zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: "Mich kann nichts mehr erschrecken"

Falko Götz (39) löste vor zweieinhalb Wochen Jürgen Röber als Trainer bei Hertha BSC ab. Der frühere Bundesligaspieler (Köln, Leverkusen) war zuvor Amateur- und Jugenkoordinator bei dem Berliner Fußball-Bundeligisten.

Falko Götz (39) löste vor zweieinhalb Wochen Jürgen Röber als Trainer bei Hertha BSC ab. Der frühere Bundesligaspieler (Köln, Leverkusen) war zuvor Amateur- und Jugenkoordinator bei dem Berliner Fußball-Bundeligisten. In der kommenden Saison wird Götz dem Holländer Huub Stevens als Cheftrainer weichen.

Herr Götz, sind Sie eigentlich böse auf Ihre Spieler? f

Wieso sollte ich?

Die Mannschaft zeigt jetzt Charakter. Unter Ihrem Kollegen Jürgen Röber hat sie das zuletzt nicht getan.

Da machen Sie es sich ein bisschen zu einfach. Die Mannschaft hat mit Sicherheit nicht absichtlich gegen Jürgen Röber gespielt. Viele Spieler werden auch im kommenden Jahr noch für Hertha spielen, die können sich das gar nicht leisten, sich gehen zu lassen.

Erklären Sie uns mal das Phänomen, dass die Mannschaft zuletzt unter Jürgen Röber trotzdem weder gut noch erfolgreich gespielt hat.

Zum Thema Fotostrecke I: Bilder der Saison 01/02 Fotostrecke II: Hertha Backstage Bundesliga aktuell: Ergebnisse und Tabellen Bundesliga-Tippspiel: Das interaktive Fußball-Toto von meinberlin.de Vielleicht brauchte die Mannschaft einfach mal ein neues Gesicht. Ich habe versucht, den Spielern die alten Ziele neu zu erklären, und ich habe dabei eine ganz neue Form der Ansprache gewählt, um wieder Leidenschaften zu wecken. Natürlich schleifen sich bestimmte Dinge ab, wiederholt sich manches. Deshalb finde ich es bewundernswert, dass Jürgen Röber es bis zuletzt geschafft hat, immer wieder nah an der Mannschaft zu sein und immer wieder den richtigen Punkt zu treffen.

Haben Sie seit Ihrem Amtsantritt schon mit ihm gesprochen?

Nein, noch nicht. Er hat sich auch erst einmal seine Ruhe verdient. Wir werden bestimmt wieder Kontakt zueinander haben. Das war immer so, seitdem wir in den Achtzigerjahren zusammen bei Bayer Leverkusen gespielt haben.

Als das Angebot kam, Cheftrainer zu werden, haben Sie da erst einmal gezögert?

Nein, wieso? Für mich ist das doch eine Riesenchance und ein großer Vertrauensbeweis des Vereins.

Sie wollen also nach dem 1. Juli nicht wieder Amateur- und Jugendkoordinator werden?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Alles, was kommt, wird kommen. Ich habe jedenfalls keine Zukunftsängste.

Aber Sie sind als Bundesligatrainer schon ein bisschen auf den Geschmack gekommen?

Na klar, der Job macht mir Spaß. Ich würde lügen, wenn ich was anderes sagen würde. Ich bin gerne Trainer.

Gibt es jemanden, der Sie besonders geprägt hat?

Dettmar Cramer, mein erster Trainer in der Bundesliga, hat eine wichtige Rolle gespielt. Mit seiner menschlichen Art war er hauptsächlich dafür verantwortlich, dass ich damals nach Leverkusen gegangen bin. Fachlich halte ich den jungen Christoph Daum aus meiner Zeit beim 1. FC Köln für einen ausgezeichneten Trainer. Daum hat sehr akribisch gearbeitet, hat immer versucht, eigene Konzepte, eigene Systeme zu entwickeln. Das hat mich schon beeindruckt. Aber menschlich liegen wir nicht unbedingt auf einer Wellenlänge.

Manager Dieter Hoeneß hat gesagt, dass Sie ihn durch eine perfekte Analyse der Situation bei Hertha überzeugt haben. Was haben Sie ihm denn gesagt?

Sie haben die Spiele in diesem Jahr doch auch gesehen.

Aber nicht Ihre Analyse gehört.

Wenn man sich die Spiele von der Tribüne ansieht, sieht man Dinge, die man vom Spielfeldrand vielleicht nicht sieht. Genau diese Beobachtungen habe ich Dieter Hoeneß geschildert. Und meine Vorschläge, wo man ansetzen müsste, um wieder zu vernünftigen Ergebnissen zu kommen.

Wie viel Psychologie ist dabei?

Viel.

Dazu gehört dann auch, dass Sie einen Spieler wie Rob Maas, der unter Röber Leistungsträger war, aus dem Kader verbannen?

Ich weiß nicht, warum alle immer wieder auf dieser Geschichte herumreiten. Dass ein neuer Trainer seine eigenen Vorstellungen hat und diese Vorstellungen auch einbringt - das ist doch ganz normal.

Aber psychologisch betrachtet haben Sie der Mannschaft signalisiert: Für mich zählen die alten Geschichten nicht. Alle fangen wieder bei Null an.

Das war keine psychologische Frage, sondern eine sportliche. Wir hängen uns immer an Rob Maas auf, weil er als einziger Spieler so emotional reagiert hat. Aber Tatsache ist, dass im ersten Spiel unter meiner Regie fünf Spieler nicht gespielt haben, die vorher in der Mannschaft waren, als die Ergebnisse nicht gepasst haben. Jeder musste damit rechnen, dass es Änderungen gibt.

Sie haben Alex Alves wieder in die Mannschaft genommen. Auf einmal spielt er taktisch sehr viel disziplinierter, als man es von ihm gewohnt war. Arbeiten Sie speziell mit ihm?

Ich rede mit ihm.

Und er versteht auch, was Sie meinen?

Alex spricht ganz ordentlich Deutsch. Und für den Fall, dass er mich nicht versteht, hilft uns der Dolmetscher. Ich habe Alex ganz klar gesagt, was ich von ihm erwarte. Und dazu gehören eben auch Dinge, die nicht unbedingt seinem Naturell entsprechen. Das hat er hervorragend gemacht.

Welche Bedingungen haben Sie gestellt, als Ihnen der Posten angeboten wurde?

Gar keine. Wir sind uns ziemlich schnell einig geworden. Die Aufgabe, die ich habe, ist ja auch recht eindeutig definiert. Ich leite das Training, ich lege den Kader fest, ich bin gemeinsam mit meinem Trainerteam für die Aufstellung verantwortlich.

Beim Spiel gegen Stuttgart ist Dieter Hoeneß erst kurz vor Schluss von der Tribüne an den Spielfeldrand gekommen. Ist Ihnen das recht, wenn er nicht neben Ihnen auf der Trainerbank sitzt?

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich das gar nicht gemerkt habe. Erst nach dem Spiel, als er plötzlich neben mir stand, habe ich ihn wahrgenommen.

Ihre bisherige Bilanz ist optimal: zwei Spiele, zwei Siege. Haben Sie sich die Bundesliga so einfach vorgestellt?

Eigentlich hatte ich gar keine Zeit, mich damit auseinander zu setzen: Ist das schwer? Ist das einfach? Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden und musste mich freischwimmen.

Haben Sie trotzdem schon darüber nachgedacht, was passiert, wenn Sie ein Spiel verlieren?

Auch das wird kommen. Aber solange ich die erste Niederlage vor mir herschieben kann, beschäftige ich mich damit nicht.

Der öffentliche Druck kann in Berlin ganz schön groß werden.

Das war mir schon klar, als ich den Posten übernommen habe. Man konnte ja auch nicht unbedingt damit rechnen, dass es so erfolgreich losgeht. Also sind wir jetzt schon zwei Siege weiter als bei meinem Amtsantritt.

Empfinden Sie Stress auf der Trainerbank?

Was heißt Stress? Das Spiel an der Seite mitzuleben und zugleich die eigenen Emotionen zu kontrollieren? Das ist nichts Negatives. Das gehört zum Fußball doch irgendwie dazu.

Aber es gibt Trainer, die von diesem Stress aufgefressen werden.

Natürlich besteht in unserem Job diese Gefahr. Da muss man vorbeugen. Ich rede mit meiner Frau zum Beispiel überhaupt nicht über Fußball. Ich laufe oft - das habe ich wohl mit meinem Vorgänger gemeinsam. Da kann man eine Menge Dampf ablassen. Außerdem lebe ich gesund. Ich bin absoluter Nichtraucher. In meinem ganzen Leben habe ich zwei Zigarren geraucht. Einmal bin ich dabei fotografiert worden. Seitdem heißt es, ich sei Zigarrenliebhaber.

Wie hat sich Ihr Leben im Kopf verändert?

Es spielt sich in anderen Themen ab. Eigentlich dreht es sich nur noch um Fußball.

Schlafen Sie schlechter?

Überhaupt nicht. Wenn ich mich abends ins Bett lege, schwirren mir keine schweren Gedanken durch den Kopf. Ich kann sofort einschlafen. Und Albträume habe ich auch nicht.

Der Bundesliga-Stress macht Ihnen offensichtlich überhaupt nicht zu schaffen. Liegt das daran, dass Sie schon vor Ihrer Profikarriere ein emotional sehr aufwühlendes Erlebnis hatten?

Sie meinen meine Flucht aus der DDR? Da haben Sie Recht. Wer so etwas mitgemacht hat, den kann nichts mehr schrecken. Ich bin damals totales Risiko gegangen. Meine Familie konnte ich jahrelang nicht sehen. Ich wollte die Leute, die ich im Osten zurücklassen musste, nicht enttäuschen. Deshalb habe ich alles dafür getan, mich in der Bundesliga durchzusetzen - obwohl ich nie der Filigrantechniker war, der Superstar, dem alles zugefallen ist. Ich musste immer hart arbeiten. Und natürlich hat mich das charakterlich geprägt. Alles, was ich erreicht habe, habe ich durch den Fußball erreicht.

Haben Sie Ihre Flucht jemals bereut?

Nie.

Herr Götz[sind Sie eigentlich böse auf]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false