zum Hauptinhalt

Sport: Hertha BSC: "Nein, nein, bitte nicht!"

So ein Fußballtraineramt in Berlin hat durchaus seine spektakulären Seiten. Zum Beispiel eine Dienstreise nach Dienstschluss in die Nähe von Poznan.

So ein Fußballtraineramt in Berlin hat durchaus seine spektakulären Seiten. Zum Beispiel eine Dienstreise nach Dienstschluss in die Nähe von Poznan. Jürgen Röber hatte neulich Abend seinen Assistenten Bernd Storck mit in sein Auto geladen, beide zog es zur Beobachtung des kommenden Uefa-Cup-Gegners Amica Wronki ins polnische Hinterland der Oder. Vier Stunden hin, vier zurück, viel Lkw-Verkehr, lange Wartezeiten am Grenzübergang und winkende Frauen am Straßenrand. Es gibt andere Dinge, die seinen Job reizvoll machen, erzählt Jürgen Röber.

Zum Beispiel ein Sprung an die Tabellenspitze. Am Sonnabend kommt Energie Cottbus ins Olympiastadion (Beginn 15 Uhr 30), und wenn das eintritt, was von den heimstarken Berlinern erwartet werden darf, könnte Hertha am Ende des 9. Spieltages auf Platz eins stehen. Und so etwas ist nun wirklich nicht von der Hand zu weisen - oder? Wer noch vor einem halben Jahr solche Gedanken artikulierte, der bekam es mit dem Manager zu tun. "Nein, nein, nein, bitte nicht", hatte seinerzeit Dieter Hoeneß in die Runde geworfen. "Das ist ja Irrsinn! Lassen Sie uns bitte nicht von der Meisterschaft reden, vielleicht mal in zehn Jahren." In der Tat schien das Anspruchsdenken, das "in dieser Stadt ja normal ist" (Röber), etwas verwegen. Hertha hat in dieser Saison bisher zwar alle Heimspiele gewonnen und ist die Mannschaft, die die meisten Tore geschossen hat, doch immer wieder durchkreuzten böse Auswärtsniederlagen den Sprung an die Spitze. Nach dem 2:5 in Unterhaching wurde dem Bundesligisten schon die Eignung zur Spitzenmannschaft abgesprochen.

Vor dem Spiel gegen den Bundesliganeuling Cottbus aber sieht die Situation gar nicht so schlecht aus für die Berliner. Hertha BSC ist punktgleich mit dem FC Bayern, Borussia Dortmund hat als Tabellenzweiter nur einen Punkt mehr, Spitzenreiter Schalke 04 ganze zwei. Wenn die Konkurrenz ein bisschen für Hertha spielt, dann könnten die Berliner am Sonnabend den Tabellenthron stürmen. "Wichtig ist nur, dass wir die drei Punkte einfahren. Alles andere kann ich nicht beeinflussen, und deswegen mache ich mir null Gedanken darüber", sagt Röber. Null Gedanken - ob das wirklich stimmt? Ganz sicher wird er heimlich voraus geträumt haben.

So eine Tabellenführung kann sich gut anfühlen, muss aber nicht. "In Berlin ist so etwas was ganz Spezielles", sagt Röber. Zuletzt war Hertha nach dem ersten Spiel der vergangenen Saison und einem 5:2-Heimsieg über Hansa Rostock in dieser Situation, worauf die Zeitungen sich überschlugen und Hertha bereits mittelfristig auf Tuchfühlung mit dem deutschen Rekordmeister wähnten. Röber weiß, wovon er spricht, wenn er sagt, "hier ist alles etwas extremer, vor allem aber gibt es hier nur schwarz und weiß". Da wurde schon mal nach einer kleinen Niederlagen-Serie vom Boulevard gefragt, was denn die Spieler von Hertha BSC eigentlich hauptberuflich machen. Und umgekehrt. "Wichtig ist", sagt Röber, "dass du mit diesem Druck richtig umgehst." Er hat es gelernt. Vor wenigen Tagen etwa war "der angebliche Auswärtskomplex" das Arbeitsthema der Medien gewesen. Und heute drehe sich alles darum, was denn ist, wenn Hertha am Wochenende Tabellenführer ist. Jeder Spieler wisse genauso wie er, dass es etwas länger dauert, um dahin zu kommen. "Unsere Situation ist toll", sagt Röber und erzählt noch etwas von Momentaufnahme und so. Und doch klingt es ein wenig verräterisch, wenn er zugibt, dass er sich daran gewöhnen könne. "Ich bin ein Mensch, der sich schnell an solche Dinge gewöhnen kann." Laut sagt er das nicht, noch nicht. Seine offizielle Aussage lautet: "Wir wollen uns ein bisschen da oben festsetzen." Und dann erzählt er aber, "dass mir solche Diskussionen lieber sind".

Schließlich dürften sie Röber noch aus einem anderen Grund in den Kram passen. Gegenwärtig wird hinter den Kulissen über eine vorzeitige Verlängerung seines Vertrages debattiert. Über Nacht könnte aus Hertha eine Spitzenmannschaft werden und aus Jürgen Röber ein Spitzentrainer, vor dem noch viele schöne Dienstreisen liegen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false