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Berliner Männerballett. Viele gemeinsame Auftritte hatten der BFC Dynamo und Hertha BSC nicht. 2007 haben sie sich schon mal im Jahnsportpark getroffen, Jeff Kayser (l.) für Dynamo, Gastspieler Holmar Sverrisson für Hertha.

© picture-alliance/ dpa

Hertha BSC und BFC Dynamo: Liebesgrüße aus dem Osten

Am Samstag treffen sich Hertha BSC und der BFC Dynamo – der Schriftsteller und BFC-Fan Andreas Gläser erzählt, wie er die beiden gegensätzlichen Klubs gleichzeitig lieben kann.

Vor über zwei Jahrzehnten gehörte es für ostdeutsche Fußballanhänger zum guten Ton, auch irgendeinen westdeutschen Verein als persönlichen Favoriten zu benennen, obwohl man die Spiele nur minutenweise im Fernsehen sehen konnte. Immerhin absolvierten Vereine wie der HSV und Bayern jeweils im Schaltjahr ein Europapokalspiel im sozialistischen Ausland, in Prag oder Budapest, zu dem man pilgern konnte. Ich war aus dem Prenzlauer Berg und Lokalpatriot, ich ging seit dem 29. Geburtstag der Republik zum BFC Dynamo. Als „meinen Lieblingswestklub“ nannte ich die olle Hertha, eher reflexartig.

Daraus resultierte etwas Erstaunen, denn die einstigen Weddinger galten als Westpart des 1. FC Union. Mir egal. Deren „Freundschaft hinter Stacheldraht“ war genauso banal wie die ferne Verbrüderung der Magdeburger und Braunschweiger. Im Dynamo-Lager schien man sich zu wundern, denn warum war ich ein Hertha-Freund, weshalb sympathisierte ich mit einem „zweiten Ostklub“?

Sportliche Höhepunkte waren bei Hertha selten. Als der Verein Ende der Siebziger zwei DFB-Pokalendspiele verlor, verpasste ich von den Übertragungen das meiste. Vom Weg ins Halbfinale des Uefa-Cups bekam ich noch weniger mit. Zur Beruhigung trugen Herthas Jahre in der Versenkung bei, als in der drittklassigen Westberliner Oberliga gekickt wurde. Nix mehr mit einem Spiel in Warschau oder einem TV-90-Minüter in Berlin. Wenn über einen Hetzsender Herthas Sieg über den SC Gatow oder den Spandauer SV verkündet wurde, ballte ich kurz die Faust und gut war. Meisterliche Fußballkost gab es beim BFC Dynamo.

Während der inzwischen doch recht zahlreichen Jahre nach der Wende musste man sich bei Hertha mit Dynamo nur dann beschäftigen, wenn deren Amateure gegen den DDR-Rekordmeister anzutreten hatten; in der Regional- und Oberliga, wo es jeweils 777 Leute interessierte. Erst im Sommer 2007 hatte sich Hertha auf ein Testspiel der ersten Mannschaft gegen den BFC eingelassen. Es wurde im Jahnsportpark ausgetragen, einen Steinwurf vom geschichtsträchtigen Gelände der ehemaligen Plumpe. Ganz wohl war Hoeneß und Co. nicht, denn aus Sicherheitsgründen hatte man Pantelic und Herthinho bis zum Ziehen des Resümees in der einstigen Hertha-Villa am Gesundbrunnen versteckt gehalten. Nur wenige Hertha-Fans fanden den Weg über die Eberswalder Straße, die BFC-Anhänger feierten sich selbst und das achtbare 0:1.

Doch der einstige Serienmeister kommt nicht wirklich aus der Zone der fünftklassigen Oberliga raus. Führt er die Tabelle an, wird der Trainer entlassen, steht eine englische Woche an, gehen die Führungsspieler feiern. Der BFC trägt seine Begegnungen in Kampfbahnen aus, die den Stadien der Bundesliga um Jahrzehnte hinterher sind. Und da der eigene Sohn die kleinen Panini-Bilder sammelt und die großen Vereine in der Glotze sieht, will er auch mal eine riesige Arena besuchen. Das Olympiastadion ist für viele Dynamos das neutrale Land der Herthaner, fernab vom verschmähten Wuhlesumpf der Unioner.

Im Olympiastadion traf ich mitunter auf ein dynamisches Vater-Sohn-Gespann, denn es gruselt jeden reifen BFC-Anhänger, dass der Sohn plötzliches Interesse an Union signalisieren könnte. Lieber vorbeugend zu Hertha gehen, zwei oder drei Mal in der Saison. Schön im Bockwurstblock sitzen, egal in welcher Liga, ganz gleich bei welchem Wetter. Großes Kino, imposantes Millionengrab. Ich will mich gar nicht so doll mit Hertha beschäftigen, der BFC ist mir konfus genug; aber er ist mein Verein, Außenstehende müssen die Klappe halten. Ja, es hat schon was, wenn der ollen Tante die Meisterschale winkt und die Stadt viel intensiver pulsiert, und es ist auch wieder gut, wenn man im Kampf gegen den Abstieg mit weniger Zuschauern lockerer sitzt. Ein Fußballstadion ist keine Fan-Meile. Bitte beruhigen Sie sich, Herr und Frau Klatschkasper!

Die neuen Berufsberliner können sich mit Hertha nicht anfreunden, heißt es. Wahrscheinlich, weil sie nach 20 Jahren ohnehin in den Stuttgarter Speckgürtel zurück ziehen. Und mit dem BFC läuft noch weniger.

Am Sonnabend kehrt der BFC in seine jahrelange Heimstätte zurück, wo er vor einigen Wochen das Endspiel um den Berliner Pokal mit 0:1 verlor. Deshalb tritt im August in der ersten Runde um den DFB-Pokal der BAK gegen Mainz 05 an, was nur wenige Leute merken werden. Unterdessen wird der BFC Dynamo über den gerichtlichen Weg versuchen, den vom Berliner Fußballverband angestrebten Ausschluss aus dem nächsten Wettbewerb um den Landespokal abzuwenden. Ausschluss, warum eigentlich? Weil der Verband als Ausrichter ein Zauntor zum Spielfeld offen ließ und dem BFC nicht genehmigte, auf der Laufbahn mit eigenen Ordnungskräften vertreten zu sein? Okay, ein anschließender Platzsturm von 99 Leuten aus dem dynamischen Dunstkreis bringt nichts, aber man kann sich im Archiv von TV Berlin auch gerne mal die zwei regulären, jedoch nicht gegebenen Tore vom BFC ansehen. Der Zeitraum mit derart wundersamen Nachwende-Entscheidungen dauert nun schon länger an als die biblischen Meisterjahre. Irgendwann muss wieder gut sein.

Für das Testspiel steht kein Stress an. Sommerpausenfamilienprogramm am Mauerpark.

Andreas Gläser, Jahrgang 1965, ist Autor des Buchs „Der BFC ist schuld am Mauerbau“. Im April erschien sein Roman „Bambule Berlin“.

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