentscheidende 1:0 für Hertha – es war sein erster Treffer seit Ende Februar. Dardai hatte sich zuletzt immer wieder mit der Meinung konfrontiert gesehen, dass es arg optimistisch sei, mit Kalou als einzig gesundem Stürmer in die Saison zu starten. Doch statt über die Situation zu jammern, arbeitete der Ungar mit dem zuletzt oft unglücklich spielenden Angreifer an Details, übte im Training mit ihm Torabschlüsse, sogar ohne störenden Torwart, um den Lernerfolg nicht zu gefährden. „Der Wille war da, die Körpersprache ist besser“, sagte Dardai über Kalous Auftritt in Bielefeld. „Und bestimmt ist er auch mehr gelaufen.“ Mangelnder Einsatz war dem 29-Jährigen ganz sicher nicht vorzuwerfen. In Phasen, in denen ihn vorne kaum Bälle erreichten, ließ sich Kalou ins Mittelfeld zurückfallen. Das sei wichtig, damit man als Stürmer nicht völlig den Rhythmus verliere, sagte Dardai. „Aber zu oft soll er das auch nicht machen. Zum Schluss muss er vorne sein und knipsen.“

Der Trainer hat bereits Ende der vorigen, wenig erbaulichen Saison prophezeit, dass Kalou einer der Profiteure der neuen strategischen Ausrichtung in Herthas Spiel sein werde. Die Fortschritte hin zu mehr Ballbesitz sind tatsächlich schon zu erkennen – vor allem im Mittelfeld. „Wir müssen noch mehr in die Tiefe spielen, noch zielstrebiger werden“, sagt Dardai. Aus Ballbesitz auch Gefahr für das gegnerische Tor zu generieren, ist die anspruchsvollste Aufgabe, aber Herthas Trainer ist zufrieden, dass seine Spieler den Ball überhaupt mal über längere Zeit behaupten können: „Das haben wir letztes Jahr nicht geschafft. Da kam nach dem dritten oder vierten Pass immer der Fehler.“

Ein Schlüsselspieler für Dardais neuen Fußball ist der Tscheche Vladimir Darida, der einzige Neue (von ohnehin nur dreien), der im DFB-Pokal in der Startelf stand. Der Zugang aus Freiburg ist ballsicher, laufstark, spielintelligent – und damit systemrelevant; dass der Mittelfeldspieler gegen die Arminia kurz vor Schluss zum 2:0-Endstand traf, war eher ein positiver Nebeneffekt. „Aus meiner Sicht ist er ein Ausnahmespieler“, sagt Dardai. Von dieser Kategorie sollen auch die anderen Neuen sein, die Hertha möglicherweise noch verpflichtet. „Mir ist es lieber, dass wir wenige Spieler holen, dafür welche mit Qualität. Wir sollten jetzt nicht in Hektik verfallen.“

Nach dem Erfolg im Pokal besteht zu verschärfter Hektik erst einmal kein Anlass. „Der Sieg gibt Hoffnung“, sagt Dardai. „Obwohl ich das Wort Hoffnung nicht besonders mag.“ Hoffnung ist eben keine wissenschaftliche Kategorie.

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