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Sport: Hertha BSC: Geballte Kunst

Er wusste genau, wo seine Frau und seine Tochter saßen. Also rannte Marcelo dos Santos Pareiba, kurz Marcelinho genannt, auf die Tribüne zu und tanzte mit Blickrichtung Familie im Duett mit Alex Alves spektakulär den Capoeira, jene Mischung aus Tanz und Kampfsport, mit denen Brasilianer ihre Tore zu feiern pflegen.

Er wusste genau, wo seine Frau und seine Tochter saßen. Also rannte Marcelo dos Santos Pareiba, kurz Marcelinho genannt, auf die Tribüne zu und tanzte mit Blickrichtung Familie im Duett mit Alex Alves spektakulär den Capoeira, jene Mischung aus Tanz und Kampfsport, mit denen Brasilianer ihre Tore zu feiern pflegen. Es war einer jener Momente, die bei einem Neuen besondere Glücksgefühle hervorrufen. Marcelinho zelebrierte sein "Traumtor" (Manager Dieter Hoeneß) im Dessauer Paul-Greifzu-Stadion. Ein Tor, das höchst sehenswert und in einer lange Zeit eher langweiligen Partie der Höhepunkt war. Was machte es, dass es sich nur um ein Spiel um den Ligapokal handelte. Am Ende durfte sich Marcelinho bei seinem ersten Pflichtspiel für Hertha BSC als der große Gewinner dieses Abends feiern. Und sich nach dem 2:1 gegen Bayer Leverkusen auf das Halbfinale am nächsten Mittwoch in Augsburg gegen die Bayern freuen.

Dieser Marcelinho ("Ich hätte eigentlich zwei Tore schießen müssen"), gerade mal 174 Zentimeter groß, ist auf dem besten Wege, zum Publikumsliebling zu avancieren. Weil er geballte Fußballkunst ist. Weil er Balltechnik par excellence vorführt, den Blick für die Situation hat, auch für seine Mitspieler, weil er mit kraftvollen Sprints und sehenswerten Schüssen beeindruckt. Und weil er sich auch nicht zu schade ist, nach einem verlorenen Zweikampf in eher untypischer brasilianischer Fußballart seinen Gegenspieler bis weit in die eigene Hälfte zu verfolgen.

Auch, weil Marcelinho weiß, was er sich und seinem Ruf schuldig ist. Auf dem Weg zu den Dessauer Kabinen kletterte er auf eine Brüstung, um Hände zu schütteln und Autogramme zu geben. Alles lächelnd, als gehe es zur weihnachtlichen Bescherung. "Marcelo ist ein unheimlich lockerer, sympathischer Typ", sagt sein Trainer Jürgen Röber. Und: "Bei der Integration gibt es überhaupt keine Probleme."

Da dachte er wohl auch an Alex Alves. Der brauchte Monate, um Anschluss zu finden. Und blieb dennoch vieles schuldig. Nun, da sein Landsmann da ist, blüht auch er auf. In Dessau brillierte Alves mit einem Solo, gefiel auch in vielen anderen Situationen. Vielleicht ist da auch das Gefühl, sich nicht mehr gehen lassen zu dürfen, weil sonst der Unterschied zu Marcelinho zu groß werden könnte. Der hat schließlich "nur" 14 Millionen gekostet, er selbst - Alves - aber 15,2. Alves weiß auch, dass er in Sachen eigener Präsentation noch Nachholbedarf hat. Längst gibt er sich nicht mehr so mürrisch wie noch vor Monaten. Wohl auch animiert durch Marcelinho, vom Typ ein ganz anderer. Und Alves weiß auch, dass seine Physis noch Wünsche offen lässt. "Wir müssen mit ihm nach dem Training immer noch laufen", sagt Röber, der ihn in Dessau nach einer guten Stunde vom Platz nahm. Da machte Alves nicht mehr den allerfrischesten Eindruck.

Dennoch, Röber kann nun für die Offensive wesentlich variabler planen. Vorn Alves und Michael Preetz, dahinter Marcelinho und Deisler - "damit können wir jede Abwehr knacken", glaubt Röber. Vielleicht schon am kommenden Mittwoch die des Meisters? "Mir ist auch vor Bayern München nicht bange", ließ Marcelinho nach dem Spiel dolmetschen. Sein Selbstvertrauen kommt nicht von ungefähr. Wie meinte Leverkusens Manager Reiner Calmund, der sich mit Brasilianern auskennt: "An Marcelinho wird die Bundesliga noch viel Freude haben."

Klaus Rocca

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