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Sport: Hertha BSC: Verlängerte Bettruhe

Er kam, als seine neuen Kollegen längst gegangen waren. Dass ein Spieler einfach eine halbe Stunde zu spät zum Frühstück (oder wahlweise Mittagessen, Abendessen) erscheint, wird in einem auf Einheitlichkeit getrimmten Trainingslager normalerweise nicht gern gesehen.

Er kam, als seine neuen Kollegen längst gegangen waren. Dass ein Spieler einfach eine halbe Stunde zu spät zum Frühstück (oder wahlweise Mittagessen, Abendessen) erscheint, wird in einem auf Einheitlichkeit getrimmten Trainingslager normalerweise nicht gern gesehen. Gestern Morgen aber besaß Marcelo dos Santos für seinen verspäteten Auftritt eine offizielle Ausnahmegenehmigung. Und das nicht etwa, weil der Brasilianer, der nur Marcelinho genannt werden möchte, als bisher teuerster Einkauf des Berliner Fußballklubs Hertha BSC besondere Rechte besäße; der 26-Jährige musste einfach ein bisschen Schlaf nachholen.

Die vergangenen Tage waren für Marcelinho aufregend und anstrengend: Erst seine verspätete Ankunft in Berlin, dann, nach nur vier Stunden Schlaf, am nächsten Morgen die Weiterreise ins Trainingslager nach Kaprun - und das alles, obwohl der Brasilianer seit dem Ende der Saison in seiner Heimat gerade mal fünf Tage Urlaub hatte. Als Herthas Trainer Jürgen Röber die Spieler gestern Morgen um halb acht zur Laufeinheit bat, durfte Marcelinho daher noch im Bett bleiben.

Beim Training am Vormittag auf der Anlage des WSK Kaprun war der Stürmer mit den silbernen Haaren dann wieder dabei - meistens an der Seite seines Landsmannes Alex Alves. Die beiden Brasilianer stecken in Kaprun ohnehin fast immer zusammen - nicht nur, weil sie während des zehntägigen Trainingslagers im selben Zimmer schlafen. Schon am ersten Abend spazierten sie nach dem Abendessen noch gemeinsam durch den Ort, später saßen sie in der Hotellobby zusammen, und wenn der eine vom Mittagstisch aufsteht, geht der andere hinterher. "Sind Sie Marcelinho?", wurde Alves gestern von einem österreichischen Autogrammsammler gefragt.

Dass zwei Brasilianer tausende Kilometer von der Heimat entfernt die gegenseitige Nähe suchen, ist nicht außergewöhnlich. Die Frage ist nur: Braucht Marcelinho Alves und dessen Kenntnisvorsprung in Sachen Deutschland im Allgemeinen und Hertha im Besonderen? Oder braucht Alves, der auch nach anderthalb Jahren in Berlin noch nicht so recht angekommen zu sein scheint, nicht doch eher Marcelinho, der sein frustrierendes Europa-Erlebnis einst bei Olympique Marseille hatte? Obwohl Marcelinho fünf Monate jünger ist als Alves, wirkt er im Training weniger verspielt, ernsthafter und stets konzentriert. Als Marcelinho seinem Trainer Röber gestern einmal den Ball durch die Beine spielte, hat er diesen kleinen Streich ausdrucks- und regungslos zur Kenntnis genommen. Andere hätten vermutlich demonstrativ gejubelt. Marcelinho tat es nicht. Aber vielleicht lag das auch an der Müdigkeit.

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