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Hertha

© dpa

Hertha BSC: Inkubationszeit abgeschlossen

Der Sieg in Leverkusen bestärkt den Glauben bei Hertha, dass sich das Team nun endlich weiterentwickelt.

Berlin - Lucien Favre nutzte die Gelegenheit, um ein paar Korrekturen auf den Weg zu bringen. Der Trainer von Hertha BSC hatte Gojko Kacar an den Rand seiner Coaching-Zone befohlen. Favre nahm seinen Block zur Hand und zeigte dem Serben Schwarz auf Weiß, was es noch zu verbessern gälte. Die Unterredung dauerte erstaunlich lange. Beinahe hätten Favre und Kacar die Fortsetzung des Spiels verpasst. Dass Sofian Chahed zur Ausführung eines Elfmeters für den Berliner Fußball-Bundesligisten bereitstand, schien dessen Trainer nicht weiter zu interessieren. Stetiger Fortschritt ist ihm wichtiger als das nackte Ergebnis. 2:1 (1:0) gewann Hertha BSC bei Bayer Leverkusen, Lucien Favre aber klagte nach dem Spiel über „zu viele Ballverluste, zu viele technische Defizite: Wir haben noch viel zu tun.“ Der Schweizer ist nun mal ein Perfektionist. „Das ist nicht perfektionistisch“, sagte Favre. „Das ist realistisch.“

In den vergangenen Wochen haben die Berliner sehr viel dürftigere Spiele abgeliefert, und trotzdem waren sie im öffentlichen Urteil ihres Trainers wesentlich besser weggekommen. Der Auftritt in Leverkusen war alles in allem der vermutlich beste in dieser Saison: Das Ergebnis stimmte, die Entschlossenheit im Spiel nach vorne, die Konzentration in der Defensive und auch die Konstanz, die der Mannschaft bisher nur selten über die komplette Spieldauer gefunden hatte. Meist spielte sie nur eine Halbzeit gut, gegen Leverkusen hatte sie neunundachtzig Minuten und neun Sekunden lang alles unter Kontrolle, ehe es nach Steve von Bergens Eigentor noch einmal spannend wurde.

„Das war ein gutes Zeichen der Mannschaft“, sagte Managerassistent Michael Preetz. Zuletzt hatte Herthas sportliche Leitung immer wieder auf die positive Entwicklung des Teams verwiesen. Was angesichts der mäßigen Resultate wie Schönfärberei wirkte, scheint sich nun zu bewahrheiten. Es ist, als würde die Entwicklung nach einer langen Inkubationszeit nun richtig durchschlagen. Bestes Beispiel ist der Pole Lukasz Piszczek, der ohne Zweifel über gute Ansätze verfügte, das nächste spielerische Level aber bisher nie erreicht hat. Das ändert sich gerade.

Im vergangenen Herbst noch hat Lucien Favre zu Leverkusens Trainer Michael Skibbe gesagt: „So, wie deine Mannschaft Fußball spielt, gegen den Ball, wie sie umschaltet – das ist super.“ Bayer stand für all das, was Herthas Trainer bei seiner Mannschaft vermisste. Doch die Leverkusener sind längst nicht mehr das Ziel für Favres Sehnsüchte. Die Mannschaft schleppt sich gerade müde Richtung Ziel. Seit der Niederlage bei den Bayern vor anderthalb Monaten ist sie nie mehr richtig auf die Beine gekommen. Von den vergangenen acht Spielen hat Leverkusen nur eins gewonnen. „Viele Spieler pfeifen aus dem letzten Loch“, sagte Bayers Sportdirektor Rudi Völler.

Noch in der Hinrunde hatte Hertha im eigenen Stadion 0:3 gegen Bayer verloren. „Sie waren in allem besser als wir“, sagte Herthas Verteidiger Steve von Bergen. „Aber heute haben wir nicht gegen dasselbe Leverkusen gespielt wie in der Hinrunde.“ Und Leverkusen nicht gegen dieselbe Hertha. Es ist nicht so, dass die Berliner im selben Maße gewachsen sind, wie Bayer geschrumpft ist; angesichts des rapiden Verfalls der Leverkusener wäre das auch kaum möglich. Aber Favres Mannschaft hat sich unübersehbar verbessert. „Hertha hat uns ein paar Mal vorgemacht, wie man schnell und unbekümmert nach vorne spielt“, sagte Leverkusens Trainer Skibbe. Die Berliner traten mit einer flexiblen Grundordnung auf, das System schwankte je nach den aktuellen Anforderungen zwischen 4-2-3-1, 4-4-2 und 4-3-3 – damit kamen die Leverkusener, wie mit so vielem, überhaupt nicht zurecht.

Hertha gewann das Spiel im Mittelfeld, wo Gojko Kacar und Mineiro als unerbittliche Balleintreiber auftraten; auch Raffael störte immer wieder den Aufbau der Leverkusener. „Wer hat nicht hinten verteidigt?“, fragte Steve von Bergen. „Niemand.“ Bei allen technischen Fehlern im Spielaufbau – die defensive Abstimmung der Mannschaft hat sich deutlich verbessert. „Sie hat wenig taktische Fehler gemacht und den Leverkusenern keine Lücke gelassen“, sagte Trainer Favre. Die Spieler attackieren den Gegner gemeinsam, sie helfen sich gegenseitig, und daraus entsteht die defensive Sicherheit, die die Basis für das Spiel nach vorne ist. „Wir konnten ein bisschen mehr spielen“, sagte Steve von Bergen. „Das macht Spaß.“

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