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Julian Schieber, 25, ist Schwabe, der Fische hält und für Stuttgart und Dortmund in der Champions League spielte. Weil er dort zu selten zum Einsatz kam, wechselte er im Sommer 2014 zu Hertha BSC. Für die Berliner erzielte er in elf Bundesligaspielen sechs Tore.

© dpa

Hertha BSC: Julian Schieber: „Bei Hertha muss ich nicht träumen“

Hertha-Stürmer Julian Schieber spricht im Interview über die Unterschiede zu Borussia Dortmund, das Zusammenspiel mit Salomon Kalou und seine Fische.

Herr Schieber, was geben Ihnen Fische?

Das fängt ja gut an. Die Fische-Frage. Das ist mein privates Hobby, seit Kindheit. Ich mag die Ruhe beim Betrachten, ich mag ihre Farben. Sie haben ihre eigene Welt, die fasziniert mich. Jetzt mussten sie eine Woche ohne mich auskommen. Meine Freundin war gerade in Nürnberg und ich in Belek. Ich hoffe mal, dass sie alle noch schwimmen, wenn ich wieder nach Hause komme.

Wie viele Fische haben Sie denn?
Ach, ich habe nur ein kleines Aquarium, alles andere wäre unpraktisch durch die Umzieherei als Fußballer. Ich habe vielleicht zwanzig Fische – Süßwasserfische.

Haben die alle Namen?
Wer, die Fische? Nein, wo denken Sie hin?

Kennen Sie eigentlich noch einen anderen Fußballer, der Fische hat?
Gute Frage, muss mal kurz überlegen. Hm, so weit ich weiß, bin ich wohl der einzige. Ich habe jedenfalls noch keinen gefunden in meinen Vereinen, mit denen ich dieses Hobby teilen konnte.

Dann gehen Sie im Urlaub bestimmt auch Tauchen, oder?
Sie werden lachen, nein. Ich gehe gelegentlich Schnorcheln, aber fürs Tauchen braucht man eine Ausbildung, dafür hatte ich noch keine Zeit.

Dafür sind Sie als Fußballer wieder aufgetaucht – von der Ersatzbank Borussia Dortmunds auf die Bühne Bundesliga in Berlin?
Gutes Bild. Das habe ich so zwar nie empfunden, aber da ist etwas dran.

Sie galten vielen als versteckt, als abgetaucht beim BVB. Sie haben kaum gespielt und wenn, dann kamen Sie für die letzten paar Minuten, wenn nichts mehr ging.
Wenn Sie es so sehen wollen, ja. Es war schon so, dass meine Einsatzzeit in Dortmund sehr gering war. Das war für mich alles andere als zufriedenstellend. Mit dem Wechsel nach Berlin habe ich mein neues Glück gefunden, ich finde als Spieler auf dem Platz statt, stehe mehr in der Verantwortung, und ich habe wieder das Gefühl, gebraucht zu werden. Bei Hertha musst du dich jede Woche mit deiner Leistung voll reinhängen, es geht für uns um jeden Punkt.

Sie waren zwei Jahre bei einem der aufregendsten Vereine. Wann kippt das Verhältnis zu einem Arbeitgeber, also wann wird aus Stolz, Teil dieser prominenten Gruppe zu sein, Enttäuschung, doch nur Randfigur zu sein?
Genau diese Überlegung musste ich irgendwann für mich anstellen. Schon die erste Saison lief nicht so super für mich von den Spielanteilen. Nach dem ersten Jahr wollten mich schon einige Vereine abwerben, aber da wollte ich mich bei der Borussia unbedingt durchbeißen. Aber wenn du dann zu wenig Chancen bekommst, dich auch im Wettkampf zu zeigen, fühlt es sich nicht mehr so gut an. So gut beim BVB die Beziehungen untereinander und die Bedingungen ringsum auch waren: Ich wollte, ich musste mich verändern.

Sie spielten mit dem VfB Stuttgart in der Champions League und galten spätestens mit Ihrem Wechsel nach Dortmund als kommende nationale Größe im Sturm. Sehen Sie sich als gescheitert?
Was heißt gescheitert? Als mich Jürgen Klopp damals persönlich anrief und um mich warb, war ich geschmeichelt. Dortmund war gerade das erste Mal Doublesieger geworden, ich sah für mich eine unheimliche Chance, mich bei so einem Verein entwickeln zu können. Jeden Tag, den ich mit dieser Mannschaft trainieren durfte, empfand ich als Geschenk. Und ich empfinde es heute nicht als Schande, dass ich mich gegen Robert Lewandowski nicht durchsetzen konnte. Welcher Stürmer kann das?

Der nun aber nicht mehr in Dortmund ist, sondern beim FC Bayern spielt…
Richtig, aber das zeigt ja seine Ausnahmestellung. Denn die sieht man umso mehr, wenn man beobachtet, wie schwer sich Borussia Dortmund tut, diese Lücke zu füllen. Ich habe in meiner Karriere keinen besseren Spieler gesehen. Robert war körperlich und mental überragend, er war nie verletzt und hat immer seine Leistung gebracht. Da ist es natürlich für jeden Stürmer schwer, dran vorbeizukommen.

Und jetzt spielen Sie bei Hertha, einem Verein, der sich mit Dortmund nicht vergleichen kann. Empfinden Sie Ihren Wechsel als Rückschritt?
Überhaupt nicht. Wenn, dann bin ich maximal zur Seite getreten. Ich sehe Hertha als einen aufsteigenden Verein. Ich kann heute schon sagen, dass es genau die richtige Entscheidung war. Aber klar, es gibt Unterschiede. Schon allein darin, was diese beiden Vereine erreichen wollen. Hertha will sich etablieren und einen Platz im gesicherten Mittelfeld der Liga anstreben. Hertha ist ein Verein, der sich künftig besserstellen will. In Dortmund geht es um Titel. Das wird nach außen so zwar nie kommuniziert, aber intern geht es schon darum. Dortmund will in allen Wettbewerben lange vorne mitspielen: in der Liga, im Pokal und in der Champions League. Aber in Berlin kann ich mich zeigen, Hertha passt zu mir.

Weil alles eine Nummer kleiner ist?
Ich höre doch auch die Leute, wie sie reden, und lese, was in den Foren geschrieben steht. Na klar kann man sagen, der Schieber ist in Dortmund gescheitert, kein Problem. Ja, ich habe in Dortmund nicht den Durchbruch geschafft. Vielleicht war das Niveau dort ein Stückchen zu hoch für mich, es hat nicht ganz gereicht. Gut. Also habe ich einen anderen Weg eingeschlagen, der nicht schlechter ist. Bei Hertha fehlen die ganz großen Stars, dafür kommt es mehr aufs Team an. Und ich habe mich immer als Teamplayer verstanden, der über die Arbeit und den Kampf ins Spiel findet und Tore macht.

Aber das Eingeständnis, dass es vielleicht nicht gereicht hat für ganz oben, muss einem Leistungssportler doch zu schaffen machen. Wie war es bei Ihnen?
Na klar arbeitet so etwas in einem. Aber das bedeutet ja nicht gleich das Ende aller Träume. Bei Hertha muss ich nicht träumen, sondern kann mit anpacken.

Was aber auch nicht so feststand. Kaum dass Sie in Berlin waren, wurde Ihnen auch hier ein großer Name vor die Nase gesetzt: Salomon Kalou, der mit dem FC Chelsea die Champions League gewonnen hat.
Also erst einmal haben zwei gute Stürmer den Verein verlassen, Adrian Ramos und Pierre-Michel Lasogga. Und klar ist auch, dass Stürmer überall an Toren gemessen werden. Das ist unser Berufsrisiko. Dass ein anderer Stürmer, ein prominenter, kommen würde, war mir immer gesagt worden. Nur der Name fehlte. Für mich war das schon deshalb kein Problem, weil der Trainer mir immer signalisierte, es gehe bei ihm nach Leistung und nicht nach Namen.

Ihre Quote stimmt. Sie haben in elf Spielen sechs Tore erzielt, mehr als Ihre Sturm-Konkurrenten. Trauen Sie dem Frieden?
Wenn Sie meinen, dass ich mich nun als gesetzt sehe, dann widerspreche ich Ihnen. Gesetzt ist man nie. Und das ist auch richtig so, denn es hält die mentale Spannung hoch. Gesetzt wirst du jedes Mal neu, du bist es auch erst dann, wenn du am Wochenende auf dem Platz stehst. Dann kommt wieder eine neue Woche, alles fängt von vorn an.

Ihr Trainer Jos Luhukay schätzt Ihre Spielweise, wie er unlängst sagte. Sie seien aus der Mannschaft nicht wegzudenken.
Das höre ich gern, bilde mir aber nichts darauf ein. Salomon und ich sind ganz andere Stürmertypen. Ich könnte mir gut vorstellen, mit ihm zusammen auf dem Platz zu stehen. Nur ließen es die Gegebenheiten in der Hinrunde nicht zu. Ich war mal für ein paar Wochen verletzt und Salomon oft zu Länderspieleinsätzen in Afrika. Außerdem zeigte uns die Hinrunde, dass wir erst einmal defensiv stabiler werden mussten. Also keine Zeit, mal etwas anderes auszuprobieren. Aber das kann ja noch kommen.

Vor allem sollten mehr für Sie verwertbare Bälle in den Strafraum kommen, damit Sie Ihre Qualitäten einbringen können.

Das stimmt nun wirklich, es könnten gern noch mehr kommen. Daran arbeiten wir ja gerade. Unsere Chancenauswertung klingt gar nicht so schlecht, aber wenn wir mehr Torchancen kreieren würden, könnten wir ein paar Punkte mehr sammeln. Und das werden wir. Ich sehe meine Mannschaft jeden Tag, das Zeug dazu steckt in dieser Mannschaft. Wissen Sie, und das habe ich in Dortmund gelernt, es gibt keine Zufriedenheit. Jürgen Klopp hat vor den Spielen manchmal gesagt: Leute, spielt, als wenn es euer letztes Spiel wäre. Haut alles raus. Recht hat er.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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