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So fühlt sich also Verlieren an. Herthas Fußballer waren zuletzt Siege gewohnt, in Koblenz machte auch Waleri Domowtschiski neue Bekanntschaft mit einem alten Gefühl aus der vergangenen Saison.

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Hertha BSC: Warnschuss aus 60 Metern

Hertha lernt aus dem Pokal-Aus bei TUS Koblenz, dass beim Weg zurück in die Bundesliga neben der Qualität auch die Mentalität zählt.

Berlin - Das Wort zum Donnerstag spricht diesmal Claus-Dieter Wollitz, Fußballlehrer in Diensten von Energie Cottbus. Es geht dabei im Allgemeinen um das Konkurrenzunternehmen Hertha BSC und im Besonderen um dessen Trainer Markus Babbel, er hat die Berliner mit sieben Siegen in neun Spielen auf Platz eins der Zweiten Liga geführt, was ihn im DFB-Pokal aber nicht vor einer 1:2-Pleite beim Drittligisten TuS Koblenz bewahrte. „Endlich hat sich mal ein Gegner gefunden, der die Berliner 90 Minuten bekämpft hat“, spricht also Claus-Dieter Wollitz. „Die klopfen sich auf die Schulter, weil sie mit einem Etat von 40 Millionen Euro 23 Punkte haben“, aber das sei keine große Fußballkunst, denn „mit Spielern wie Raffael, Friend oder Ramos hätte ich mindestens genauso viele Punkte geholt und noch mehr Tore erzielt“.

Markus Babbel sagt dazu, dass er dazu am besten gar nichts sagt, „das kommentiert sich doch selbst“, und der Kollege möge sich doch bitte erfreuen an Energies überraschendem 2:1-Sieg über den SC Freiburg. So viel zur reinen Polemik. Was den auf Fußball reduzierten Teil der Tirade betrifft, ist der Berliner Trainer von der Analyse seines Cottbuser Kollegen gar nicht so weit entfernt. Hertha verfügt zwar über Spieler wie Raffael, Friend oder Ramos, die ihnen die Konkurrenz neidet und die für höhere Aufgaben qualifiziert sind. Aber eben diese Spieler haben es überhaupt nicht gern, wenn ihnen auf Gegners Seite minder bemitteltes Personal andauernd auf den Füßen steht.

Vom Kanadier Rob Friend war in Koblenz gar nichts zu sehen, der Kolumbianer Ramos fiel eigentlich nur einmal auf, als er nämlich zu viel zu weit fortgeschrittener Spielzeit Herthas einziges Tor erzielte. Und der Brasilianer Raffael mag von seinen Möglichkeiten her der beste Fußballspieler der Zweiten Liga sein. In Koblenz leitete er sein südamerikanisches Temperament in verhängnisvolle Bahnen, mit einem Tritt in die Beine seines Gegenspieles, nachdem der ihn zum wiederholten Male jenseits des Regelwerkes attackiert hatte, diesmal mit einem Zupfer am Trikot. Folge war zum einen die Rote Karte, zum anderen die Sperre für drei Pokalspiele. Im schlechtestmöglichen Fall wird er erst wieder im Spätsommer 2014 ein Pokalspiel für Hertha BSC bestreiten.

Positiv interpretiert, hat Raffael sich in Koblenz als einziger Berliner richtig gewehrt, was der Trainer jedoch nicht so interpretiert haben will. „So etwas darf ihm einfach nicht passieren“, sagt Babbel, „Raffael muss sich daran gewöhnen, dass er wegen seiner überragenden Fähigkeiten immer besonders hart attackiert wird.“ In diesem Sinne fügt sich die Überreaktion des Brasilianers bestens in den untertemperierten Auftritt seiner Kollegen. Die Erkenntnis daraus gießt Markus Babbel in den Satz: „Mentalität schlägt Qualität.“

Nun war von Berliner Qualität wenig zu sehen im Stadion Oberwerth, das bei 50-prozentiger Auslastung der bescheidenen Zuschauerkapazität auch nicht den Mindeststandard eines Hexenkessels erfüllte. Auch diese Ausrede fällt also weg. Spätestens in Koblenz dürfte es jedem bei Hertha BSC klar geworden sein, dass die noch langen Wochen bis zur angestrebten Rückkehr in die Erste Liga keineswegs als Automatismus ablaufen werden.

War die Niederlage im für Hertha traditionell wenig erfolgsträchtigen Pokalwettbewerb genau das richtige Signal, um den erfolgsverwöhnten Berlinern jeglichen Hang zur Arroganz auszutreiben? Keineswegs, sagt Babbel, „wir haben diesen Automatismus nie für uns in Anspruch genommen“. Wenn denn der Rückschlag von Koblenz für etwas gut gewesen sei, dann als Einstimmung auf die kommenden Wochen. Dann geht es gegen Mannschaften wie Ingolstadt, Paderborn und Osnabrück, die Fußball auch eher als bodenständige Arbeit denn technisch vollendete Kunst begreifen.

Der Sinn für Fußballkunst reduzierte sich auf ein originelles Führungstor, das aber eher unabsichtlich zustande kam. Michael Stahl sollte den Ball kurz hinter der Mittellinie eigentlich nur wegdreschen und hob ihn zu seiner Überraschung zum Entsetzen der Berliner über deren Torhüter Marco Sejna. Markus Babbel ist seit zwanzig Jahren im Geschäft, und auf seiner persönlichen Rangliste der kuriosesten Gegentore landet der 60-Meter-Treffer vom Dienstag „auf jeden Fall unter den ersten drei“. Womit das abermals vorzeitige Ende aller Berliner Pokalambitionen noch einen weiteren positiven Effekt zeitigt. Herthas Trainer hätte zwar lieber die bundesweite Aufmerksamkeit eines Achtelfinalspiels gegen einen attraktiven Gegner genossen. „Aber immerhin sind wir auf jeden Fall beim Tor des Monats mit dabei.“

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