zum Hauptinhalt

Hertha BSC: Junge Strategen

Hertha-Trainer Lucien Favre baut auf Spieler wie Kacar und Lustenberger. Beide stehen für den Umbruch bei Hertha BSC. Für die Hoffnungen, aber auch die Unwägbarkeiten, mit denen dieses Projekt verbunden ist.

Berlin - Heute also gegen Bielefeld. Wo immer das auch liegt, wer immer da auch spielt, „der Trainer wird uns schon erzählen, auf wen wir aufpassen müssen“, sagt Gojko Kacar. Fußball ist ein einfaches Spiel, elf gegen elf auf einer grünen Wiese, in Deutschland wie in Serbien, wo Kacar gespielt hat, bevor er Ende Januar nach Berlin gekommen ist. Heute wird er gegen Arminia Bielefeld sein drittes Bundesligaspiel machen (15.30 Uhr, Olympiastadion).

Fabian Lustenberger hat schon zehn davon in den Beinen und dabei sogar ein Tor geschossen, der Schweizer ist ja auch schon ein paar Monate länger in Berlin als der Wintereinkauf aus Novi Sad. Beide, Fabian Lustenberger und Gojko Kacar, stehen für den Umbruch bei Hertha BSC. Für die neue Mannschaft, die Lucien Favre in Berlin zusammenbastelt. Für die Hoffnungen, aber auch die Unwägbarkeiten, mit denen dieses Projekt verbunden ist.

Gojko Kacar ist gerade 21 Jahre alt geworden und gilt als das größte Talent des serbischen Fußballs. Beim kläglichen 0:3 zum Rückrundenauftakt gegen Eintracht Frankfurt lief er gut eine Stunde hinterher, bis Favre ein Einsehen hatte und ihn vom Platz nahm. Der 19-jährige Lustenberger, den der Trainer gern als Investition für die Zukunft bezeichnet, durfte gar nicht erst mitmachen. Eine Woche später vertraute Favre den beiden Nachwuchsleuten im Spiel beim VfB Stuttgart die strategischen Positionen im defensiven Mittelfeld an. Nach dem Spiel sprach der Trainer von einer Intuition, die ihn vor dem Spiel ereilt habe. Kacar und Lustenberger setzen das von Favre geforderte Prinzip der Balleroberung und vertikalen Spieleröffnung so gut um, dass der Deutsche Meister von der ersten Minute an nie ins Spiel fand. Herthas 3:1-Sieg fiel in dieser Höhe eher noch zu knapp aus.

Es sind Spiele wie dieses in Stuttgart, nach denen der Berliner Fan gern die Geduld aufbringt, die Lucien Favre für den Umbau seiner Mannschaft einfordert.

Fabian Lustenberger sagt, er habe schon vor dem Spiel in der Kabine gespürt, dass etwas anders sei, „es lag eine besondere Atmosphäre in der Luft, die kannst du nicht beschreiben, aber man hat gemerkt, dass wir bereit waren für ein großes Spiel“. Dann kam der erste Zweikampf, ein Kopfballduell mit dem bulligen Stuttgarter Thomas Hitzlsperger. Der eher zartgliedrige Berliner hat es gewonnen. Danach lief alles wie von selbst. Lustenberger gewann fast jeden Zweikampf, er leistete sich auch im Spiel nach vorn keine Fehler und hätte vielleicht zum zweiten Mal in dieser Saison die kompletten 90 Minuten gespielt, wäre da nicht diese eine unglückliche Grätsche gegen Roberto Hilbert gewesen. „Meine Schuld, ich habe ihn am Knie getroffen“, und zwar mit dem Schienbein. Hilbert spielte weiter, Lustenberger musste zur Halbzeit mit einer Schienbeinprellung raus.

Gojko Kacar blieb wie gegen Frankfurt eine gute Stunde auf dem Platz, doch darin erschöpft sich schon der Vorrat an Parallelen zum missratenen Debüt. Der Serbe zeigte ein großartiges Spiel, immer anspielbereit, und was er in der Offensive zu leisten vermag, zeigte er schon nach ein paar Minuten beim Berliner Führungstor. Auf den ersten Blick sah es nach einem technischen Fehler aus, als Kacar nach einem langen Pass von Rudolf Skacel das Tempo aus dem Spiel nahm. Dieser eine langsame Schritt aber brachte die gesamte Stuttgarter Abwehr aus dem Rhythmus, Kacar legte den Ball in den Lauf seines Landsmannes Marko Pantelic, der zum 1:0 traf. Besser hätte man diese Situation kaum lösen können.

Lucien Favres System steht und fällt mit den strategischen Positionen im zentralen Mittelfeld. Dafür braucht er intelligente Spieler. Und jung müssen sie sein, damit er sie noch nach seinen Vorstellungen formen kann. Ganz so, wie Arsene Wenger das in London macht. 2003 holte der französische Fußballlehrer einen 16-jährigen Katalanen zum FC Arsenal, um ihn zum Nachfolger des Weltstars Patrick Vieira aufzubauen. Heute ist dieser Cesc Fabregas selbst ein Weltstar und Arsenal spielt den aufregendsten Fußball der gesamen Premier League.

Wenger ist Favres Vorbild. Der Schweizer versucht es bei Hertha im Kleinen. Mit Leuten wie Gojko Kacar. Der Serbe, mit 20 Jahren als defensiver Mittelfeldspieler schon der erfolgreichste Torschütze seines Klubs Vojvodina Novi Sad, soll auch bei europäischen Topklubs auf der Liste gestanden haben. Hertha investierte drei Millionen Euro, um ihn nach Berlin zu holen. Und für Lustenberger hatte sich Favre schon interessiert, als er noch beim FC Zürich die Kommandos gegeben hat. Dann wechselte Favre spontan nach Berlin, und der erste Transfer, zu dem er Herthas Manager Dieter Hoeneß überredete, war der von Fabian Lustenberger. Der Schweizer U-21-Nationalspieler war Hertha 1,5 Millionen Euro Ablöse an den FC Luzern und einen Fünfjahresvertrag wert.

Lustenberger sagt, wenn man ihn denn fragte, würde er gern offensiver spielen. Gleich hinter den Spitzen, wie er es in Luzern unter Trainer Ciriaco Sforza durfte. Wenn er in Barcelona die Strategen Xavi und Iniesta sieht oder deren Landsmann Fabregas beim FC Arsenal, dann geht ihm das Herz auf. „Das ist moderner Fußball, schnell und intelligent.“ Lucien Favre hat einmal anklingen lassen, dass ihm so etwas auch für Berlin vorschwebe, was ihm nach schlechten Spielen wie gegen Frankfurt als Anmaßung ausgelegt wird. Und nach guten wie in Stuttgart zumindest vorstellbar ist.

„Glauben sie bloß nicht, dass wir im Training nur über Philosophie reden“, sagt Fabian Lustenberger. „Bei den Übungen im Training merkt jeder, was der Trainer will. Da muss der gar nicht viel erzählen.“ Sein erstes Jahr in Berlin begreift er vor allem als Lehrzeit – „und ich habe einiges gelernt“. Die Schienbeinprellung aus Stuttgart ist auskuriert. „Fabian ist bereit für das Spiel gegen Bielefeld“, sagt Favre.

Wie Lustenberger hat auch Gojko Kacar die Woche über nur leicht trainiert. Die Waden schmerzen. Nein, kein Souvenir aus Stuttgart, sondern Folge des täglichen Arbeitspensums in Berlin. Kacar trainiert erst seit drei Wochen mit der Mannschaft, „ich bin noch nicht bei 100 Prozent, aber es wird jeden Tag besser“. Natürlich sei das Tempo höher als in Serbien, „aber ich habe gemerkt, dass ich mithalten kann, dass ich mich vor keinem verstecken muss“. Natürlich wird er heute auflaufen. Gegen Bielefeld, wer immer da auch spielt, der Trainer wird ihnen schon sagen, auf wen sie achten müssen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false