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Sport: Hertha BSC: Ersatz vom Ersatz

Es war ein sehr kleiner Schritt für die Menschheit und ein sehr großer für Michael Eckhardt. Vorbei ist es mit den öden Kicks in Klein-Karben.

Es war ein sehr kleiner Schritt für die Menschheit und ein sehr großer für Michael Eckhardt. Vorbei ist es mit den öden Kicks in Klein-Karben. Oder daheim gegen Germania Horbach. Eckhardt ist in der Großstadt gelandet, die Oberliga Hessen sieht ihn so schnell nicht wieder. Nun steht der 21-Jährige als dritter Torwart von Hertha BSC in all den bunten Bundesliga-Sonderheften - und muss sich dennoch keine ernsthaften Gedanken über seinen ersten Einsatz in der Bundesliga machen. In die Verlegenheit wird er so schnell nicht kommen.

Natürlich wird in der Bundesliga auf jeder Position "rotiert", auch bei Hertha BSC. Im Angriff, in der Verteidigung und im Mittelfeld sowieso. Nur auf einer Position hält Trainer Jürgen Röber überhaupt nichts vom heiligen Prinzip der Rotation. Kein Platz im Berliner Aufgebot ist so fest vergeben wie der des Torhüters an Gabor Kiraly. Seit seinem Debüt vor knapp drei Jahren hat der Ungar von 95 Bundesliga-Spielen lediglich sieben ausgelassen. Da war er verletzt und ließ Christian Fiedler ran. Der nutzte seine Chance so gut, wie sie ein zweiter Mann nur nutzen kann. Fiedler zählte stets zu den besten Berlinern, was ihn jedoch nicht davor bewahrte, sofort nach der Genesung von Kiraly wieder Platz auf der Ersatzbank zu nehmen. Gabor Kiraly ist gesetzt, egal, wie gut der zweite Mann ist.

Eckhardt hat diese Geschichte oft genug gehört. Er weiß, was auf ihn zukommt. Dennoch ist er vom hessischen Oberligisten Viktoria Aschaffenburg nach Berlin gewechselt. Warum? "Weil ich lernen will", von Torwarttrainer Enver Maric, von Christian Fiedler und eben Gabor Kiraly. In Aschaffenburg war er die unumstrittene Nummer eins. Jetzt trainiert Eckhardt unter Profibedingungen. "In der Oberliga haben wir drei, vier Mal in der Woche trainiert, hier oft zwei Mal am Tag" sagt Eckhardt. "Und Praxis bekomme ich bei den Amateuren." Wieder in der Oberliga. Nur nicht gegen Klein-Karben, jetzt heißen die Gegner Anker Wismar oder Brandenburger SC Süd 05. Gegen die haben Herthas Amateure am vergangenen Wochenende verloren. Vor 177 Zuschauern. In Aschaffenburg kamen gelegentlich zehn Mal so viel.

Michael Eckhardt ist kein Bundesliga-Star. Er wird nicht umlagert von kreischenden Groupies, Eckhardt ist Ersatz vom Ersatz. Er hat zu trainieren. Mehr kann er nicht machen. Verletzt sich Stammkeeper Kiraly, steht Ersatztorwart Fiedler bereit. Verletzt sich Fiedler, ist Kiraly vermutlich wieder fit. Der dritte Torwart darf sein Namensschild an die Sitzschale auf der Tribüne anschrauben. "Er muss jeden einzelnen Tag zeigen, was er kann - in Freundschaftspielen, bei den Amateuren, überall", sagt Enver Maric.

Mit Eckhardt verpflichtet Hertha gleich noch Torwart Nummer vier und Nummer fünf mit. Alles Nachwuchsleute. Einer ist sogar polnischer Junioren-Nationalspieler. "Alles gute Leute, aber Eckhardt hat den Vorteil, dass er fest im Tor stand", sagt Maric. Entdeckt hat ihn Herthas Talent-Späher Rudi Wojtowicz, der früher für Bayer Leverkusen und Fortuna Düsseldorf spielte.

Es sind schon andere an der Unantastbarkeit Kiralys verzweifelt. Zum Beispiel René Renno. Der 21-Jährige bestritt kein einziges Bundesligaspiel für Hertha, brachte es lediglich sechs Mal auf die Ersatzbank. Renno zog die Konsequenz und wechselte zu Tennis Borussia in die Regionalliga. "Bei TeBe stehe ich mehr in der Öffentlichkeit", sagt Renno. Anfangs sei es schon ein tolles Gefühl gewesen, zum Bundesliga-Kader zu gehören. Trainieren bei den Profis und spielen bei den Profis - alles schön und gut, "aber irgendwann will man auch mal weiterkommen." Das war bei Hertha nicht möglich, deswegen der Wechsel zu Tennis Borussia.

Ob er denn irgendeinen wertvollen Tipp für seinen Nachfolger Eckhardt hat? Renno überlegt. Nein. Aber er sollte zumindest aufpassen, was er in der Öffentlickeit sagt. Thorsten Malessa zum Beispiel, ein ehemaliger Torhüter bei Hertha BSC, hielt vor wenigen Jahren nämlich mit einem seiner Fantasie entsprungenen Lottogewinn in Millionenhöhe den Berliner Zeitungsboulevard auf Trab. Die Ente flog auf und Malessa aus dem Kader. Gesehen wurde er zuletzt bei Brieske-Senftenberg.

André Görke

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