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Sport: Hertha BSC - Köln: Versöhnung per Anweisung

Dieter Hoeneß wedelte mit ausgebreiteten Armen. Ziel war es, die Fußballspieler von Hertha BSC daran zu hindern, grußlos unter die Dusche zu verschwinden.

Dieter Hoeneß wedelte mit ausgebreiteten Armen. Ziel war es, die Fußballspieler von Hertha BSC daran zu hindern, grußlos unter die Dusche zu verschwinden. Hoeneß hatte tüchtig zu tun. Freiwillig wollte sich kein Spieler bei den Fans bedanken gehen. Im Stile eines Torhüters, der in Erwartung eines kommenden Balles leicht in der Kniebeuge kauert, steppte er mal nach links, dann wieder nach rechts. Zum Thema Fotostrecke I: Hertha Backstage Fotostrecke II: Die Bilder der Saison 01/02 Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Der Vereinsmanager musste seine körperlichen Bemühungen sogar verbal unterstützen. Leider war es bis hinauf auf die Ränge nicht zu vernehmen, was er genau sagte, aber es müssen deutliche Worte gewesen sein. Sämtliche Spieler aus der näheren Umgebung des Managers hatten keine Chance. Sie machten also kehrt, trabten zurück in den Mittelkreis, hoben ihre Arme über den Kopf und brachten sie im Zenit rhythmisch zusammen. Zweimal, dreimal. Mehr gelangweilt. Auf Anweisung des Vorgesetzten eben. Die hoch bezahlten Spieler drehten sich ein paar Mal um ihre eigene Achse. Dann waren alle nur noch erleichtert.

Das wäre ja das Allerdümmste gewesen, wenn sich die Spieler von Hertha BSC nach dem 3:0-Sieg über den 1. FC Köln bockig gezeigt und das dünne Bändchen, das auf einen offenen Brief der Mannschaft an die Fans hin gesponnen worden war, gedankenlos überdehnt hätten. Unter der Woche war es nämlich noch so, dass die Fans, so sie überhaupt noch im Stadion erschienen waren, entweder aus Protest zu den Leistungen mit dem Rücken zum Spielfeld standen oder aber laufhals pfiffen. Nicht zum Allerbesten war es bestellt um das Verhältnis zwischen Hertha BSC und seinen Fans. Im Schreiben vom vergangenen Donnerstag hatte sich die Mannschaft von "Beschimpfungen und Schmährufen" distanziert und Solidarität eingefordert.

Und so kam es. Die Zuschauer ließen Gnade walten und feuerten ihre Mannschaft immer dann an, wenn sie ihrerseits auf dem Rasen um Besserung besonders bemüht war. Schließlich gelang es ihr, in einem Mix aus Einsatzbereitschaft, Geschick und Glück gegen einen schwachen 1. FC Köln zu gewinnen. Am Ende klatschten die Fans sogar, in die Kurve ging trotzdem kein Spieler. Was nicht daran gelegen haben dürfte, dass der einst mächtige Fanblock wegen der Umbaumaßnahmen im Olympiastadion in zwei Teile gesprengt ist und sich keiner der Spieler entscheiden mochte.

"Das Spiel gegen Westerlo war der spielerische Tiefpunkt, die Stimmung nahe am Gefrierpunkt", sagte Mannschaftskapitän Michael Preetz nach dem Erfolgserlebnis. Hertha holte drei wichtige Punkte im Kampf darum, wieder etwas ernster genommen zu werden von der Konkurrenz. Zudem dürften die kommenden Tage rings um die Bundesligapause wegen des Länderspiels am kommenden Sonnabend ein wenig geruhsamer ausfallen. Aber da, wo Hertha zu diesem Zeitpunkt der Saison eingentlich hatte stehen wollen, ist der Verein lange nicht.

Ähnlich weit entfernt ist die Mannschaft von jener psychischen Stabilität, die einen erneuten Rückfall verhindern hilft. Die Unsicherheit und die Angst vor dem Versagen werden demnächst wieder mit auflaufen. Ob sie Oberhand gewinnen - wer weiß. So einfach sind sie nicht abzulegen. Am Freitag vor dem Spiel hatte sich die Mannschaft Entspannung selbst verordnet, um möglichst restlos die Kritik der Fans und der Medien zu verdauen. Klimabildende Maßnahmen (Kino, Essen, lange Gespräche, Hotelwechsel) wurden unternommen. Es hat geholfen, doch wie lange. "Das war ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der die Situation hoffentlich zum Positiven wendet", sagte Hoeneß. Lange schon hat man den 47-Jährigen nicht mehr so defensiv formulieren gehört. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht übertreiben. Das war ein Spiel, das wir gewonnen haben."

Trainer Jürgen Röber will immerhin "ansatzweise" richtigen Fußball gesehen haben, was vor allem am Mitwirken Sebastian Deislers lag. Als der junge deutsche Nationalspieler nach gut einer gespielten Stunde verletzungsbedingt vom Platz genommen wurde, wurde es noch einmal brenzlig. Die Unsicherheit griff wieder um sich. Gut, dass der 1. FC Köln keinen wie Deisler in seinen Reihen hat, wird sich wohl auch Herthas Trainer gedacht haben. "Die Mannschaft hat sich gewehrt. Es war ein Aufwärtstrend zu erkennen. Jetzt haben wir uns ein bisschen Ruhe verdient." Vor allem für den Kopf wäre das wichtig, "denn die letzten Tage waren nicht so leicht für uns". Röber wird erst am Mittwoch wieder seine Spieler zum Training bitten. Sonnabend in einer Woche muss Hertha zum Hamburger SV. Dort haben sie bereits vor einer Woche die Nerven verloren und ihren Trainer rausgeschmissen.

Die Kritik, die sich in den vergangenen Tagen gegen seine Person richtete, habe Röber überhaupt nicht interessiert. "Ich wäre auch froh, wenn ich auf den Platz gehen und ein bisschen den Frust ablaufen könnte." Spätestens dann würde ihn Dieter Hoeneß wieder einfangen.

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