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HERTHA BSC HAT EINEN NEUEN TRAINER Lucien Favre stellt sich vor: Verliebt in Berlin

Der neue Coach hat Hertha schon zu trostlosen Zeiten gemocht – nun will er auch die Spieler begeistern

Berlin - Lucien Favre sagt: „Kann sein, dass es dieses Spiel war.“ Das Schlüsselerlebnis, mit dem die Liebe des Schweizer Fußballtrainers zu Hertha BSC begann, die in diesen Tagen mit der Unterzeichnung eines Dreijahresvertrag mündete.

Dieses Spiel.

Dritte Runde im Uefa-Cup. Hertha BSC gegen Servette Genf, trainiert von Lucien Favre. Am 6. Dezember 2001 im menschenleeren Olympiastadion. Es war kalt, die Berliner Fans langweilten sich und pfiffen, weil Hertha plan- und willenlos 0:3 verlor und wie so oft früh scheiterte im internationalen Geschäft.

Es gehört schon ein bisschen Masochismus dazu, sich in dieser Situation in Hertha BSC zu verlieben. Positiv ausgedrückt: Wer Hertha BSC damals schon anziehend fand, dem liegt wirklich etwas an dem Verein.

Gestern schaute Lucien Favre zu seinem Antrittsbesuch auf dem Trainingsgelände am Olympiastadion vorbei. Zwei Wochen nach dem letzten Spieltag einer Bundesligasaison, die für Hertha so unbefriedigend endete wie schon lange keine mehr. Dieter Hoeneß sitzt neben ihm, und als der Berliner Manager erzählt, dass der neue Trainer „hundertprozentig zu Hertha passt“, da lächelt Favre. Andere hätten das als Beleidigung gedeutet. Wer will schon hundertprozentig zu einen Klub passen, dessen Profis dem Trainer auf der Nase rumtanzen und ihr Potenzial bevorzugt im Nachtleben ausschöpfen. Favre sagt, er wisse, dass es da ein Problem mit der Disziplin gebe, aber genaue Expertisen könne er jetzt noch nicht erstellen. „Ich brauche ein bisschen Zeit, um die Mannschaft kennenzulernen.“

Nun ist es nicht so leicht, eine Mannschaft kennenzulernen, die nicht mehr im Spielbetrieb steht. Also ist er angewiesen auf die Meinung Dritter. Er hat sich mit dem Schweizer Ludovic Magnin vom VfB Stuttgart unterhalten und vielleicht auch mit dem Dortmunder Alexander Frei, der früher in Genf unter ihm gespielt hat, auch damals, bei diesem Spiel. Über neue Spieler und die Zusammensetzung des Kaders will Favre in den kommenden Wochen entscheiden. „Wir haben Zeit bis zum Ende der Transferperiode am 31. August“, sagt Dieter Hoeneß.

Favre kommt aus der Westschweiz, seine Muttersprache ist Französisch und sein Deutsch doch sehr viel besser als das des Holländers Huub Stevens, der Hertha auch mal betreut hat. Mit jeder Minute, die er über Berlin plaudert und „die neue Challenge“ nach zuletzt zwei Meisterschaften mit dem FC Zürich, fließen die Worte flüssiger, er betont sie auf der ersten Silbe, was ihnen im Zusammenspiel mit dem französischen Akzent besonderen Charme verleiht.

Michael Preetz ist zufrieden mit dem, was er da hört. Der Leiter von Herthas Lizenzspielerabteilung war 2001 noch als Stürmer dabei, bei diesem Spiel, dem Rencontre der Kombattanten aus Berlin und Genf. Er hat die 0:3-Niederlage in Berlin mitgemacht und das 0:0 im Hinspiel, als der als Offensiv-Fanatiker angepriesene Favre zehn Genfer in die eigene Spielhälfte beordert hatte. „Tatsache ist, dass damals die schlechtere Mannschaft die weitaus bessere ausgeschaltet hat“, sagt Preetz. „Das spricht erstens für Lucien Favre und zweitens für unsere Wahl. Glauben Sie mir: Wir werden in der nächsten Saison sehr viel mehr offensive Spiele von Hertha zu sehen bekommen als in der Vergangenheit.“

Lucien Favre lächelt milde und sagt: „Meine Mannschaften spielen offensiv, aber kontrolliert.“

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