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Alexander Esswein hätte im Pokal beim FC Hansa beinahe sogar ein Tor erzielt.

© Reuters

Hertha BSC vor dem Saisonstart: Alexander Esswein: Neues Glück in neuer Rolle

Alexander Esswein hat in seiner ersten Saison bei Hertha BSC nicht überzeugen können. Jetzt darf er sich als Stürmer neben Vedad Ibisevic versuchen - und macht es gut.

Im Prinzip hatte Alexander Esswein alles richtig gemacht. Er erkannte die Situation, sprintete beherzt in den freien Raum, und als Mathew Leckie den Ball vor das Tor des FC Hansa Rostock passte, stand er genau da, wo ein Stürmer zu stehen hat. Dummerweise brachte ein Gegenspieler seinen Fuß noch an den Ball und verhinderte damit Essweins erstes Pflichtspieltor in der neuen Saison. Wobei: Gegenspieler ist nicht ganz richtig. Es handelte sich um Vedad Ibisevic, den Kapitän von Hertha BSC und Kollegen von Alexander Esswein. Der Bosnier hatte sich mit einem Zwischenspurt noch in Position gebracht, den 2:0-Endstand im DFB-Pokalspiel gegen Hansa erzielt – und seinen Sturmpartner damit um ein sicheres Tor gebracht.

Vielleicht war es der Instinkt des Vollblutstürmers. Vielleicht war es auch der neue interne Konkurrenzkampf, der Ibisevic in dieser Situation Beine gemacht hatte. Sein Trainer Pal Dardai hat in der vergangenen Woche erzählt, dass sie bei Hertha ein neues Bewertungssystem eingeführt haben. Es werden jetzt Punkte vergeben für Tore, für Torvorlagen und für Vorlagen zu Torvorlagen. Die fortlaufend aktualisierte Tabelle hängt gut sichtbar für alle in der Kabine – als Ansporn zu mehr Offensivgeist. „Essi ist richtig vorne dabei“, sagt Dardai. Was eine mindestens mittlere Überraschung ist, wahrscheinlich sogar mehr.

Für 2,5 Millionen Euro ist Esswein vor einem Jahr vom FC Augsburg zu Hertha gekommen. Man kann nicht sagen, dass die Erwartungen an ihn übermäßig hoch waren – aber selbst die hat er nicht erfüllt. Als die Berliner in diesem Sommer mit Mathew Leckie und Valentino Lazaro zwei schnelle Spieler für die offensiven Außenbahnen verpflichteten, wurde das nicht ganz zu Unrecht auch als Ausdruck des Misstrauens gegen Esswein gedeutet. Dessen beste Zeit bei Hertha schien schon vorbei zu sein, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Stattdessen darf sich der 27-Jährige jetzt fürs Erste als Stammspieler fühlen. „Er hat es verdient“, sagt Trainer Dardai. „Er war ein positives Licht in der Vorbereitung.“

Davie Selke wird noch mehrere Wochen ausfallen

Das alles ist nach der Vorsaison, in der Esswein nur 15 Mal in der Startelf stand, schon außergewöhnlich genug. Noch außergewöhnlicher ist, dass Esswein auf einer Position überzeugt, für die er gar nicht geholt wurde. Dardai hat ihn von der Außenbahn in die Mitte versetzt, neben Vedad Ibisevic in den Sturm. Natürlich wurde die Idee auch aus der Not geboren, weil Neuzugang Davie Selke, der eigentlich für die Rolle vorgesehen ist, wegen seiner Mittelfußverletzung noch wochenlang ausfällt. Und trotzdem: Die Idee funktioniert. „Er hat richtig gutes Selbstvertrauen getankt. Auch im Training macht er Tore ohne Ende“, sagt Dardai. „Das ist eine Riesenchance für ihn.“

Völlig neu ist die Rolle für Esswein nicht. In Wirklichkeit hat er sogar als richtiger Stürmer angefangen, bevor er sich mehr und mehr Richtung Seitenlinie orientiert hat. In der U 23 des VfL Wolfsburg hat Esswein ganz vorne gespielt, auch bei Dynamo Dresden in der Dritten Liga, wo er mit 17 Treffern in der Saison 2010/11 sogar der beste Torschütze seines Teams war. „Er kommt schon klar auf der Position“, sagt Dardais Co-Trainer Rainer Widmayer. Vielleicht kommt sie ihm sogar stärker entgegen als die bisherige Rolle, weil sie das Spiel weitgehend auf seine Essenz reduziert: den Torabschluss.

Esswein hat sich in taktischen Dingen oft naiv angestellt, er braucht immer wieder klare Anweisungen. Auf seiner neuen Position ist das Anforderungsprofil zumindest bei eigenem Ballbesitz relativ einfach. Esswein mit seiner Geschwindigkeit in die Nahtstellen der Viererkette stoßen, „dann kannst du ihn ja gar nicht verteidigen“, sagt Widmayer. Was Esswein allerdings manchmal noch fehlt, ist das Gefühl in den Fußspitzen, wenn er vor dem Tor steht. Er versucht es gerne mal mit Gewalt statt mit Bedacht.

Zwei Mal hat Esswein in seiner ersten Saison für Hertha getroffen. Das reicht nicht, um sich in die Herzen der Fans zu spielen. Zumal Esswein seine beiden besten Auftritte auf fremden Plätzen gehabt hat: in Frankfurt, als er nach seiner Einwechslung ein Tor erzielte und ein weiteres vorbereitete, und in Wolfsburg, wo er, ebenfalls als Einwechselspieler, beim 3:2-Sieg zum zwischenzeitlichen 2:2 traf. Für ein besseres Standing fehlt ihm möglicherweise ein überzeugendes Spiel im Olympiastadion. Am Samstag bekommt er die nächste Chance – wenn Hertha gegen den VfB Stuttgart in die neue Saison startet und Alexander Esswein in der Startelf stehen wird.

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