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Neu in der Kurve. Trainer Markus Babbel (links) wurde erstmals von den Fans gefeiert und ließ das, überredet vom Team, auch zu.

© dpa

Hertha BSC: Mit dem Herzen schon oben

Hertha BSC ist der gefühlte Aufsteiger. Allein das Faktische fehlt noch, könnte aber schon ohne eigenes Zutun bald folgen. Trainer Babbel tut so, als sei noch nichts erreicht, einige Spieler schmunzeln schon. Denn das Gefühl zählt.

Am Sonntagvormittag stand Markus Babbel auf dem Übungsplatz und schaute sich das lockere Auslaufen seiner Fußballspieler an. Der Trainer von Hertha BSC tat das so wie immer, ganz so, als sei nichts Besonderes passiert. Vielleicht wollte er durch diese, seine Art erst gar keine Zweifel aufkommen lassen. Noch stehe der Aufstieg in die Bundesliga nicht fest. Doch das will keiner mehr hören in Berlin. Er hätte auch gut und gerne etwas euphorischer daherkommen können, und niemand hätte es ihm krummgenommen bei diesen Aussichten. Denn eigentlich ist das Ziel erreicht. Oder wer rechnet noch damit, dass Hertha BSC, der enteilte Tabellenführer der Zweiten Liga, den Aufstieg noch verdaddelt?

Erst der so wichtige Auswärtssieg beim Mitkonkurrenten Bochum zu Beginn der Woche und dann fünf Tage später das 4:0-Fest über Osnabrück vor erstligareifer Kulisse im Olympiastadion, bei dem die Mannschaft dem Druck des Nichtvermasselndürfens standhielt. Das war der gefühlte Aufstieg. Und was fängt man damit nun an?

Die Hoffnungen der Fans und der Mannschaft, ja des gesamten Vereins sind in dieser vorösterlichen Aprilwoche Wahrscheinlichkeiten gewichen, Wahrscheinlichkeiten, die inzwischen an Sicherheiten grenzen. Das Saisonziel ist erreicht – alle denken es, alle fühlen es, allein es fehlt noch das Faktische.

Am Ende kann es ja so kommen, dass Hertha nicht mal mehr ein Tor schießen muss, um auch offiziell aufzusteigen. Hertha wird erst wieder am Ostermontag dran sein, dann beim Spiel in Duisburg, bis dahin könnten schon alle Messen gelesen sein. Wenn nämlich Bochum am Gründonnerstag in Paderborn verliert und Greuther Fürth am Samstag bei 1860 München nicht gewinnt. Dann wäre Hertha schon zwei Tage vor dem eigenen Spiel aufgestiegen.

Als Markus Babbel am Sonntag dann seine Profis in zwei trainingsfreie Tage verabschiedete, kam das Gespräch noch einmal auf das vortägige Festspiel und die kleine, improvisierte Jubelchoreografie der Mannschaft in der Ostkurve, also da, wo die treuesten Hertha-Fans stehen. Eigentlich wollte der Trainer ja nicht dahin gehen und sich feiern lassen, da es doch noch gar nichts zu feiern gäbe, wie er hinterher erzählte. Er hat sich dann irgendwie doch dazu überreden lassen von ein paar Spielern. Halb schoben sie ihn, halb zogen sie ihn. Und dann stand er da, wusste nicht so recht, ob er seine Arme wie seine Spieler rhythmisch gen Himmel werfen sollte, ob er lächeln oder doch lieber ein ernstes Gesicht machen sollte. Er stand irgendwie reserviert daneben, wenn man es positiv wenden will, wirkte er peinlich berührt, vielleicht gerührt. Dann winkte der 38-Jährige ein-, zweimal freundlich in den Rang, verbeugte sich kurz und ging. „Das hat vielleicht ein bisschen mürrisch ausgeschaut, aber ich verspreche, dass es, wenn es dann geschafft ist, sehr viel euphorischer aussehen wird“, sagte Babbel, der erstmals in dieser Saison von den Fans lautstark gefeiert wurde.

Noch aber, wie es der Trainer am Sonntag erneut sagte, könne Hertha rechnerisch abgefangen werden. „Deswegen verlange ich in den ausstehenden vier Spielen höchste Konzentration. Es sind noch zwölf Punkte zu vergeben, und die möchte ich holen.“ Das hätte schon etwas mit Sportgeist zu tun, eine solche Einstellung wäre man der Konkurrenz und den eigenen Fans schuldig. Die Spieler sehen es offenbar ähnlich.

„Ich will jetzt Meister werden“, sagte Andre Mijatovic. Was sollte er als Kapitän und Vorbild auch anderes sagen? Nach dem Titel in der Zweiten Liga fragt vermutlich kein Mensch mehr, selbst für den Briefkopf ist er ungeeignet. Am Ende zählt nur der Aufstieg. „Es ist schon eine gewisse Ruhe da“, flüsterte der oft so introvertiert wirkende Adrian Ramos, der gegen Osnabrück zwei Tore eingestreut hatte und mit 13 Saisontoren Herthas erfolgreichster Stürmer ist. Peter Niemeyer, dessen Wadenriss noch in der Halbzeitpause genäht worden war, gab zumindest einmal zu, sich schon mal die Meisterschale, die die DFL neuerdings dem Zweitliga-Ersten spendiert, angeschaut zu haben. „Schale? Na ja, ich finde das Ding sieht eher wie eine Felge aus“, sagte er und musste schmunzeln.

„Am Ende haben wir es selbst in der Hand“, sagte Pierre-Michel Lasogga, der am Samstag ebenfalls zweimal traf. Der 19-Jährige wirkte frisch und vergnügt am Tag nach dem fröhlichen Sieg. Natürlich werde er sich nun die vielleicht entscheidenden Spiele der Konkurrenz anschauen, aber lieber wäre es ihm, den Aufstieg selbst auf dem Platz sicherzustellen. Vor allem schon deshalb, weil es irgendwie merkwürdig werden dürfte, wenn jeder für sich auf dem Sofa miterleben müsste, wie man durchs Ziel läuft.

Selbst Markus Babbel hat mal kurz über diese Möglichkeit nachgedacht. „Hm, emotional wäre es wohl ein Stück weit anders. Aber ich sage auch: Ich hätte nichts dagegen.“

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