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Pal Dardai trainiert seit Anfang Februar die Profis von Hertha BSC.

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Hertha BSC tritt beim FC Bayern München an: Pal Dardai: "Warum soll ich nicht mutig sein?"

Im Interview spricht Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, über die Stärke des FC Bayern München, über die Unterschiede zum Nachwuchs und die Planungen für die neue Bundesliga-Saison.

Herr Dardai, wie fanden Sie das Fernsehprogramm am Dienstagabend?

So wie immer, wenn man sich die Bayern anschaut. Von zehn Spielen sehen sieben so aus wie gegen Porto, drei Mal ist es anders. Am Dienstag hast du sofort gesehen: Die Bayern sind heute gnadenlos. Die haben ja sogar gekämpft, nicht nur gespielt.

Haben Sie bis zum Ende durchgehalten?

Bei Abendspielen schau ich mir immer nur eine Halbzeit an, normalerweise gehe ich um zehn ins Bett. Ich brauche meine Kraft. Aber bei solchen Spielen halte ich auch bis halb elf durch.

Ist das Ergebnis gut oder schlecht für Hertha BSC?

Ach, das ist Philosophie. Der eine sagt: Es wäre gut, wenn die Bayern in die Verlängerung gemusst hätten und dann im Elfmeterschießen rausgeflogen wären. Aber vielleicht kriegst du es dann mit richtig bösen Bayern zu tun, die etwas wiedergutmachen wollen. Andererseits sind sie jetzt vielleicht besonders euphorisch, weil sie ein Top-Spiel abgeliefert haben.

Was macht Ihnen Hoffnung?

Wenn die Bayern einen richtig guten Tag haben, machen sie auch eine Top-Mannschaft wie Porto einfach nieder. Aber wir haben uns gut vorbereitet, körperlich und mental. Wir wollen unser System jetzt sozusagen auch international überprüfen. In der Bundesliga hat es bisher ja ganz gut funktioniert.

Braucht man für ein solches Spiel einen besonderen Plan?

Wir werden das gleiche System spielen wie immer – aber wir müssen noch enger zusammen stehen. Das haben wir in dieser Woche trainiert. Wenn die Abstände zu groß sind zum Helfen, zum Doppeln, zum Absichern, dann schaffst du es nicht. Wenn wir physisch und psychisch einen guten Tag haben, haben wir eine Chance auf ein gutes Spiel. Aber wenn wir ehrlich sind: Um bei Bayern München einen Punkt mitzunehmen, musst du nicht nur richtig gut spielen, du musst auch Glück haben. Wann hat Hertha denn zuletzt in München gewonnen? 1977 war das.

Sie haben die Bayern zumindest im eigenen Stadion einmal besiegt und dabei, im Dezember 2001, sogar das Siegtor erzielt. Erzählen Sie Ihren Spielern von solchen Erlebnissen?

Nein, was gestern war, bringt dich im Fußball nicht weiter. Es ist schön, wenn die Spieler wissen, dass der Trainer auch mal Fußball gespielt hat und kicken kann. Am Wochenende bin ich sogar das Risiko eingegangen, im Training mitzumachen. Da kannst du dich schnell blamieren. Habe ich nicht gemacht. Natürlich nicht.

Spielt das für die heutige Generation eine Rolle, dass ihr Trainer früher selbst Profi war?

Damit hast du erst einmal einen kleinen Vorteil. Aber das wird dich nicht dauerhaft schützen. Den Vorteil kannst du in einer Trainingseinheit verspielen. Du musst jeden Tag zeigen, dass du ein gutes Training machst und taktisch vernünftige Sachen erzählst. Machst du zwei, drei Fehler, ist der Respekt weg. Als Trainer stehst du unter ständiger Beobachtung. Die Spieler spüren sofort, wenn du im Training nicht richtig bei der Sache bist. Dann ist es egal, ob du 100 Länderspiele gemacht hast.

In jedem Moment aufmerksam zu sein: Ist das anstrengender, als Sie vorher gedacht haben?

Am Training teilzunehmen und ein Training zu leiten – das sind zwei verschiedene Sachen. Aber ich habe mich im Nachwuchs daran gewöhnt. In der Jugend musst du immer wieder "Stopp" sagen, die Übungen unterbrechen und korrigieren. Bei den Profis musst du das eigentlich auch, aber wenn du das zu oft machst, denken die Spieler irgendwann: Was will der eigentlich von mir? Lucien Favre hat mir den Rat gegeben: "Gehen Sie zuerst zu den Kindern!" Das war genau richtig. Bei den Kindern habe ich gelernt "Stopp" zu sagen, aktiv zu sein. Als ich zu den Profis gekommen bin, war das nichts Neues mehr. Ich habe keine Angst gehabt, das Training zu führen oder eine Übung zu zeigen, weder hier bei Hertha noch in der ungarischen Nationalmannschaft.

Gab es in den vergangenen beiden Monaten trotzdem Momente, in denen Sie sich überfordert gefühlt haben?

Nein, überhaupt nicht. Aber nach dem Sieg in Mainz habe ich gesagt: Lernen kann ich als junger Trainer nur aus Niederlagen. Mit der ungarischen Nationalmannschaft habe ich vier Pflichtspiele hinter mir, zwei haben wir gewonnen, zwei sind unentschieden ausgegangen. Was lern ich da? Aus dem Freiburg-Spiel …

… dem 0:2 in Ihrem ersten Heimspiel …

… habe ich sofort gelernt: Ich war zu naiv. Gegen Mainz hatten die Jungs es original so gemacht, wie ich mir das vorgestellt habe. Da habe ich gedacht: Es ist alles in Ordnung – das war nur eine mentale Blockade. Deshalb bin ich in das Freiburg-Spiel ein bisschen naiv reingegangen. Ich dachte, die Mannschaft sei mental stark. Deshalb habe ich sie mental nicht so vorbereitet, wie ich es seitdem mache. Nach dem 0:1 hatte ich das Gefühl, die Mannschaft ist in sich zusammengefallen, jeder Einzelne ist am Ende. Ich habe zu meinem Co-Trainer Rainer Widmayer gesagt: "Heute können wir nicht mehr helfen. Ab morgen geht die Arbeit los." Das Mentale ist sehr wichtig. Das habe ich ein bisschen unterschätzt. Für mich war das eine wichtige Erfahrung. Inzwischen sieht man, dass die Mannschaft sich von Rückschlägen nicht unterkriegen lässt. Die Jungs bleiben stark. Auch in Hannover. Nach dem 0:1 hatten sie gleich den Plan B im Kopf.

War das die wichtigste Aufgabe zu Beginn Ihrer Amtszeit?

Die Mannschaft war total unsicher. Gegen Freiburg hatten wir Angst zu verlieren. Was machst du dagegen? Wir wollten Kompaktheit, Stabilität, defensive Taktik, körperliche Fitness. Wenn du taktisch gut bist und körperlich fit, kommt auch das Spielerische. Aber erst dann. Umgekehrt geht es nicht, wie ich nach dem Mainz-Spiel gedacht hatte.

Mussten Sie Ihrer Mannschaft erst wieder eine Haltung verpassen?

Die Körperhaltung ist das Allerwichtigste. Nach dem Freiburg-Spiel habe ich zu den Spielern gesagt: "So schaffen wir das nicht. Mit dieser Körpersprache geht es nicht." Wir sind Hertha BSC. Berlin ist Hauptstadt. Wir sind ein Traditionsverein. Wir haben auch genügend Nationalspieler, wir sind wer!

Das hat geholfen?

Das späte Tor von Kalou zum 1:0 gegen Augsburg war sehr wichtig. Eigentlich war das ein typisches 0:0-Spiel, aber dieses Tor war der Lohn von oben dafür, dass die Jungs so hart arbeiten. Seitdem siehst du, dass es funktioniert und ich keinen Mist erzähle. Ich habe immer gesagt: Wir müssen erst mal kompakt sein, danach kommt der bessere Ballbesitz. Jetzt sind wir an einer Stelle, wo wir vorne nur noch die Tore machen müssen.

Was macht Sie so mutig?

Ich gehe nach Hause und schlafe sehr gut, mein Akku ist jeden Morgen voll. Und was wir im Training machen, ist gehobenes Niveau. Die Mannschaft macht mit, das sieht gut aus. Und wenn ich sehe, dass die Mannschaft mitmacht – wieso sollte ich dann nicht mutig sein?

"Training heißt Disziplin und hart sein"

Sie spielen an diesem Wochenende vor 70.000 Zuschauer in München gegen die Bayern statt mit der C-Jugend auf dem Sportplatz Duderstadt gegen den JFV Süd Eichsfeld. Leben Sie gerade Ihren Traum?

Es ist ein Traumjob, ja. Mein Leben ist nur Fußball. Sogar mein Garten ist ein Fußballplatz. Aber ich sage es noch mal: Ich wollte nicht Nationaltrainer werden, zumindest jetzt noch nicht. Mein Plan war, mich in der Jugend hochzuarbeiten, Wissen zu sammeln und irgendwann einmal die Profis von Hertha BSC zu übernehmen. Bei der Nationalmannschaft musste ich einspringen. Das macht mir auch Spaß, selbst beim Spiel in Rumänien. Rumänien gegen Ungarn, das ist ein richtiges Hassspiel, immer Probleme, Schlägerei, Polizei. Und wir haben da regelmäßig drei, vier Stück bekommen. Eigentlich hast du bei jedem Nationaltrainer bisher die Angst gesehen. Aber ich habe mich wie zu Hause gefühlt. Und hier war es genauso. Das soll jetzt nicht hochnäsig klingen. Aber als ich gegen Freiburg ins Olympiastadion gekommen bin, hatte ich das Gefühl: Das ist ganz normal. Das ist meine Wohnzimmer. Ich habe auch nicht lange überlegt, als der Manager mich gefragt hat, ob ich bei den Profis einspringe. Ich habe gleich gesagt: Okay.

Hätten Sie auch die Chance gehabt, nein zu sagen?

Eigentlich haben sie nicht gefragt, ob ich es machen will. Sie haben gesagt: Mach!

Gibt es irgendetwas, das in der Jugend schöner ist als bei den Profis?
Jetzt werden Sie gleich beleidigt sein. Keine Medientermine. In der Zeit, die ich mit Ihnen hier sitze, könnte ich als Jugendtrainer nach Hause fahren und die heiße Suppe essen, die meine Frau gekocht hat. Der zeitliche Aufwand im Nachwuchs ist nicht geringer. Wenn du mal einen halben Tag frei hast, hängst du am Telefon, um mit den Eltern deiner Spieler zu sprechen. Aber diese ruhigen Phasen, in denen man mit der Familie zusammen sein kann, die gibt es als Profitrainer nicht.

Wie sagen eigentlich Ihre drei Söhne, dass ihr Vater jetzt Cheftrainer bei Hertha ist?

Als wir zweimal hintereinander verloren hatten, hat mein Mittlerer gesagt: „Du musst jetzt aber mal gewinnen. Sonst macht es keinen Spaß, in die Schule zu gehen.“ Und mein Jüngster hat mich gefragt: „Papa, weißt du, wann du ein guter Trainer bist? Wenn Hertha im Fernsehen auf der ersten Seite der Tabelle auftaucht.“

Sind Sie zu Hause auch Trainer?

Pal, der Große der drei Jungs, ist von mir ausgebildet worden. Der Mittlere ist von Pal und mir ausgebildet worden. Und der Jüngste hat eigentlich alles von seinen beiden Brüdern gelernt, weil ich nicht schon nicht mehr so viel Zeit hatte. Und es ist immer noch so wie früher. Vier Mal in der Woche anderthalb Stunden bei Hertha trainieren, das reicht nicht. Du musst zu Hause weiter spielen, dann wirst du Fußballer.

Wann haben Sie gemerkt, dass Ihnen der Trainerjob liegt?

Ich bin immer mit offenen Augen durch die Welt gelaufen. Viele Trainer haben mich um meine Meinung gefragt, ob das Hans Meyer war, Lucien Favre oder Huub Stevens. Das sind Vieraugengespräche gewesen, die du nicht bezahlen kannst. Außerdem habe ich immer gesagt: Ich will nicht Trainer werden, um Geld zu verdienen. Das muss ein gegenseitiger Spaß sein, für mich genauso wie für die Spieler, die ich trainiere. Und ich weiß ja, was meine früheren Spieler aus dem Nachwuchs über mich erzählen. Die sagen: Pal ist hart, aber mit ihm gewinnen wir immer. Bei mir muss man schon ab und zu schlucken. Training heißt Disziplin und hart sein.

Als Spieler waren Sie selbst ein Kämpfer, kein Künstler. Inwiefern formen Sie die Mannschaft nach Ihrem Abbild?

Wenn du zu einer neuen Mannschaft kommst, musst du schauen, was mit den vorhandenen Spielertypen möglich ist. Deutschland war im 4-3-3 richtig gut. Kann ich hier 4-3-3 spielen? Habe ich einen Schweinsteiger, einen Khedira, einen Kroos? Hab ich nicht. Du kannst auch nicht 4-1-4-1 spielen. Ein Sechser reicht in unserer Situation nicht. Du brauchst zwei Sechser, die zusammen sind, die sich anfassen und sich helfen können, wenn einer einen Fehler macht. Fehler zu machen ist nicht schlimm. Wichtig ist, dass jemand da ist, der sie im Zweifel für mich ausbügelt. Dann gehst du entschlossener in die Zweikämpfe, fühlst dich sicherer. Das ist wie in einer Ehe. Wenn mit deiner Frau alles in Ordnung ist, kannst du auch besser arbeiten. Alleine schaffst du nichts im Leben.

Als Trainer fehlt es Ihnen an Erfahrung, dafür waren Sie vor kurzem selbst noch Spieler. Ist das ein Vorteil?

Das glaube ich schon. Ich weiß, wo die Grenze ist. Und die Spieler wissen auch, dass ich das weiß. Mir ist egal, ob die Spieler in der Kabine SMSe schreiben oder nicht. Wichtig ist, das im Training immer Spannung ist. Spaß ist Spaß, und Training ist Training – das haben die Spieler gelernt. Das finde ich gut. Es zeigt, dass die Mannschaft intelligent ist.

Beschäftigen Sie sich schon mit der Kaderplanung für die kommende Saison?

Ich will das nicht. Nicht solange wir mathematisch noch nicht durch sind. Wenn wir es schaffen, habe ich hier vielleicht eine Zukunft als Trainer. Dann muss ich mich damit beschäftigen. Aber nicht früher. Das bringt Unglück. In dieser Woche musste ich schon entscheiden, wohin die Mannschaft im Sommer ins Trainingslager fährt. Das wollte ich eigentlich auch nicht. Aber das geht nicht anders, das muss jetzt gebucht werden.

Im Moment gehen alle davon aus: Wenn Hertha den Klassenerhalt schafft, bleiben Sie Cheftrainer. Wollen Sie das überhaupt?

So weit sind wir noch nicht. Vor den drei harten Spielen, die jetzt kommen, wollten wir uns einen guten Vorsprung herausarbeiten. Das haben wir geschafft. Aber stellen Sie sich vor, wir verlieren jetzt drei Mal. Ist ja möglich. Und plötzlich hast du zwei Spiele vor Schluss nur noch zwei Punkte Vorsprung. Ich will über meine Zukunft jetzt nicht reden. Wenn der Vertrag vor mir auf dem Tisch liegt, dann können Sie mir diese Frage noch einmal stellen.

Trotzdem: Bisher haben Sie bei Hertha einen unbefristeten Vertrag in der Nachwuchsabteilung. Wenn Sie als Cheftrainer unterschreiben, unterschreiben Sie Ihre Entlassung gleich mit.

Die Frage ist: Werde ich nach zwei Jahren entlassen? Oder wie Thomas Schaaf nach zehn? Nach zehn Jahren bei Hertha mache ich noch zehn Jahre die Nationalmannschaft – danach kann ich beruhigt in Rente gehen. Bei Hertha wissen sie, dass ich nicht weggehe. Ich helfe gerne aus, ich habe den gleichen Lohn wie vorher. Aber ich habe den Jungs auch gesagt: Ihr müsst es schaffen, nicht ich. Ihr müsst in der Stadt eine größere Wertschätzung bekommen, euer Image verbessern. Ich bleibe in Berlin immer derselbe Pal Dardai wie früher. Ich bekomme von den Leuten zurück, dass ich immer Mensch war. Und das wird auch so bleiben.

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