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Herzlichen Glückwunsch. Ronny am Rande eines Spiels. Heute wird er 30 Jahre alt.

© imago/Contrast

Hertha BSC: Ronny - der weiche Riese

Der einstige Aufstiegsheld Ronny ist fast in Vergessenheit geraten – heute wird er 30.

Neulich, als Ronny ein schon vergessener Fußballer war, erlaubte er sich ein kleines Späßchen mit den Presseleuten. Wenn die Spieler von Hertha BSC ihren Übungsplatz im Olympiapark verlassen, passieren sie auf dem Weg in die Kabine eine Stelle, wo Journalisten stehen und Fragen stellen. An diesem Tag kam also Ronny vom Rasen, wie immer hatte er ein freundliches „Guten Tag“ für die Reporter übrig, doch dieses Mal hob er dazu noch seinen rechten Arm und sagte ungefragt: „Leute, heute mal nicht!“ Dann grinste er in sich hinein und ging wippenden Schrittes weiter.

Von Ronny, dem Aufstieghelden von 2013, will schon lange niemand mehr etwas wissen. Er spielt keine Rolle mehr, jedenfalls keine tragende. Wenn, dann ist er zur tragischen Figur geworden. In der am Samstag endenden Spielzeit wurde er nur einmal eingesetzt, für 28 Minuten beim 1:4 gegen Mönchengladbach. Das war’s. Selbst in den 18er-Kader hat er es nur vier Mal geschafft.

Über Ronny ist die Zeit hinweggeflogen. An diesem Mittwoch wird er 30.

„30 – das ist wunderbar“, sagt Pal Dardai, Herthas Trainer, der ihn schon lange nicht mehr hat spielen lassen. Die Fans werden Ronny trotzdem als einen ihrer Lieblinge hochleben lassen. Auch wenn es weniger werden. Unter Dardai, dem früheren Abräumer, haben sich andere in den Vordergrund gespielt. Jüngere, vor allem fittere. Ob sie aber jemals besungen werden oder ob ihretwegen einen Raunen durchs Rund geht, wenn sie sich den Ball zum Freistoß zurechtlegen?

Er ist ein Meister des ruhenden Balles

Aber ja, Ronny ist ein wahrer Meister des ruhenden Balles. Seine Freistöße vereinen Wucht und Magie auf seltene Weise, sie sind mit das Aufregendste, was der deutsche Fußball zu bieten hat. Nur findet er nicht mehr statt.

Im Fußball ist es so, dass das Publikum sich seine Lieblinge ganz allein aussucht. Oft ist es gerade das Unvollkommene, das so anziehend wirkt. Ein gewisses Handicap, das die Zuschauer mitfühlen lässt. Bei Ronny waren es nie ungeschickte Füße oder mangelnde Ballbehandlung. Er war vielmehr das Pummelchenhafte, das er nie hat abstreifen können. Auch deshalb erfreute er sich in Berlin recht bald einer Beliebtheit, wie sie sonst nur dem Maskottchen zuteil wird.

Als Ronny nach Berlin kam, war er konditionslos. Das war 2010, als er nach dem ersten Abstieg Herthas vom portugiesischen Mittelklasseklub Uniao Leiria geholt wurde. Er war ein echtes Fußball-Pralinchen, er kickte ohne jede Dynamik, nur aus dem Stand. Hinter vorgehaltener Hand hieß es damals, Hertha habe ihn nur Raffael zuliebe geholt. Raffael war damals Herthas wertvollster Spieler überhaupt, der aber wenig bis gar keine Lust auf die Zweite Liga hatte. Brüderchen Ronny war da ein Argument.

„Ach, Ronny, ich bin schon lange ein Liebhaber von ihm. Er trägt eine Portion Extra-Qualität in sich, die selten ist“, sagte Jos Luhukay nach dem Aufstieg 2013. Herthas damaliger Trainer hatte Ronny zwischenzeitlich in die Gänge gebracht. Für den Aufstieg schoss er 18 Tore, 15 bereitete er vor. Manager Michael Preetz schenkte ihm einen hochdotierten Vierjahresvertrag. Einen, an dem der Klub seit drei Jahren zu knabbern hat. Denn während Ronny die Zweite Liga in seine Westentasche stecken kann, tun sich für ihn in der Bundesliga Abgründe auf.

Wann immer Luhukay über Ronny sprach, hörte sich das an, als würde er über einen großen Jungen sprechen, dessen kindliche Verspieltheit so betörend wie nervenaufreibend war. Doch spätestens unter Pal Dardai, der Fitness über alles stellt, war es aus und vorbei für Ronny. „Für mich ist er immer noch ein guter Fußballer“, sagt der Ungar, „aber aufgrund unserer Spielphilosophie mit viel Tempo hat es sich so entwickelt. Wir reden nächste Woche mit ihm.“

Man kann sich ausmalen, welche Perspektive sie ihm dann aufzeigen werden. Schon im Sommer hat Dardai Ronny nahegelegt, sich anderweitig umzuschauen. Im Winter nahm er ihn nicht mal mehr mit ins Trainingslager. Auch Manager Preetz hätte den Brasilianer gern von der Gehaltsliste bekommen. 1,5 Millionen Euro sollen es per anno sein. Tatsächlich waren ein paar Klubs aus dem Nahen wie Fernen Osten interessiert. Doch so richtig weg wollte Ronny wohl nie, das Leben in Saudi-Arabien oder China kann für einen lebenslustigen Menschen wie ihn recht mühsam sein. Dann lieber auf der Tribüne in Berlin, das Geld fließt auch so. Bis 2017 läuft sein Vertrag. Außerdem ist seine Familie in Berlin heimisch geworden. Erst im März ist sein drittes Kind hier zur Welt gekommen.

Ronny kam oft mit kleinen Augen zum Training. Besonders hart traf es ihn kurz vor Ostern, als er ein Zirkeltraining absolvieren musste. Er musste Dinge machen, die er nicht mag, er musste über Hürden springen, Medizinbälle stemmen, Liegestütze machen und Sprintintervalle hinlegen. Am Tag zuvor hatten diese Einheit seine Kollegen zu absolvieren gehabt. Ronny hatte sich vorsichtshalber mit Rückenproblemen abgemeldet. Er sagte, er habe sich im Bett etwas verlegen.

Ronny, dieser freundliche und weiche Fußballer, kann so wunderschöne Pässe spielen und wuchtige Freistöße schießen, das fehlt der fleißig rennenden Mannschaft manchmal. Aber sie müsste dafür Ronny in Kauf nehmen. Das wird sie nicht schaffen. Schade eigentlich.

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