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Valentin Stocker hat mit Hertha in der Rückrunde viel vor.

© imago/Camera 4

Hertha BSC: Freie Bahn für Valentin Stocker

Lange hat Valentin Stocker bei Hertha nur eine Nebenrolle gespielt. Jetzt könnte es auf ihn ankommen - vielleicht schon am Sonntag in Leverkusen.

Valentin Stocker hat in dieser Woche bei Hertha BSC mal wieder deutlich herausgestochen. Dass er beim Training auf dem eisigen Schenckendorffplatz keine Mütze auf dem Kopf hatte, unterschied ihn bereits von den meisten seiner Kollegen; dass er allerdings auch eine kurze Hose trug, war ein klares Alleinstellungsmerkmal. „Er ist Schweizer, er kennt den Schnee und die Kälte“, sagte Pal Dardai, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten. „Das hat ihn abgehärtet.“

Besondere Härte war bisher nicht unbedingt das, was die breite Masse mit Valentin Stocker verbunden hat. Der 27- Jährige galt vielen eher als Sensibelchen, als jemand, der ein bisschen zu viel nachdenkt und extrem stimmungsabhängig ist. Das mit der Stimmungsabhängigkeit ist vermutlich gar nicht so verkehrt – nur dass Stocker im Moment ziemlich guter Stimmung ist. „Ich lache wieder mehr im Training“, hat er dem „Kicker“ gesagt. „Ich habe eine Phase, in der ich mir nicht so viele Gedanken um den Fußball mache. Das ist hilfreich.“

Die Folgen sind derzeit auf dem Fußballplatz zu beobachten. Beim Torschusstraining in dieser Woche flog er mit ausgestrecktem Bein durch die Luft, nahm den Ball perfekt an und schob ihn, nach der Landung, Torhüter Thomas Kraft durch die Beine ins Tor. Ähnlich spektakulär war sein Treffer vor einer Woche im Testspiel gegen RCD Mallorca. Aus dem Mittelfeld zog Stocker los, drei Gegenspieler ließ er stehen, unbeeindruckt von deren Grätschen und Störmanöver, und zu guter Letzt umkurvte er auch noch den Torhüter und schob den Ball aus spitzem Winkel über die Linie. „Stocki hat ein bisschen ein Zeichen gesetzt“, sagte Dardai nach dem Trainingslager auf Mallorca. Die Botschaft war deutlich: Da will es einer wissen. Und tatsächlich besitzt der Schweizer, der in der vergangenen Saison so gut wie gar keine Rolle gespielt hat, beste Chancen, am Sonntag gegen Bayer Leverkusen in der Startelf zu stehen.

Im Grunde muss Pal Dardai vor dem Bundesligaauftakt nur noch zwei Fragen beantworten. Erstens: Wen stellt er auf die offensiven Flügel, für die ihm mit Mitchell Weiser und Salomon Kalou die Stammbesetzung ausfällt? Und zweitens: Auf welcher Position spielt Niklas Stark: neben Sebastian Langkamp in der Innenverteidigung oder als Sechser neben Per Skjelbred? Während die Entscheidung, ob Dardai Fabian Lustenberger oder John Anthony Brooks für Stark auf der Bank lässt, eher ein Luxusproblem ist, ist die Besetzung der Außenbahnen womöglich essentiell für den weiteren Erfolg.

Kalou könnte wegen des Afrika-Cups bis Anfang Februar fehlen

Mit Weiser und Kalou fallen zwei prägende Figuren aus. Beide bereichern Herthas Spiel mit ihren überdurchschnittlichen Fähigkeiten: Weiser mit seiner Dynamik, seinem Spielwitz und seiner Durchsetzungskraft; Kalou durch seine Ballsicherheit, sein intuitives Spielverständnis und seine Effizienz vor dem Tor. Der eine – Weiser – ist Herthas bester Vorbereiter (vier Vorlagen), der andere – Kalou – der effektivste Torschütze (fünf Tore in nur neun Spielen).

Abhängig davon, wie die Elfenbeinküste beim Afrika-Cup abschneidet, könnte Kalou bis Anfang Februar fehlen. Weiser beginnt in der kommenden Woche mit dem Aufbautraining, wann er aber wieder ins Team zurückkehrt, ist nichts als Spekulation. Der U- 21-Nationalspieler leidet an einer Nervenirritation, die auf die Oberschenkelmuskulatur abstrahlt. Wenn er schmerzfrei ist, muss sein ganzer Körper erst wieder neu stabilisiert werden. „Das ist schon ein Verlust für uns“, sagt Herthas Manager Michael Preetz über Weisers Ausfall.

Nachdem Sinan Kurt sich am Sprunggelenk verletzt hat, kann Trainer Dardai noch aus drei Kandidaten für die beiden Positionen auswählen. Neben Stocker sind das Alexander Esswein und Genki Haraguchi – wobei nach Dardais Aussagen über Haraguchi eigentlich schon klar ist, wie die Entscheidung aussehen wird. „Momentan sehe ich nicht diese klaren, guten Spielzüge, die er Anfang der Saison gezeigt“, hat der Ungar über den Japaner gesagt. Der 25- Jährige ist in dieser Saison noch ohne Treffer und war seit dem zweiten Spieltag auch an keinem Tor mehr beteiligt. „Genki muss erst wieder seine Form finden“, sagt Dardai. Haraguchi sei ein bisschen übermotiviert, seitdem Hertha den Vertrag mit ihm verlängern will. „Motivation ist gut, Übermotivation ist ein schlechter Ratgeber.“

So wird es wohl auf die Kombination Esswein/Stocker hinauslaufen. „Mit Essi kann man gut kontern“, sagt Dardai. „Stocki ist torgefährlicher, er geht auf die zweiten Bälle, ist ein giftiger Junge und kann viele Standards für uns rausholen.“ Dass der Schweizer erste Option für die Außenbahn ist, ist mindestens eine kleine Überraschung. Eigentlich ist er Herthas Trainerteam für diese Position nicht dynamisch genug, weshalb er eher als Backup fürs zentrale offensive Mittelfeld geführt wurde. „Wenn er zentral spielt, kann er noch mehr Torgefahr ausüben, das ist besser für uns“, sagt Dardai.

Dass Stocker über Nacht zum Sprinter geworden ist, verneint Herthas Trainer. Dass er trotzdem außen spielen kann, liegt daran, dass sich Herthas Spiel geändert hat. „Ich spiele jetzt stärker auf Ballbesitz“, sagt Stocker. Er müsse nicht zwingend die Grundlinie attackieren, wie es auf der anderen Seite Alexander Esswein tut, erklärt Pal Dardai. „Wenn er nach innen dribbelt, kann er auch sehr wichtig sein für uns.“ So wie in seiner ersten Saison in Berin, als Valentin Stocker mit drei Toren und neun Vorlagen entscheidend zu Herthas Klassenerhalt beigetragen hat. Pal Dardai hat das nicht vergessen.

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