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Ob des Balls bester Freund, der technisch veranlagte Raffael (r.), in Aachen auflaufen kann, ist fraglich. Herthas Spielmacher konnte die Woche über nicht trainieren.

© dpa

Hertha BSC: Gegen die Skepsis

Hertha BSC spielt heute bei Alemania Aachen und muss beweisen, dass der Klub es ernst meint mit dem Aufstieg – denn die Berliner kassieren einfach zu viele Gegentore.

Die moderne Zeit ist ein wenig über Markus Babbel hinweggegangen, aber das ist nichts, was den Trainer von Hertha BSC irritiert. Babbel ist da seinem früheren Vorgesetzten Uli Hoeneß nicht unähnlich, der stolz darauf ist, noch nie in seinem Leben eine E-Mail geschrieben zu haben. Auch Babbel braucht die modernen Kommunkationssmittel nicht unbedingt. Er besitzt zwar einen Computer „aber den benutz’ ich sehr selten“.

In dieser Woche war das durchaus von Vorteil, denn wenn Babbel im Internet durch die Hertha-Fanforen gestöbert wäre, hätte er einiges lesen müssen, was ihm kaum gefallen hätte. Nach dem 2:2 des Berliner Fußball-Zweitligisten gegen Energie Cottbus war mal wieder Weltuntergang in Berlin. Das offiziell vermeldete Unentschieden muss eine Art optische Täuschung gewesen sein, in Wirklichkeit schien Hertha 0:5 verloren zu haben. Und der Aufstieg? Kannste sowieso vergessen!

„Das ist Berlin“, sagt Markus Babbel über den zyklisch wiederkehrenden Zustand allgemeiner Erregung. „Entweder ist alles überragend, oder man ist abgestiegen.“ Anfangs war Herthas Trainer etwas überrascht, wie schnell die Stimmung sich in der Stadt dreht; inzwischen nimmt er derartige Schwankungen hin wie einen Wetterumschwung. Überhaupt wird Herthas derzeitige Situation in der Binnensicht deutlich gelassener bewertet, als es das Umfeld tut. „Wir müssen uns keinen zusätzlichen Druck aufbauen“, sagt Stürmer Pierre-Michel Lasogga.

Die Berliner sind immer noch Tabellenführer, sie stellen die zweitbeste Mannschaft der Rückrunde – und doch hat das Spiel gegen Cottbus eher die Skepsis befördert als die Zuversicht. Der spielerisch dürftige Auftritt Herthas hat den guten Start in die zweite Hälfte der Saison ein wenig relativiert. Zehn Gegentore haben die Berliner in der Rückrunde schon kassiert; in der gesamten Vorrunde waren es nur dreizehn. Dabei waren die Gegner in diesem Jahr nur bedingt satisfaktionsfähig: Vier der sechs Klubs, gegen die Hertha in der Rückrunde gespielt hat, finden sich im unteren Drittel der Tabelle wieder. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die starken Gegner, die Konkurrenten im Kampf um den Aufstieg, kommen alle noch. 2011 haben die Berliner noch gegen keine Mannschaft gespielt, die unter den ersten sechs platziert ist. Trotzdem sagt Manager Michael Preetz: „Das bereitet mir keine Sorge.“

Hertha sieht das schwere Programm sogar als Vorteil. „Die Mannschaften, die unten stehen, bereiten uns am meisten Probleme“, sagt Lasogga. Die Mannschaften hingegen, die mehr übers Spielerische als das Kämpferische kommen, liegen Hertha nach eigener Einschätzung eher. „Dadurch bekommen wir mehr Raum und mehr Möglichkeiten nach vorne“, glaubt Trainer Babbel. Gegen starke Mannschaften „haben wir immer unsere besten Spiele abgeliefert“.

Wenn diese These stimmt, können sich die Berliner auf ihren heutigen Auftritt auf dem Aachener Tivoli freuen. Die Alemannia besitzt laut Babbel „sehr gute junge Einzelspieler, die auch als Team funktionieren.“ Die Ereignisse aus dem Hinspiel geben Babbel Recht. Damals empfing Hertha als ungeschlagener Tabellenführer den vermeintlichen Abstiegskandidaten Aachen – und erhielt eine Vorführung in modernem Fußball, die für den Favoriten mit einem glücklichen 0:0 endete.

Im Unterschied zur Selbsteinschätzung der Berliner bekommt Herthas Mannschaft immer dann Probleme, wenn sie auf einen gut organisierten Gegner trifft, der eine klare Spielidee besitzt, schnell und entschlossen nach vorne spielt. Das war nicht nur gegen Aachen so, sondern auch bei der Heimniederlage gegen Duisburg und am Montag gegen den FC Energie Cottbus. „ Spielauffassung und Organisation“, wie sie Cottbus’ Trainer Claus-Dieter Wollitz seinem Team bescheinigte, vermissen viele bei Hertha. Babbel setzt bei seiner Arbeit andere Schwerpunkte. Er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass es vor allem auf die Mentalität ankommt, die gepaart mit den individuellen Fähigkeiten in Herthas Mannschaft für den Wiederaufstieg reichen sollte.

Vielleicht denkt Herthas Trainer auch deshalb darüber nach, Patrick Ebert in Aachen zum ersten Mal nach seinem Kreuzbandriss wieder von Anfang an spielen zu lassen. Fußballerisch wäre es eine durchaus fragwürdige Entscheidung, das hat Ebert nach seiner Einwechslung gegen Cottbus gezeigt. Wie aufgedreht lief er über das Feld, angefeuert von den Fans in der Ostkurve, die den Mittelfeldspieler als einen der Ihren betrachten. Eberts Spiel kennt keine Mitte, es bewegt sich stets am Rande des Wahnsinns – gerade jetzt, da er es allen beweisen will.

Es wäre schon ein gewisses Zeichen, wenn Babbel meint, dass seine Mannschaft genau das jetzt braucht.

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