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Jos Luhukay.

© dpa

Hertha BSC: Rückschläge aus dem Nichts

Souverän mit 3:0 gegen den HSV gewonnen, dritter Heimsieg in Folge: Die Stammelf von Hertha BSC schien sich gefunden zu haben. Doch nach den Niederlagen in Bielefeld und Paderborn ist das Selbstvertrauen bei Hertha BSC angeschlagen.

Mit der Kabine von Hertha BSC verhält es sich in etwa so wie der Legende nach mit Ausflügen nach Las Vegas: Was dort passiert, hat bitteschön auch dort zu bleiben. Gerade nach frustrierenden Tagen wie zuletzt legt Jos Luhukay großen Wert darauf, keine Interna nach außen dringen zu lassen. Dabei waren die Fragen doch so naheliegend am Montagmorgen: Ist der Trainer in seiner verhältnismäßig langen Ansprache vor dem Auslaufen nun laut geworden? Oder zumindest lauter als sonst? Oder waren doch eher psychologische Maßnahmen vonnöten nach dem 1:3 in Paderborn? „Ich möchte das nicht kommentieren“, sagte Luhukay, „wie ich mit der Mannschaft umgehe, ist etwas Persönliches.“

Fakt ist: Was die Berliner in dieser Woche in Ostwestfalen erlebt haben, wird nicht in Ostwestfalen bleiben, es könnte Hertha BSC noch für längere Zeit verfolgen – weil sich die Beteiligten noch vor wenigen Tagen auf einem guten Weg wähnten. Nach dem dritten Heimsieg in Serie, dem 3:0 über den HSV, „hat eigentlich niemand bei uns damit gerechnet, dass wir im Pokal ausscheiden“, sagte Luhukay. „Es gab keine Anzeichen dafür, wir waren richtig gut drauf“, ergänzte der Niederländer, „und dann kommt so ein Spiel heraus und man ist wieder auf dem Boden der Tatsachen.“ 

Hertha BSC wirkte in Paderborn extrem verunsichert

Die Geschehnisse vom Dienstagabend, sie beschäftigten die Mannschaft offensichtlich auch noch fünf Tage später. In Paderborn wirkte Hertha BSC extrem verunsichert, das Team zeigte gravierende Schwächen in nahezu allen relevanten Bereichen: Zweikampfführung, Defensivverhalten, Spielgestaltung, mannschaftliche Geschlossenheit, Einsatzbereitschaft. Die fünfte Partie der Saison auf fremdem Platz verdeutlichte noch einmal, warum Hertha BSC mit nur einem Punkt (2:2 in Freiburg) das auswärtsschwächste Bundesliga-Team der Saison ist. Dazu gesellten sich dummerweise auch noch eklatante Mängel im Spiel nach vorn: Wer es gut meinte mit den Berlinern, konnte ihnen in 210 Minuten Nettospielzeit gegen einen Drittligisten und einen Aufsteiger zwei klare Chancen attestieren, von denen eine in Paderborn sogar noch zum zwischenzeitlichen Ausgleich durch Salomon Kalou führte.

Luhukays länger angekündigte Zwischenbilanz nach zehn Spieltagen und, nun ja, zwei Pokalrunden fiel deshalb ziemlich ernüchternd, aber nicht weniger realistisch aus: „Ehrlich gesagt habe ich mit etwas mehr Punkten gerechnet“, sagte der Coach, „aber wenn man alles betrachtet, entspricht unsere Ausbeute dem, was wir bisher gezeigt haben.“

Zur Gesamtsituation gehören einerseits die vielen Verletzten im Kader, für die an dieser Stelle zwei Namen exemplarisch stehen sollen: in Alexander Baumjohann (Kreuzbandriss) fehlt langfristig der Mann, den Luhukay vor der Saison als elementar wichtig im Kreativbereich verortet hatte. In der neuralgischen Zone vor der Viererkette muss der Coach zudem seit Wochen auf den am Zeh operierten Tolga Cigerci verzichten. Cigerci war vor seiner Verletzung einer der Garanten für die Stabilität, die Hertha über weite Strecken der abgelaufenen Spielzeit ausgezeichnet hat.

Andererseits hat sich von den insgesamt neun Neuzugängen auch noch kein Spieler entscheidend hervorgetan, abgesehen vielleicht von Salomon Kalou mit seinen vier Saisontoren. „Ich will keine einzelnen Namen nennen, wir gewinnen als Mannschaft und wir verlieren als Mannschaft“, sagt Luhukay dazu. Es ist allerdings ein offenes Geheimnis, dass sich der Trainer und auch der Berliner Anhang mehr erhofft haben nach dieser Sommerpause, in der die Berliner zum ersten Mal seit Jahren wieder verhältnismäßig viel Geld in die Hand nahmen für einen breiteren, besseren Kader. Von der durchweg positiven Grundstimmung, die Luhukay und seine Spieler im Trainingslager in Schladming (Österreich) vermittelt haben, ist jedenfalls nicht mehr viel übrig geblieben.

Hertha BSC steht in den Heimspielen unter Druck

Das sieht auch John Heitinga so, einer der erfahrensten im Berliner Kader. „Wir haben uns in eine Situation gebracht, die wir so nicht haben wollten“, sagt der Innenverteidiger. Die schönste Heimserie hilft nämlich überhaupt nicht, wenn auswärts mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein schwacher Auftritt folgt. Durch diese Schwäche bringen sich die Berliner immer wieder selbst in die Drucksituation, ihre Heimspiele wie jetzt am Freitag gegen Hannover 96 fast schon gewinnen zu müssen – sofern nicht bald der Abstiegskampf ausgerufen werden. Zurzeit steht Hertha auf dem 13. Platz. Zumal es das Programm bis zur Rückrunde durchaus in sich hat aus Berliner Sicht. Nach dem Hannover-Spiel reisen sie nach Köln, dann warten in genau dieser Reihenfolge folgende Teams: Bayern München, Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund, Eintracht Frankfurt und die TSG Hoffenheim. Ob da was übrig bleibt außer Erinnerungen?

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